Direkt zum Inhalt

Mantelplumes: Heiße Magmaströme schaffen neue Ozeane

Geowissenschaftler streiten seit Langem über die Bedeutung so genannter Mantelplumes, Aufströmungen heißen Gesteins tief aus dem Erdinneren. Computersimulationen deuten nun darauf hin, dass sie die Erdoberfläche stärker formen als gedacht.
Malawi-See

Wenn die Erdkruste in spektakuläre Schollen und Gräben zerbricht und sich neue Ozeane bilden, dann wirkt dahinter die Dynamik der Erdplatten. Dachte man bisher. Doch einen anderen, ebenso wichtigen Einfluss haben Geologen bisher anscheinend unterschätzt – einfach weil er so gemächlich daherkommt: Heißes Gestein im Erdmantel, das millionenfach zäher fließt als Honig. Doch wie Evgueni Burov und Taras Gerya von der Universität Sorbonne und der ETH Zürich schreiben, haben dessen Bewegungen ähnlich dramatische Folgen an der Erdoberfläche wie plattentektonische Vorgänge – bis hin zum Zerreißen ganzer Kontinente.

Bei ihrer Forschung geht es um Mantelplumes, pilzförmige Blasen heißen Gesteins, die über lange Zeiträume im Erdmantel aufsteigen und von unten auf die Erdkruste treffen. Diese Aufströmungen, die ihren Ursprung tief im Erdmantel haben, sind bis heute rätselhaft und umstritten. Bisher ging man davon aus, dass diese aufsteigenden Plumes Kontinente auf Skalen von tausenden Kilometern sanft aufwölben, ohne kleinere topografische Details an der Oberfläche merklich zu beeinflussen. Um solche Ströme im Erdmantel zu finden, rechnet man deswegen aus der Topografie der Erdoberfläche die kleinräumigen Veränderungen heraus. Doch das funktioniert nicht besonders gut: Die Fachwelt tut sich schwer, die vorhergesagten Ausbeulungen zu finden.

Computersimulattion eines Mantelplumes | Links: Klassisches Bild eines Mantelplumes unter der Kruste. Das aufsteigende Gestein erzeugt eine flache Beule, die wenige hundert Meter hoch ist und tausend oder mehr Kilometer Durchmesser hat. Rechts: Computersimulation der komplexen Erdkruste unter Spannung. Der Mantelplume erzeugt parallele Verwerfungen und anderer kleinräumige Strukturen, die einen langgestreckten Grabenbruch ergeben.

Mit Hilfe von aufwändigen Computersimulationen sind Burov und Gerya nun möglicherweise der Lösung des Rätsels auf die Spur gekommen: Demnach gibt es die sanften Ausbeulungen gar nicht – die Mantelplumes beeinflussen die Oberfläche weit stärker als gedacht. Die kontinentalen Platten nämlich bestehen aus Schichten unterschiedlicher Stärke und Elastizität, die außerdem fast überall unter gerichteter Spannung stehen. Dadurch ändert sich das Bild ganz erheblich: Drückt ein Mantelplume von unten gegen diesen Schichtkuchen, entsteht keine Beule, sondern ein Riss, aus dem womöglich sogar neue Ozeane entstehen.

Dass die Erdkruste kompliziert aufgebaut ist und sich zum Teil spröde, teilweise aber auch plastisch verhält, ist natürlich keine neue Erkenntnis. Bisher war es allerdings nicht möglich, entsprechende Modelle zu entwickeln – es fehlte schlicht die Rechenkraft. Das Modell von Burov und Gerya macht nun realistische Simulationen möglich. Einerseits modelliert es die Erdkruste auf größeren Skalen als 1000 mal 1000 Kilometern, auf denen sich die Mantelplumes abspielen, sowie 650 Kilometer in den Erdmantel hinein. Andererseits erfasst die Computersimulation spröde Strukturen der Erdkruste bis hinab zu zwei Kilometer Auflösung.

Insgesamt 114 Jahre Rechenzeit auf den Supercomputern der beteiligten Institute waren nötig, um die nun veröffentlichten Ergebnisse zu erhalten. Für ihren Aufwand bekamen die beiden Wissenschaftler jedoch bemerkenswerte Ergebnisse. Sie deuten darauf hin, dass Mantelplumes eine wichtige Rolle bei der Entstehung neuer Ozeane spielen. Wenn das heiße Material aus dem Mantel die kontinentale Kruste von unten trifft, beult sie sich in der Computersimulation keineswegs gleichmäßig aus, sondern zerreißt auf hunderten Kilometer Länge entlang einer linearen Naht.

Es entsteht ein Grabenbruch – eine langgezogene Senkungszone, an der Kontinente auseinander brechen. Das bekannteste Beispiel ist der Ostafrikanische Grabenbruch, der nach Ansicht vieler Experten dereinst Afrika spalten und einen neuen Ozean bilden wird. Nach den neuen Simulationen steigt das Material im Erdmantel nicht, wie bisher vermutet, als Folge der Grabenbildung auf, sondern ist ihre Ursache: Es sind die Mantelplumes, so die vorläufige Schlussfolgerung, die Kontinente spalten und Ozeane entstehen lassen. Damit geht die Diskussion, was bei tektonischen Vorgängen Ursache und was Wirkung ist, in eine neue Runde: Der Einfluss des tiefen Erdmantels auf die Erdoberfläche ist möglicherweise weit direkter, als man ihm bisher zugestand.

  • Quellen
Nature 513, S. 85–89, 2014

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.