Megabeben: Heiße Jugend befördert Megabeben
Die stärksten Erdbeben der Welt spielen sich dort ab, wo Erdplatten sich gegenseitig überfahren: In den Subduktionszonen. Doch nicht alle Subduktionszonen haben das gleiche Potenzial für schwere Erdstöße. Manche Regionen, zum Beispiel vor Chile, erzeugen regelmäßig extrem energiereiche Beben, andere Bereiche dagegen sind seismisch nachgerade harmlos. Und wie stark ein Beben in einer gegebenen Region maximal werden kann, ist beileibe keine rein akademische Frage – von der Antwort hängen im Ernstfall tausende Menschenleben ab.
Bisher galt ein direkter Zusammenhang zwischen maximaler Bebenstärke und der Geschwindigkeit der untertauchenden Erdplatte als wahrscheinlich. Das klingt zunächst einleuchtend: Je schneller sich die Platte bewegt, desto mehr Druck kann sich in relativ kurzer Zeit aufbauen, während bei langsamerer Plattenbewegung die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Teil der Spannung schon in kleineren Beben oder gar durch Gleitbewegungen verschwindet.
Doch diese simple Argumentation scheint nicht auszureichen. Ausgerechnet einige der stärksten und folgenschwersten Beben tanzen aus der Reihe. Das Sumatra-Beben von 2004 war nach dem bisherigen Verständnis viel zu stark. Auch das Tohoku-Oki-Beben von 2011 überraschte die Forschung. Im Gespräch sind deswegen verschiedene andere Effekte, die möglicherweise Einfluss auf die Energien der Megabeben haben. So zum Beispiel Ausmaß und Struktur der Sedimente an der Kontaktzone beider Platten oder auch Tiefseeberge, die die Reibung zwischen den Platten erhöhen.
Am wahrscheinlichsten jedoch scheint eine andere Möglichkeit: Schon lange vermuten Forscher, dass das Alter der untertauchenden Platte eine Rolle spielt – und zwar weil die ozeanische Kruste im Lauf der Zeit kühler und dichter wird. Die junge, noch warme Kruste hat zusätzlichen Auftrieb, so dass sie nur langsam abtaucht und an der überfahrenden Platte entlangkratzt. Eine alte Platte dagegen ist kalt und schwer und sinkt aus eigenem Antrieb in den Erdmantel. Nach dieser Theorie erzeugt eine solche Situation eine Dehnungsregion, in der schwache Beben vorherrschen.
Tomoaki Nishikawa und Satoshi Ide von der Universität Tokio haben nun gezeigt, dass dieser thermische Auftrieb, auf Englisch die "slab buoyancy", wohl der wichtigste Einzelfaktor für den Spannungszustand einer Subduktionszone ist. Dazu bestimmten sie für insgesamt 80 Regionen mit aktiver Subduktion die so genannten b-Werte, die man erhält, wenn man Häufigkeit und Stärke von Erdbeben gegeneinander aufträgt und von einer solchen Darstellung die Steigung bestimmt. Aus Experimenten im Labor weiß man: je niedriger der b-Wert, desto höher die Spannung – und desto stärker auch die maximal möglichen Erdbeben.
Wie Nishikawa und Ide herausfanden, sind Plattengeschwindigkeiten ein schlechter Indikator für Stresszustände. Bessere Übereinstimmungen fanden sie dagegen zum Plattenalter sowie der Tiefe des vorgelagerten Tiefseegrabens – beides Indikatoren für eine wichtige Rolle der Gesteinsdichte und damit des Alters. Besonders eindeutig ist der Zusammenhang bei Platten, die jünger sind als 80 Millionen Jahre. Die Forscher vermuten, dass nach diesem Zeitraum die Platte nur noch sehr langsam abkühlt.
Allerdings passt auch dieses neue Schema nicht wirklich gut auf die irregulären Beben von 2004 und 2011 – die b-Werte für diese beiden Regionen erwiesen sich nach den Daten als ungewöhnlich niedrig und widersprachen dem generellen Trend. Die beiden Forscher spekulieren nun, dass sich diese Erkenntnisse nutzen lassen, um sehr starke Beben vorherzusagen: Wenn der b-Wert einer Subduktionszone wesentlich niedriger ist, als man nach Plattenalter und Grabentiefe erwarten sollte, sei die Verwerfung möglicherweise reif für eine schwere Erschütterung. Vielleicht zeigen derartige Komplikationen aber auch einfach, wie weit der Weg zum Verständnis der stärksten Erdbeben in Wirklichkeit noch ist.
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