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Bodenkunde: Heißer Mitspieler

Wälder, Feuchtländer und Ozeane - sie spielen meist die Hauptrolle in Artikeln zu Treibhausgasen und Klimawandel. Wüstenböden hingegen erlangen eher Aufmerksamkeit, weil sich die Trockenzonen ausdehnen. Dass aber auch sie oder besser ihre winzigsten Bewohner mehr als Statisten im globalen Kohlenstoff-Kreislauf darstellen, zeigt sich in der Kalahari.
Kruste eines Wüstenbodens
Ein paar Grasbüschel, vereinzelte Bäume und dazwischen feinster roter Sand: So präsentiert sich die Kalahari, die sich um tausend Meter über dem Meeresspiegel als subtropische Halbwüste über gut eine Million Quadratkilometer im südlichen Afrika erstreckt. Spannende Forschungsthemen gibt es hier genug, von den klimatischen Anpassungen der Vegetation bis hin zur Kultur der Buschmänner oder San mit ihrer besonderen, mit Klicklauten gespickten Sprache.

Kalahari | Ein paar Bäume, ein paar Grasbüschel und viel roter Sand: ein typischer Anblick in der Kalahari.
Eine Studie zum Thema Kohlendioxid-Freisetzung in klimarelevanter Größenordnung allerdings klingt erst einmal exotisch für diese Region. Denn ein intensiver Nährstoff- und Kohlenstoff-Haushalt scheint sich in dieser Trockenregion nicht abzuspielen: Es fehlt schlicht an Feuchtigkeit. Fällt einmal Regen, zeigt sich jedoch schnell, dass viele Organismen im Dornröschenschlaf nur darauf warten, geweckt zu werden.

Dornröschen im Sand

Zu diesen Schläfern gehören Cyanobakterien, Algen, Moose und Flechten, die an der Bodenoberfläche zusammen mit den Sandkörnchen teilweise eine fest verbackene millimeterdicke Kruste bilden. Sie ist mancherorts noch von schwarzbraunem "Wüstenlack" überzogen – gelösten Eisen- und Mangan-Oxiden, die schon bei geringer Feuchte unter Mithilfe der Mikroorganismen aus den Gesteinen gelöst wurden. Zu den Bindemittel gehören komplexe Kohlenstoff-Verbindungen, die von den fotosynthetisch aktiven Cyanobakterien ausgeschieden werden und den Boden innerhalb kurzer Zeit mit Kohlenstoff anreichern. Davon profitieren wiederum ebenfalls meist ruhende Bakterien der tieferen Bodenschichten, die das organische Material unter Freisetzung von Kohlendioxid abbauen – sofern sie Wasser genug zur Verfügung haben.

Wüstenlack | Wüstenböden sind häufig von einer Kruste bedeckt, die aus verbackenen Sandkörnern, Cyanobakterien, Lebermoosen und Flechten bestehen. Die schwarze Färbung stammt von Eisen- und Manganoxiden, die durch die mikrobielle Aktivität aus dem Untergrund gelöst werden.
Und mag die Freisetzung von Kohlendioxid hier lokal auch nur in einem sehr geringen Rahmen ablaufen: Wüsten und Halbwüsten bedecken fast ein Drittel der Erdoberfläche – es könnte sich also durchaus um klimawirksame Mengen handeln. Zumal Wissenschaftler damit rechnen, dass die steigenden Temperaturen und die Veränderungen im Niederschlagsgeschehen die Abbauaktivitäten der Mikroorganismen ankurbeln. Die Folge wäre eine verstärkte Produktion von CO2 auch in den Trockengebieten. Höchste Zeit also, den Stand der Dinge einmal aufzuzeichnen.

Mit einer eigens konstruierten kleinen Klimakammer und einem Gaschromatografen machten sich Andrew Thomas von der Manchester-Metropolitan-Universität und seine Kollegen im Südwesten Botsuanas ans Werk. Sie wählten zwei Vergleichszeiträume: Im August 2005 waren die Böden trocken – seit April war kein Tropfen Niederschlag mehr gefallen –, während sie im Mai 2006 nach einer sehr ausgeprägten Regenzeit bis in die Tiefe durchfeuchtet waren.

Feuchter Wecker

Am Ende der Trockenzeit im August beobachteten die Forscher eine geringe Fotosynthese der vorherrschenden Cyanobakterien, die tagsüber eine stündliche Abnahme der Kohlendioxid-Gehalte um etwas mehr als sechs Milligramm Kohlenstoff pro Quadratmeter bewirkte. Als die Wissenschaftler in der Kammer acht Millimeter "Regen" fallen ließen, steigerte sich die Kohlendioxid-Aufnahme auf das Zehnfache – und demonstrieren damit, zu welchen Leistungen die Cyanobakterien-Gesellschaft unter feuchteren Bedingungen fähig ist.

Wüsten als Kohlendioxid-Lieferanten? | Wüstenböden geben unerwartet viel Kohlendioxid ab, wenn durch länger anhaltende feuchte Bedingungen auch in den tieferen Schichten Bakterien aktiv werden und organisches Material abbauen.
Nach der feuchten Phase, also im Mai 2006, registrierten die Sensoren dagegen keine Abnahme, sondern einen Anstieg der CO2-Konzentrationen von stündlich bis zu 60 Milligramm Kohlenstoff pro Quadratmeter. Offenbar hatte das Nass nun die Lebensgeister der tiefer siedelnden Bakteriengesellschaften aktiviert, die durch ihren Abbau der von oben gelieferten organischen Substanzen den Kohlendioxid-Verbrauch und die Freisetzung des Bindemittels der Cyanobakterien noch überdeckten. Dazu passt, dass die Freisetzung unabhängig von der Bodenfeuchte der oberen Schichten war.

Und wie viel ist das nun im globalen Vergleich? Die Werte liegen im Rahmen von anderen Studien an Böden in Trockengebieten. Arktische Böden verlieren in der Winterzeit knapp acht Milligramm pro Quadratmeter und Stunde, tropische Böden, vor allem bei zusätzlicher Düngung, erreichen mehrere hundert Milligramm pro Quadratmeter und Stunde – ganz zu verachten sind die Wüstenergebnisse also nicht. Dementsprechend fordern die Forscher, auch die Trockenregionen in den Klimamodellen zu berücksichtigen: "Bisher hat man sie ignoriert, obwohl sie einen entscheidenden Beitrag zum globalen Kohlenstoff-Haushalt leisten." Das sollte sich wohl ändern.

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