Sozialpsychologie: Deine Kaffeetasse, meine Kaffeetasse
"Gib mir doch mal das Salz!" oder "Hast du einen Kugelschreiber für mich?" sind Bitten, bei denen wir nicht lange überlegen müssen, was zu tun ist. Wir reichen den Gegenstand weiter – und zwar meistens so, dass der andere ihn gut fassen kann. Dass ein Messer nicht mit der Klinge voraus übergeben wird, lernen wir schon als Kinder.
Beim Weiterreichen sind Menschen aber nicht immer in gleichem Maß hilfsbereit, wie ein Forscherteam rund um Merryn Constable von der University of Toronto nun feststellte: Betrachten wir einen Gegenstand als unser Eigen, bieten wir ihn anderen offenbar seltener mit Griff oder Henkel voran an.
Constable und Kollegen luden 19 Freundespaare in ihr Labor ein und schenkten jeder Person beim ersten Besuch zunächst eine Kaffeetasse. Die Versuchsteilnehmer wurden aufgefordert, die Tasse jeden Tag zu verwenden – auf keinen Fall durften andere Personen daraus trinken. Ein bis zwei Wochen später setzten die Wissenschaftler die beiden Freunde gemeinsam an einen Tisch und baten sie jeweils im Wechsel, ihrem Kumpel entweder die eigene oder dessen Kaffeetasse anzureichen – oder aber den Kaffeebecher des Versuchsleiters in einem anderen Experiment. Die Probanden bekamen zudem Anweisungen, ob der Empfänger die Tasse anschließend tatsächlich nehmen und hochheben oder ob er einfach nur still sitzen bleiben sollte. Jedes Freundespaar durchlief so insgesamt 120 Durchgänge, die mittels Motion-Capture-Technik aufgezeichnet wurden.
Bei der Analyse des Bildmaterials entdeckten die Forscher, dass die Versuchspersonen den Henkel der Kaffeetasse beim Abstellen stärker in Richtung der rechten Hand ihres Freundes drehten, wenn sie damit rechneten, dass er die Tasse anschließend tatsächlich hochheben würde (alle Teilnehmer waren Rechtshänder). Interessanterweise taten sie dies jedoch nicht so ausgeprägt, wenn es sich bei dem weiterzureichenden Gegenstand um ihren persönlichen Kaffeebecher handelte.
"Die Bindung, die wir zu einem Gegenstand haben, übertragen wir unabsichtlich auch auf unsere Bewegungen, wenn wir mit dem Objekt interagieren", erklärt Studienleiterin Constable das Ergebnis. Dadurch werde dann im Zweifelsfall unser Vorhaben gestört, dem Gegenüber Mühen zu sparen und ihm die Tasse möglichst komfortabel zuzureichen. Dieser Effekt sei allerdings so subtil, dass er im Alltag kaum auffalle.
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