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News: Heirat mit Rückgaberecht

'Er sieht nicht gut aus, ist ungebildet und ein absoluter Tor: Er ist ein Fehlkauf.' Mit diesen Worten umschrieb eine in Deutschland lebende Jüdin um 1400, weshalb sie sich mit väterlicher Unterstützung von ihrem Mann scheiden lassen wollte. Ihre Chancen, daß der Wunsch erfüllt wird, standen damals aus wirtschaftlichen Erwägungen gar nicht mal so schlecht.
Die Wissenschaftlerin Dr. Birgit Klein von der Gesamthochschule Duisburg stellt auf der Tagung "Im Hause züchtig, draußen mächtig" vom 8. bis 10. März 1999 vor, wie sich die grundlegenden finanziellen Regelungen jüdischer Ehen im spätmittelalterlichen Deutschland gegenüber der Antike verändert haben und wie sich dies auf das Verhältnis von Frauen und Männern auswirkte.

Nur der Mann kann den Scheidebrief ausstellen

Dr. Klein: "Die Forderung nach Scheidung war nicht unproblematisch: Anders als in der christlichen Gesellschaft existierte zwar im Judentum durchaus die Möglichkeit, eine Ehe zu scheiden, jedoch konnte nur der Mann die Scheidung vollziehen, indem er seiner Frau den Scheidebrief gab.

Der Mainzer Gelehrte Rabbi Jakob Mulin (gest. 1427), der nun darüber urteilen sollte, ob der unfähige Gatte und Schwiegersohn seiner Frau den Scheidebrief auszuhändigen hatte, entschied, man könne weder den Mann zur Scheidung noch die Frau zum Zusammenleben zwingen. Daß die Frau dennoch auf ihre Scheidung hoffen konnte, verdankte sie ihrer finanziellen Position während ihrer Ehe.

Auch der Mann bringt eine Mitgift in die Ehe ein

Sie hatte als Braut fünfzig Gulden bar und zwanzig Schmuck und Kleidung im Wert von zwanzig Gulden als Mitgift in die Ehe eingebracht – ebensoviel wie der Bräutigam, der siebzig Gulden in bar als Mitgift hatte stellen müssen. Die Tatsache, daß auch der Mann eine Mitgift vorweisen mußte, um heiraten zu können, war im Spätmittelalter unter jüdischen Familien verbreitet.

Weil Christen im Mittelalter die Zinsnahme verboten war und Juden zumeist ausschließlich der Geldhandel als Erwerbstätigkeit zugestanden wurde, konnte ein frisch verheiratetes Paar nur dann erfolgreich in den Geldhandel einsteigen, wenn es ein angemessenes Startkapital zur Verfügung hatte.

Dieses Kapital hatten nicht nur die Eltern der Braut, sondern zu gleichen Teilen auch die des Bräutigams als Mitgift zur Verfügung zu stellen. Und hatten Töchter früher nicht geerbt, weil sie das Erbe bereits in Form der Mitgift erhalten hatten, so konnten Frauen nun darüber hinaus auch erben, da ja ihre Brüder ebenfalls bei ihrer Heirat mit einer Mitgift ausgestattet worden waren.

Der Mann muß gut aussehen und intelligent sein

Folglich gab es keine finanziellen Unterschiede zwischen vielen jüdischen Frauen und Männern. Daher konnten Frauen wie im vorliegenden Fall Anforderungen stellen: Gutaussehend und intelligent mußte er als tüchtiger Geschäftsmann sein. Zudem war es üblich, daß Frauen ebenso wie Männer im Geldhandel tätig waren. So war auch im Ehevertrag besagten Paares festgelegt worden, daß beide gemeinsam mit ihrem Kapital, den 120 Gulden in bar, handelten.

Für die Trennung traf Rabbi Jakob Mulin folgende Regelung: Frau und Mann erhielten jeweils ihre Mitgift zurück. Zusätzlich sollte der Mann den Gewinn bekommen, den ihrer beider Vermögen gemacht hatte, die Kosten ausgenommen, die sie beide für ihren Unterhalt ausgegeben hatten.

Auf jeden Fall dürfte der Mann nach der Trennung nicht viel mehr als die Frau besessen haben – nämlich nur die Hälfte des einstigen gemeinsamen Startkapitals. Doch reichte dies für eine erfolgreiche Tätigkeit im Geldhandel? Wohl kaum, und nur die Scheidung ermöglichte dem Mann, wieder zu heiraten und mit der Mitgift der neuen Frau sein Startkapital zu verdoppeln.

Hohe Scheidungsrate unter Juden

Daher war durchaus zu erwarten, daß der Mann nach kurzer Zeit freiwillig den Scheidebrief aushändigte und beide eine neue Ehe eingehen konnten. Für diese Vermutung spricht die hohe Scheidungsrate unter Juden im 15. Jahrhundert, die darauf schließen läßt, daß die Schwelle zur Scheidung nicht hoch war.

Zwar handelt meine Untersuchung von Jüdinnen und Juden im Deutschland des Spätmittelalters, die zunächst mit heutigen Lebensbedingungen anscheinend nur wenig gemein haben. Doch ist das Ergebnis aktuell, weil die wesentlichen Faktoren, die das Geschlechterverhältnis prägen, nämlich die finanzielle und berufliche Stellung der Frau, sich auch auf die heutige Zeit übertragen lassen.

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