News: Heilsames Gift
Marklands Arbeitsgruppe implantierte Mäusen menschliche Brustkrebszellen. Bei Tieren, die mit CN behandelt wurden, stellten die Forscher ein um 60 bis 70 Prozent langsameres Tumorwachstum fest und eine um 90 Prozent reduzierte Metastasenbildung in der Lunge, verglichen mit der Kontrollgruppe, die kein Schlangenprotein bekam. "Die Metastasenbildung ist beim Brustkrebs ein großes Problem", sagt Markland. Wenn bei Frauen Krebs diagnostiziert wird, haben sich bei den meisten bereits Metastasen gebildet – der Krebs hat also bereits andere Stellen im Körper befallen, wie zum Beispiel die Lymphknoten, das Gehirn oder die Knochen.
CN gehört zu einer Proteinklasse, die als Disintegrine bezeichnet wird. Ihr Name deutet schon an, daß sie die Funktion der sogenannten Integrine stören. Diese Proteine sind auf der Oberfläche von Zellen zu finden und vermitteln deren Zusammenhalt untereinander und mit der extrazellulären Matrix. CN blockiert die Ausbreitung der Tumorzellen so effektiv, weil es deren Adhäsion an die gesunden Zellen im umliegenden Gewebe behindert. Noch nicht vollständig ausgewertete Versuche mit anderen Krebsarten lassen vermuten, daß CN auch deren Tumorwachstum unterdrücken kann.
Den experimentellen Resultaten zufolge wirkt CN aber nicht zelltötend, sondern lediglich cytostatisch, d.h. es überführt die Zellen in einen Zustand vermindeter Lebensfunktionen, der über lange Zeit aufrechterhalten werden kann. Dies hat den Vorteil, daß potentielle Nebenwirkungen cytotoxischer (zellabtötender) Medikamente vermieden werden. Es bedeutet aber auch, daß eine Behandlung immer wieder Zufuhr von CN erfordern würde, in der Hoffnung, das der Tumor irgendwann so klein ist, daß die Therapie zurückgefahren oder ganz eingestellt werden könnte. Klinische Versuche zur Behandlung von Brustkrebs bei Frauen mit CN könnten "in nicht allzu ferner Zukunft beginnen", sagt Markland.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 1/98, Seite 86
"Integrine"
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