News: Hilfreiche Hindernisse
Nicht erwünscht bei einer solchen gewollten Bindungsblockade sind natürlich Nebenwirkungen: Nur die fehlerhafte Gensequenz, einmal identifiziert, sollte blockiert werden, doch keinesfalls die Bildung anderer zelluläre Eiweiße. Was theoretisch einleuchtet, ist in der Praxis gar nicht so einfach. Denn die Herausforderung, die an das Design eines funktionierenden Ableseblockers gestellt werden, sind vielfältig: Das Blockiermolekül sollte nicht nur spezifisch an eine bestimmte Stelle der DNA binden – und zwar nur dort –, sondern zudem auch stärker als eines der ablesenden Enzyme, um nicht im Ernstfall einfach von diesem verdrängt zu werden.
Den Prototyp eines solchen funktionellen DNA-Blockers haben jetzt Forscher der University of Warwick um Michael Hannon vorgestellt. Das von ihnen synthetisch konstruierte Blockiermolekül besteht aus zwei zylinderförmigen, eisenhaltigen Kernen, um die jeweils drei organische Molekülstränge gewickelt sind – das gesamte Konstrukt passt damit optimal in die seitliche Furche der DNA-Helix.
Die elektrostatische Anziehung zwischen dem positiv geladenen Eisenkern des Blockier-Moleküls und der negativ geladenen DNA sorgt dabei für eine sehr starke Bindung. Offenbar wird der DNA-Abschnitt, in dem das Blockade-Molekül gebunden hat, stark verformt und damit das Ablesen der DNA-Informationen verhindert. Die Passgenauigkeit des neue Blockierers ist zudem scheinbar optimal auf die Symmetrie der DNA-Helix abgestimmt: Das Enantiomer, also das spiegelsymmetrischen Gegenstück des synthetisierten Blockade-Moleküls, lagert sich nicht in die DNA-Furche ein.
Perfektionieren wollen die Wissenschaftler noch die Bindungspezifität ihres synthetischen Blockers: Bislang sucht und bindet das Organo-Eisenmolekül nur recht kurze DNA-Sequenzen aus maximal fünf Basenpaaren. Um die Präzision des Blockierwerkzeugs zu steigern, sollen aber zukünftig Sequenzen von mindestens 15 Basenpaaren Länge erkannt werden.
Hier werden die Forscher sich auf wissenschaftliches Neuland begeben, denn bislang ist noch längst nicht völlig klar, woran spezifische Enzyme bestimmte DNA-Sequenzen überhaupt erkennen. Offenbar wirkt sich eine bestimmte Basensequenz auf die Form und Ausdehnung der beiden Furchen der DNA aus, welche die DNA-Helix wie die Vertiefungen einer Schraube umlaufen.
Bekannte zelluläre Regulatorproteine binden häufig im Bereich der großen DNA-Furche. Man geht daher davon aus, dass dort besonders vielfältige Möglichkeiten zur Erkennung bestimmter DNA-Sequenzen gegeben sind. Die Tatsache, dass das Syntheseprodukt von Hannon und seinen Kollegen ebenfalls in der großen Furche bindet, stellt daher eine Fortschritt gegenüber allen bisher synthetisierten Blockade-Molekülen dar. Diese waren nämlich meist sehr klein, erstreckten sich nur über wenige Basenpaare und banden, aufgrund ihrer geringen Größe, bevorzugt in der kleinere der beiden Furchen der DNA-Helix. Die erwünschte spezifisch blockierende Wirkung ist demnach durch das jetzt neugeschaffene Molekül etwas näher gerückt – auch wenn dem Genblockade-Therapie selbst noch einige Hindernisse im Weg stehen.
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