EPO: Hilft das Dopingmittel gegen Depression?
Niedergeschlagenheit, Verzweiflung, Erschöpfung, Freud- und Antriebslosigkeit – das sind meist die typischen Anzeichen einer Depression. Häufig leiden die Betroffenen aber auch unter Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, sind vergesslich, denken langsamer und können sich schlechter konzentrieren, was die Chancen zusätzlich verschlechtert, etwa in Schule und Job zumindest einigermaßen am Ball zu bleiben. Diese Begleiterscheinungen lassen sich womöglich aber mit dem Hormon und Dopingpräparat Erythropoetin in den Griff bekommen, berichten dänische Forscher um Kamilla Miskowiak vom Copenhagen University Hospital.
Erythropoetin, kurz EPO, steuert im Körper die Bildung der roten Blutkörperchen. Da diese für den Sauerstofftransport verantwortlich sind, nutzten es in der Vergangenheit nicht nur zahlreiche Mediziner zur Behandlung von Krankheiten wie Blutarmut, sondern auch viele Sportler, um auf illegalem Weg ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Dass dies offenbar auch hervorragend im Hinblick auf das kognitive Leistungsvermögen funktioniert, belegten Miskowiak und ihr Team nun in einem randomisiert-kontrollierten Experiment mit 79 Patienten, die entweder an einer Depression oder einer bipolaren Störung litten, bei der sich depressive mit manischen Phasen abwechseln. Die Forscher verabreichten ihnen entweder über neun Wochen hinweg EPO oder ein Placebomedikament. Zu Beginn, unmittelbar nach Beendigung der Einnahme und sechs Wochen später testeten sie zudem das Denkvermögen ihrer Probanden, zum Beispiel im Hinblick auf Gedächtnis, Aufmerksamkeitsspanne und Planungsvermögen. Dabei entdeckten sie, dass die Versuchsteilnehmer mit EPO ihre Leistungen im Lauf der Zeit um rund elf Prozent steigerten, bei der Kontrollgruppe blieben diese dagegen mit einer Veränderung von nur zwei Prozent fast konstant. Der Effekt hielt auch sechs Wochen nach Beendigung der Hormontherapie noch an.
Interessanterweise profitierten die Versuchsteilnehmer umso mehr von dem Präparat, je schlechter sie zu Beginn der Studie in den kognitiven Tests abschnitten. Damit könnte EPO vielleicht eines Tages zumindest für manche Betroffenen neue Therapieoptionen eröffnen, hoffen die Forscher. Im nächsten Schritt wollen sie es daher an einer größeren Patientengruppe testen, um zu schauen, ob der Effekt überhaupt bestehen bleibt.
Eine Auswirkung auf die Hauptsymptome der Krankheit hatte das Hormon übrigens nicht: Obwohl die Teilnehmer anschließend auch in einer Befragung von weniger kognitiven Beschwerden berichteten, nahm dies offenbar keinen großen Einfluss auf ihre Lebensqualität insgesamt. EPO könnte damit also allenfalls die normale Behandlung unterstützen, ersetzen kann es Psychotherapie oder Antidepressiva nicht.
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