Biogeografie: Heimat bist Du großer Zwerge
Seefahrer fürchteten die Tiefsee lange als Hort Furcht erregender Monster, als Heimat von Riesenkraken und Riesenseeschlangen, die komplette Schiffe versenken konnten. Vieles ist Legende. Und doch leben dort unten Tiergiganten, deren Verwandte weiter oben zwergenhaft bleiben.
Urlauber am Ballermann oder anderen Teutonenröstereien an den Gestaden mediterraner Inseln werden es wohl kaum glauben, und doch ist es wahr: Noch vor wenigen tausend Jahren lebten auf vielen sonnigen Eilanden des Mittelmeers Rüsseltiere, die eng mit der noch heute lebenden Elefantenart Süd- und Südost-Asiens verwandt waren.
Diese Inselformel – nach ihrem Entdecker auch Foster-Regel genannt – könnte aber auch in einem Ökosystem zur Geltung kommen, das von vielen eher nicht als klein oder isoliert wahrgenommen werden dürfte: der Tiefsee. Und doch trifft sie nach Ansicht von Craig McClain und Alison Boyer von der Universität von New Mexico in Albuquerque sowie Gary Rosenberg zumindest für bestimmte Mollusken und Krebstiere zu, die es einst in großer Zahl aus den flachen Küstengewässern in die unwirtlich dunklen Abgründe der Ozeane verschlagen hat und die dort neue Spezies hervorbrachten.
Denn ein Abgleich von Rosenbergs Sammlung aus Tausenden von Schnecken aus allen Teilen des Atlantiks erbrachte ein statistisch eindeutiges Ergebnis: Gerade Flachwasserschnecken, die kleiner als zwölf Millimeter sind, besitzen vielfach größere Tiefsee-Verwandte. Umgekehrt verzwergten jene Abyssal-Weichtiere, deren Stammbaum in höheren Meeres-Gefilden Spezies mit mehr als zwanzig Millimeter Länge hervorbrachte. So findet sich heute ein starker Anteil der bislang bekannten Weichtierfauna des Meeresbodens in einer einzigen Größenklasse wieder.
McClain und seine beiden Kollegen messen stattdessen einem weiteren Punkt eine entscheidende Bedeutung bei: Nahrung beziehungsweise Mangel an derselben. Die meisten Bewohner am unteren Ende der Wassersäule sind essenziell auf Nährstoffzufuhr von oben angewiesen – von herab rieselnden toten Algen bis hin zu ganzen Walkadavern –, doch ist diese Quelle unzuverlässig und oft über die gesamte Fläche hinweg wenig ergiebig.
Da große Schnecken folglich für ihren Stoffwechsel nicht genügend Energie gewinnen konnten, mussten sie schrumpfen. Kleine Arten vergrößerten ihren Körperumfang dagegen, weil sie damit einen größeren Bewegungsradius auf dem Meeresboden erreichten und vor allem auch mehr Möglichkeiten zum Speichern von Nahrungsüberschüssen bekamen.
Die Foster'sche Inselregel ist daher nach Ansicht der Wissenschaftler allgemeingültiger als bislang gedacht: Eine Nivellierung der Größenunterschiede wäre demnach überall möglich, wo die Versorgung mit Nährstoffen den entscheidenden Faktor darstellt – neben Inseln und der Tiefsee etwa auch in Wüsten oder in den Polargebieten. Zumindest für die Meere soll diese These demnächst durch Größenvergleiche bei Muscheln und Tintenfischen überprüft werden.
Von grauen Riesen konnte man im Falle des Maltesischen (Elephas namadicus) oder Sizilianischen Zwergelefanten (Elephas falconeri) allerdings nicht reden, denn sie erreichten bestenfalls eine Schulterhöhe von einem Meter und damit wenig mehr als eine Deutsche Dogge. Die Dickhäuter mussten im Laufe der Evolution schrumpfen, um in ihrem räumlich stark beschränkten Insellebensraum überhaupt überleben zu können – ein Phänomen, das in zweierlei Richtungen oft regelhaften Charakter annimmt: Neu auf Inseln ankommende große Arten verlieren an Dimension, während kleine Spezies zulegen, wie etwa die Galapagos-Riesenschildkröten oder die ausgestorbenen Moas Neuseelands belegen.
Diese Inselformel – nach ihrem Entdecker auch Foster-Regel genannt – könnte aber auch in einem Ökosystem zur Geltung kommen, das von vielen eher nicht als klein oder isoliert wahrgenommen werden dürfte: der Tiefsee. Und doch trifft sie nach Ansicht von Craig McClain und Alison Boyer von der Universität von New Mexico in Albuquerque sowie Gary Rosenberg zumindest für bestimmte Mollusken und Krebstiere zu, die es einst in großer Zahl aus den flachen Küstengewässern in die unwirtlich dunklen Abgründe der Ozeane verschlagen hat und die dort neue Spezies hervorbrachten.
Auslöser für ihre massenhafte Immigration ins Abyssal der Meere war womöglich ein großes Aussterbeereignis im Eozän vor etwa vierzig Millionen Jahren, als weltweit die Temperaturen der Tiefsee um bis zu zehn Grad Celsius sanken und es dort gleichzeitig zu extremer Sauerstoffarmut kam. Nachfolgend eroberten unter anderem viele Schalentiere die neu frei gewordenen Nischen – anscheinend mit Fosters Regel entsprechenden Körperveränderungen.
Denn ein Abgleich von Rosenbergs Sammlung aus Tausenden von Schnecken aus allen Teilen des Atlantiks erbrachte ein statistisch eindeutiges Ergebnis: Gerade Flachwasserschnecken, die kleiner als zwölf Millimeter sind, besitzen vielfach größere Tiefsee-Verwandte. Umgekehrt verzwergten jene Abyssal-Weichtiere, deren Stammbaum in höheren Meeres-Gefilden Spezies mit mehr als zwanzig Millimeter Länge hervorbrachte. So findet sich heute ein starker Anteil der bislang bekannten Weichtierfauna des Meeresbodens in einer einzigen Größenklasse wieder.
Was löst aber in der Tiefsee diese Entwicklungen aus? Auf Inseln gelten vor allem der begrenzte Lebensraum bei gleichzeitig verstärktem Wettbewerb und – sofern entsprechende Spezies fehlen – verringertem Jagddruck als entscheidende Faktoren für Größenwachstum oder Schrumpfungskur. In 2000 oder 10 000 Metern unter dem Meeresspiegel trifft dies jedoch im Vergleich zum Flachwasser nur bedingt zu: Genügend Platz zur Ausbreitung ist vorhanden, Räuber müssen einen in der ewigen Dunkelheit erst einmal finden, und auch der direkte Konkurrenzdruck dürfte geringer sein als in den dichter besiedelten ufernahen Regionen.
McClain und seine beiden Kollegen messen stattdessen einem weiteren Punkt eine entscheidende Bedeutung bei: Nahrung beziehungsweise Mangel an derselben. Die meisten Bewohner am unteren Ende der Wassersäule sind essenziell auf Nährstoffzufuhr von oben angewiesen – von herab rieselnden toten Algen bis hin zu ganzen Walkadavern –, doch ist diese Quelle unzuverlässig und oft über die gesamte Fläche hinweg wenig ergiebig.
Da große Schnecken folglich für ihren Stoffwechsel nicht genügend Energie gewinnen konnten, mussten sie schrumpfen. Kleine Arten vergrößerten ihren Körperumfang dagegen, weil sie damit einen größeren Bewegungsradius auf dem Meeresboden erreichten und vor allem auch mehr Möglichkeiten zum Speichern von Nahrungsüberschüssen bekamen.
Die Foster'sche Inselregel ist daher nach Ansicht der Wissenschaftler allgemeingültiger als bislang gedacht: Eine Nivellierung der Größenunterschiede wäre demnach überall möglich, wo die Versorgung mit Nährstoffen den entscheidenden Faktor darstellt – neben Inseln und der Tiefsee etwa auch in Wüsten oder in den Polargebieten. Zumindest für die Meere soll diese These demnächst durch Größenvergleiche bei Muscheln und Tintenfischen überprüft werden.
Immerhin bestätigt schon das Krebstierchen Bathynomus giganteus die Forscher in ihrer Meinung und bewahrheitet damit zumindest ein bisschen die Furcht der Seeleute vor den Leviathanen der großen weiten See. Was in unserem Keller vergleichsweise winzig daher kommt, wächst sich bei der Verwandtschaft am Meeresboden zu einem Riesen aus. Und wer begegnet schon gerne einer Schoßhund großen Assel?
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