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Klimaschutz: Heiße Weiße Ware

Sicher kühlen war lange ein Traum von Familienvorständen und Chemikern: In den FCKW glaubten sie das ideale Kältemittel gefunden zu haben. Doch das war ein gefährlicher Irrtum, denn der Stoff zerstört die Ozonschicht, und seine Nachfolger belasten das Klima. Nun sind neue Alternativen gefragt.
Verschrottete Kühlschränke
Sie trieben Spraydosen an, kühlten Lebensmittel und erstickten Flammen sicher und ohne Nebenwirkungen – zumindest dachten Chemiker das lange von ihren Fluorchlorkohlenwasserstoffen, die unter dem Namen FCKW später traurige Berühmtheit erlangen sollten. In der Tat sind FCKW sehr beständig, unbrennbar, geruchlos, leicht zu verflüssigen und für Menschen praktisch ungiftig; doch erst einmal freigesetzt, entfalten sie in der Erdatmosphäre eine verheerende Wirkung: Sie zerstören nachhaltig die Ozonschicht, wie ab 1974 immer stärker gewarnt wurde.

Trotz der zunehmend deutlicheren Hinweise, dass die FCKW den UV-Strahlungsschutzschild der Erde durchlöchern, dauerte es bis 1989, dass sich die internationale Staatengemeinschaft endlich dazu durchringen konnte, die verhängnisvolle Chemikalie zu verbieten. Bis spätestens 2030 sollen nun alle derartigen Substanzen – neben den klassischen FCKW auch verwandte, wenngleich eher schwach reaktive Stoffe – aus dem Verkehr gezogen sein, um die Ozonschicht zu schützen und ihre Erholung zu ermöglichen.

Entwicklung der Ozonschicht | Der Abbau des Ozons wird maßgeblich von der Sonneneinstrahlung und der Temperatur gesteuert. Deshalb ist der Abbau im Frühling besonders intensiv, die während der kalten Wintermonate angesammelten schädlichen Substanzen werden durch die einsetzende Sonnenstrahlung aktiviert.
Die Industrie stellte dies vor ein Dilemma, denn sie musste einen Ersatz finden, der nun nicht nur im Alltagsgebrauch ungefährlich ist, sondern auch die Ozonschicht schont. Sie fand ihn in den Fluorkohlenwasserstoffen (FKW), die man anschließend in Kälteanlagen aller Art in großen Mengen einfüllte, weil sie wie die FCKW einsetzbar sind, das Ozon aber nicht angreifen. Doch ganz ohne Probleme funktionieren auch die FKW nicht, wie nun Umweltforscher um Guus Velders vom Niederländischen Umweltberatungsinstitut in Bilthoven warnen. "Die FKW schützen die Ozonschicht, aber sie sind nicht klimafreundlich", fasst es David Fahey, einer der Koautoren der Studie, kurz zusammen.

Gut fürs Ozon, fatal fürs Klima

Jedes einzelne FKW-Molekül trägt – je nach genauem Aufbau – zwischen 100 bis 15 000 -mal stärker zum Treibhauseffekt bei als ein einziges CO2-Molekül. Sie gehören daher neben Lachgas, Methan und natürlich Kohlendioxid zu den Emissionen, die im Rahmen des Kioto-Protokolls zum Klimaschutz beobachtet und unter Kontrolle gebracht werden sollten. Auch wenn sie gegenwärtig weniger als ein Prozent zur Erderwärmung beitragen, könnte ihr Anteil in den nächsten Jahrzehnten stark ansteigen und 2050 bis zu zwölf Prozent betragen, wie Velders' Team kalkuliert.

Gerade mit dem steigenden Wohlstand in Ländern wie Brasilien, China oder Indien wächst der Bedarf an Kühlmitteln für die Klimaanlagen von Häusern oder Autos – und damit der Verbrauch an FKW. Zugleich gehören Klimaanlagen mittlerweile zum Ausstattungsstandard von Fahrzeugen selbst in kühleren Regionen wie Deutschland oder Skandinavien, so dass auch hier der Verbrauch steigt. Gerade bei diesen Anwendungen drohen aber die größten Verluste, denn millionenfach gasen die FKW aus leckenden Kühlanlagen in die Luft.

Darauf hat die Europäische Union schon mit der F-Gase-Verordnung aus dem Jahr 2006 reagiert: Sie verbietet die Substanzen jedoch nicht wie zuvor die FCKW, sondern regelt, dass die Einsatzorte des Mittels – neben Kältegeräten auch Feuerlöscher – regelmäßig auf ihre Dichtigkeit geprüft werden müssen. Sie soll also verhindern, dass die FKW durch Unachtsamkeit die Atmosphäre belasten.

Tauglich im Kühlschrank, problematisch im Auto

Ihre klimawirksame Rolle mindert sich dadurch jedoch langfristig nicht, denn schließlich müsste weltweit gewährleistet sein, dass die FKW auch nach dem Abwracken des Kühlschranks oder des Autos sicher entsorgt werden. Gesucht sind folglich Alternativen – etwa Wasser, Ammoniak oder neue synthetische Gase. Erstere werden bereits traditionell verwendet, sie sind aber nur beschränkt einsetzbar, weil das Wasser unter null Grad Celsius gefriert und Ammoniak ätzend wirkt. Immerhin findet Ammoniak vielfach Verwendung in Großanlagen wie Tiefkühl- und Schlachthäusern, Brauereien oder Eislaufbahnen, wo es schon in relativ geringen Mengen bei gleichzeitig hoher Kühlwirkung effizient arbeitet. Für den häuslichen Kühlschrank oder das Auto bleibt es jedoch unbrauchbar.

Ozonloch im September 2008 | Satelliten messen die Ozonkonzentration in der Stratosphäre: Rosafarbene Bereiche stellen extrem niedrige Ozonwerte dar, die vor allem über dem Südpol erreicht werden.
Für die so genannte Weiße Ware – also Küchenkühlgeräte – fand sich relativ rasch unter Mithilfe von Greenpeace und dem Hygiene-Institut Dortmund unter der Leitung von Harry Rosin eine Alternative: Sie füllten eine Mischung aus den Gasen Propan und Butan in den Kreislauf, die billig aus Erdgas zu gewinnen sind und die Ozonschicht nicht angreifen; zudem spielen sie keine nennenswerte Rolle als klimarelevantes Gas. Als nachteilig erwies sich eigentlich nur, dass sie leicht entflammen, weshalb man sie nur in hermetisch abgedichteten Systemen verwenden sollte. Sie gewinnen seit dem Jahr 2000 zunehmend Anteile auf dem Markt für Kühlschränke, da hier wegen der verwendeten geringen Mengen bei normalem Betrieb keine Gefahr ausgeht.

Anders sieht dies bei Verkehrsmitteln aus, bei denen wegen der steten Gefahr von Unfällen jedes Brandrisiko möglichst ausgeschlossen werden muss. Hier setzt die Industrie bevorzugt auf neu entwickelte Gase, die auf Grund des hohen Bedarfs außerdem einen lukrativen Markt versprechen. Bis jetzt verwendet beispielsweise die Automobilbranche vor allem den Stoff R 134a – Tetrafluorethan, dessen Treibhauswirkung jedoch 1300 -mal so hoch ist wie das von Kohlendioxid. Allein durch R 134a gelangen pro Jahr 2,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre: "Das entspricht der Menge an Kohlendioxid, die 1,5 Millionen Kleinwagen bei einer Fahrleistung von 15 000 Kilometern pro Jahr ausstoßen", so die Behörde.

Treibhausgas als Kälteträger

Als ein viel versprechender Kandidat machte zumindest bis letztes Jahr ein chemisches Kältemittel mit dem geheimnisvollen Namen HFO-1234yf (Hydroolefin-1234yf, ein Fluorgas) die Runde. Es besitzt ein wesentlich geringeres Treibhauspotenzial als vergleichbare Substanzen aus der Klasse der FKW und erfordert von den Autoherstellern kaum Umstellungen in der Produktion, da sich die bestehende Technologie problemlos weiterverwenden ließe. Wie die Deutsche Umwelthilfe im Oktober letzten Jahres anhand ihrer Experimente entdeckte, entflammt HFO-1234yf jedoch ebenfalls unter bestimmten Bedingungen und setzt dann giftige Flusssäure frei. Verschiedene Autoproduzenten stoppten daher anschließend ihre Testreihen.

Darauf folgt nun wahrscheinlich die Renaissance eines ganz und gar ungewöhnlichen, aber altbekannten Kältemittels – und das ist ausgerechnet das Kohlendioxid. Was paradox klingt, hat jedoch einen ernsthaften Hintergrund: Bis zur Einführung synthetischer Kältemittel spielte CO2 eine große Rolle in dieser Richtung, und auch das Umweltbundesamt erhofft sich, dass es diese Spitzenposition bei verschiedenen Anwendungen zukünftig wieder einnimmt. In Autoklimaanlagen beispielsweise wurde es bereits erfolgreich getestet und erlangt wohl bald Serienreife.

Ab 2011 müssen die Klimaanlagen neuer Pkw-Typen ohnehin mit einem Kältemittel befüllt werden, welches nur noch in geringem Umfang den Klimawandel antreibt. Kohlendioxid wäre dann eine gute Alternative – zumal es nach Angaben einiger Hersteller die Autos sogar schneller auf die gewünschte Temperatur bringt und gleichzeitig weniger Kraftstoff zum Betrieb verbraucht. Darüber hinaus verwendet man das Gas auch schon in der Supermarkt- und Transportkühlung. Und da es ohnehin noch bei der Energieerzeugung in großen Mengen entsteht, kann man es einigermaßen problemlos abschöpfen, ohne zusätzlich den Treibhauseffekt zu verstärken. Günstig wäre sein Einsatz ebenfalls zu haben: Laut Umweltbundesamt kostet eine Kohlendioxid-Klimaanlage bei einem Kleinwagen in Serienproduktion weniger als 30 Euro mehr.
  • Quellen
Velders, G. et al.: The large contribution of projected HFC emissions to future climate forcing. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0902817106, 2009.

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