Asteroiden: Hayabusa-2 bringt wertvolle Fracht aus dem All – erfolgreich
Update, 6. Dezember 2020, 9:00 Uhr: Die Rückkkehr der Probenkapsel der japanischen Raumsonde Hayabusa-2 am Abend des 5. Dezember war ein voller Erfolg: Genau nach Plan trat die Kapsel über dem Outback Australiens in die Erdatmosphäre ein und landete im vorgesehenen Areal auf der Militärbasis Woomera. Ihr Eintritt konnte mit dem bloßen Auge und mit Fernrohren verfolgt werden. Die Entfaltung des Fallschirms und der Abwurf des Hitzeschilds verliefen ohne Probleme, und schon eine kurze Zeit später setzte die Kapsel mit ihrer wertvollen Fracht sanft auf dem Wüstenboden auf. Bald danach konnten die Wissenschaftler der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA die Kapsel lokalisieren und bergen. Nun wird es spannend zu erfahren, wie viel kostbares Asteroidenmaterial sich in ihrem Inneren befindet.
Am 6. Dezember 2020 Ortszeit soll eine helle Feuerkugel den Nachthimmel über Australien erleuchten. Nicht etwa eine Sternschnuppe wird dann ihr feuriges Ende in der Erdatmosphäre finden, sondern die Rückkehrkapsel der japanischen Asteroidensonde Hayabusa-2 für ihre Landung mit rasender Geschwindigkeit in die Lufthülle eintreten. An Bord befinden sich wenige Gramm eines kostbaren Materials, nämlich Gestein des kleinen Asteroiden Ryugu. Auf dieses warten Wissenschaftler weltweit seit Jahren mit großer Spannung, auch in Deutschland wollen Teams das Gestein im Detail erforschen.
Die Ankunft der Gesteinsproben ist der vorläufige krönende Abschluss der Mission Hayabusa-2, die in den Jahren 2018 und 2019 für rund 500 Tage den nur etwa 950 Meter großen Himmelskörper aus unmittelbarer Nähe erkundete. Aber die Sonde, deren japanischer Name Wanderfalke bedeutet, beschränkte sich nicht nur auf passive Beobachtung, im Gegenteil: Sie setzte mehrere kleine Landesonden ab, darunter MASCOT, einen Lander, der in Deutschland und Frankreich entwickelt und gebaut wurde. Das Gerät erkundete rund 17 Stunden lang das Gestein von Ryugu direkt auf der Oberfläche und lieferte erste Informationen über dessen Zusammensetzung – sie haben neugierig gemacht. Regelrecht rabiat wurde Hayabusa-2, als sie Ryugu mit einem rund 2,5 Kilogramm schweren Projektil aus Kupfer beschoss. Es riss einen Krater von rund 17 Meter Durchmesser in den Asteroiden, verstreute Gestein in alle Richtungen und legte dabei frisches Oberflächenmaterial frei.
Vor dem Flug von Hayabusa-2 hatten die Planetenforscher angenommen, dass das Gestein von Ryugu einem bestimmten Meteoritentyp sehr ähnlich sei, nämlich den »kohligen Chondriten«. Der Asteroid war von der Erde mit Teleskopen als ein kohlenstoffhaltiger Himmelskörper vom C-Typ ermittelt worden. Doch schon jetzt ist bekannt, dass sein Gestein keinem der vielen tausend Meteoriten in den bisherigen Sammlungen gleicht. Es ist ausgesprochen fragil und brüchig, hat eine sehr geringe Dichte und würde keinesfalls einen Eintritt als Meteorit in unserer Atmosphäre überstehen. Somit wächst die Spannung, woraus es nun wirklich besteht und wie seine Feinstruktur beschaffen ist. Insgesamt zweimal entnahm Hayabusa-2 Gesteinsmaterial vor Ryugu, darunter auch in dem künstlich gesprengten Krater. Es ist deswegen so interessant, weil es weitgehend aus unveränderter Urmaterie aus der Urzeit unseres Sonnensystems vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren besteht. Aus ihm lassen sich Rückschlüsse auf die Entstehung der Planeten und der Sonne ziehen. Diese Informationen sind auf der Erde durch die geologische Aktivität längst verwischt.
Die Untersuchung von Ryugu geschieht aber nicht nur aus rein wissenschaftlicher Neugier. Vielmehr gehört der Himmelskörper zu den erdnahen Asteroiden und ist als potenziell gefährliches Objekt eingestuft, das heißt, er könnte eines fernen Tages auf der Erde einschlagen. Für die berechenbare Zukunft ist dies aber ausgeschlossen. Die Untersuchungen von Hayabusa-2 zeigen jedoch, dass Ryugu nicht wie ursprünglich erwartet ein kompakter Felsbrocken, sondern eine sehr lockere Ansammlung von Gesteinsbrocken aller Größen ist – also eine fliegende Geröllhalde. So ein Gebilde lässt sich nicht einfach mit einigen Atombomben von seinem Kollisionskurs abbringen. Da müssen andere, noch zu entwickelnde Verfahren her, falls sich einmal die Notwendigkeit ergeben sollte.
Wie der Faden durch ein Nadelöhr
Damit die Probenkapsel überhaupt wieder die Erde erreichen kann, müssen die Missionskontrolleure der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA ein wahres Bravourstück der Weltraumnavigation hinlegen. Es ist nämlich sehr schwierig, von Ryugu aus nach einem Flug von mehr als einer Milliarde Kilometer und einer Flugzeit von rund einem Jahr durch das Sonnensystem zu unserem Planeten zurückzufinden und die Kapsel punktgenau über Australien in die Erdatmosphäre zu bugsieren. Die Aufgabe ähnelt der Anstrengung, mit Boxhandschuhen einen Faden in eine Nähnadel einzufädeln.
Um nach Australien zu gelangen, wird Hayabusa-2 auf Kollisionskurs gehen müssen. Rund zwölf Stunden vor dem Aufschlag soll die Sonde die Rückkehrkapsel abwerfen, um sich selbst kurze Zeit später mit einem Schubmanöver der Bordtriebwerke vor dem Verglühen in der Atmosphäre zu retten. So soll die Sonde unseren Planeten in etwa 200 Kilometer Abstand passieren und dabei versuchen, mit ihren Kameras die Landekapsel als glühende Sternschnuppe in der Atmosphäre zu fotografieren. Die Landung der Kapsel am Fallschirm auf dem Luftwaffenstützpunkt Woomera im Outback Australiens ist wiederum am 5. Dezember zwischen 18 und 19 Uhr unserer Zeit vorgesehen, dann herrscht dort noch Nacht. Eine Landung in Australien ist sehr viel einfacher als im gebirgigen und dicht besiedelten Japan, so dass die JAXA schon im Jahr 2010 die Kapsel der Vorgängersonde Hayabusa-1 mit der freundlichen Erlaubnis der australischen Regierung dort niedergehen ließ.
Mit der Ablieferung ihrer Fracht wird der Flug von Hayabusa-2 jedoch noch lange nicht vorbei sein. Derzeit plant die JAXA, die Raumsonde noch bis zum Jahr 2031 zu betreiben und zwei weitere Asteroiden aus der Nähe zu erkunden. Der Wanderfalke wird seine scharfen Augen also auch weiterhin im Sonnensystem offen halten.
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