Neolithische Revolution: Hinter uns die Sintflut
Vor etwa rund zehntausend Jahren revolutionierte sich die Welt: Aus Jägern und Sammlern wurden Landwirte - und sie legten damit den Grundstein für den anschließenden Siegeszug der menschlichen Zivilisation. Eine Naturkatastrophe könnte diesen Wandel beschleunigt haben.
"Denn von heute an in sieben Tagen will ich regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles Lebendige, das ich gemacht habe. Und Noah tat alles, was ihm der Herr gebot. Er war aber sechshundert Jahre alt, als die Sintflut auf Erden kam. Und er ging in die Arche mit seinen Söhnen, seiner Frau und den Frauen seiner Söhne vor den Wassern der Sintflut", so steht es in der Bibel geschrieben – im Ersten Buch Mose, Kapitel 7.
Vielen Wissenschaftlern gilt die Bibel aber nicht als das geschriebene Wort Gottes, sondern als Geschichtsbuch, in dem prägende Ereignisse aus der frühen Menschheitsgeschichte in verklausulierter Form Eingang gefunden haben: etwa die Sintflut. Reales Vorbild für die Wassermassen, die auf Noah, die Arche und ihre Besatzung aus Mensch und Tier herniedergingen, sollen demnach massive Überflutungen in den Küstenstreifen des Schwarzen Meeres gewesen sein, die vor Tausenden von Jahren die lokale Bevölkerung vertrieben haben. Das traumatische Erlebnis wurde dann von Generation zu Generation weitergegeben, bis es im Alten Testament niedergeschrieben wurde.
Immerhin ließe sich das Schwarzmeer-Hochwasser mit paläoklimatischen, limnologischen und geologischen Erkenntnissen plausibel erklären: Ursache des steigenden Wasserstandes war demnach der Zusammenbruch des so genannten Laurentidischen Eisschildes in Nordamerika – einem der letzten großen Relikte der gerade zu Ende gegangenen Eiszeit. Hinter der Eisbarriere hatte sich viel Schmelzwasser angesammelt, das sich nun plötzlich Bahn brach und in die Hudson-Bay sowie anschließend in den Nordatlantik ergoss. Die enorme Wasserzufuhr ließ den Meeresspiegel weltweit um 1,4 Meter steigen und verzögerte die Wiedererwärmung in Europa, weil sie das wärmende Golfstromsystem nach Süden abgedrängte.
Am Bosporus hatte das Tauwetter allerdings noch gravierendere Folgen. Hier befand sich zu diesem Zeitpunkt noch eine felsige Schwelle, die das salzige Mittelmeer von einem Süßwassersee im Bereich des heutigen Schwarzen Meers trennte. Die steigenden Pegel erhöhten allerdings bald den Druck auf die Barriere, bis sich ein Strom Bahn brach und in einem gigantischen Wasserfall in das benachbarte Becken stürzte. Jenseits der Prallzone bildete sich durch die Wasserzufuhr ein turbulenter Jetstrom aus, der die Küstenlinie entlang schoss und dort einen tiefen Graben in den Boden riss – er ist auf Echolot-Bildern gut zu erkennen. In Bohrkernproben gefundene Muscheln bezeugen zudem einen abrupten Wechsel von einer Süß- zu einer Salzwasserfauna, die aus dem Mittelmeer eingeschwemmt wurden.
Innerhalb von nur drei Jahrzehnten stieg der Pegel im Schwarzen Meer um Dutzende Meter und überflutete nach den neuen Berechnungen von Chris Turney von der Universität Exeter und Heidi Brown von der Hochschule im australischen Wollongong mehr als 72 000 Quadratkilometer Land. Für die lokale Bevölkerung eine veritable Katastrophe: Die beiden Forscher rekonstruierten den ursprünglichen Küstenverlauf am Schwarzen Meeren und folgern daraus, dass mindestens 145 000 Menschen ihre Heimat am einstigen Seeufer verloren – ursprünglich von Deltas, sanft mäandrierenden Flüssen und flachen Ländereien gekennzeichnet, bot es optimale Lebensbedingungen für eine relativ starke Besiedelung. Stattdessen zwang das Wasser die Menschen in angrenzende Regionen, die allerdings ebenfalls bewohnt waren, sodass sich dort der Bevölkerungsdruck erhöhte und es zu sozialen Verwerfungen kam. Der Niedergang der großen neolithischen Siedlung von Çatal Hüyük begann womöglich mit den massiv zuströmenden Flüchtlingen, spekulieren die Forscher.
Neben diesem Ungemach und der Entstehung der Sintflut-Saga leitete die Naturkatastrophe aber wohl auch den Beginn des modernen Europas ein. Denn unter den Flüchtenden waren zahlreiche Bauern, die in den fruchtbaren Niederungen bereits Landwirtschaft betrieben hatten, wie zahlreiche archäologische Funde andeuten: Ausgehend vom Nahen Osten etablierte sich der Ackerbau rund ums Schwarze Meer bereits vor mehr als 9000 Jahren. Doch schaffte er von dort aus nur noch den Sprung in kleine Enklaven nach Griechenland und auf den Balkan, wo sein Vormarsch für rund tausend Jahre steckenblieb, während sich im restlichen Europa weiterhin die mesolithischen Jäger- und Sammlergemeinschaften tummelten.
Erst mit den Überschwemmungen am Schwarzen Meer sollte sich dies ändern: Fast zeitgleich breiteten sich nun Ackerbau und das Töpferhandwerk westwärts aus und eroberten Europa, weil die verdrängten Bauern andernorts neues Land erschließen mussten und diese Fähigkeiten mitbrachten. Radiokarbondatierungen von archäologischen Funden und Sedimentablagerungen stimmen zeitlich gut überein, sodass Turney und Brown Flut und Expansion relativ exakt auf die Zeit vor 8350 bis 8230 Jahren vor heute datieren können. Innerhalb von nur einer Generation hatte sich die neue Kultur dann über den alten Kontinent ausgebreitet, wie Vergleichsdaten aus allen Winkeln Europas belegen. Der Klimawandel scheidet nach Meinung der Forscher als Triebkraft deshalb aus: Die zwischenzeitliche Abkühlung Europas – ausgelöst durch den abgedrängten Golfstrom – begann erst noch ein Menschenleben später.
Vielen Wissenschaftlern gilt die Bibel aber nicht als das geschriebene Wort Gottes, sondern als Geschichtsbuch, in dem prägende Ereignisse aus der frühen Menschheitsgeschichte in verklausulierter Form Eingang gefunden haben: etwa die Sintflut. Reales Vorbild für die Wassermassen, die auf Noah, die Arche und ihre Besatzung aus Mensch und Tier herniedergingen, sollen demnach massive Überflutungen in den Küstenstreifen des Schwarzen Meeres gewesen sein, die vor Tausenden von Jahren die lokale Bevölkerung vertrieben haben. Das traumatische Erlebnis wurde dann von Generation zu Generation weitergegeben, bis es im Alten Testament niedergeschrieben wurde.
Immerhin ließe sich das Schwarzmeer-Hochwasser mit paläoklimatischen, limnologischen und geologischen Erkenntnissen plausibel erklären: Ursache des steigenden Wasserstandes war demnach der Zusammenbruch des so genannten Laurentidischen Eisschildes in Nordamerika – einem der letzten großen Relikte der gerade zu Ende gegangenen Eiszeit. Hinter der Eisbarriere hatte sich viel Schmelzwasser angesammelt, das sich nun plötzlich Bahn brach und in die Hudson-Bay sowie anschließend in den Nordatlantik ergoss. Die enorme Wasserzufuhr ließ den Meeresspiegel weltweit um 1,4 Meter steigen und verzögerte die Wiedererwärmung in Europa, weil sie das wärmende Golfstromsystem nach Süden abgedrängte.
Am Bosporus hatte das Tauwetter allerdings noch gravierendere Folgen. Hier befand sich zu diesem Zeitpunkt noch eine felsige Schwelle, die das salzige Mittelmeer von einem Süßwassersee im Bereich des heutigen Schwarzen Meers trennte. Die steigenden Pegel erhöhten allerdings bald den Druck auf die Barriere, bis sich ein Strom Bahn brach und in einem gigantischen Wasserfall in das benachbarte Becken stürzte. Jenseits der Prallzone bildete sich durch die Wasserzufuhr ein turbulenter Jetstrom aus, der die Küstenlinie entlang schoss und dort einen tiefen Graben in den Boden riss – er ist auf Echolot-Bildern gut zu erkennen. In Bohrkernproben gefundene Muscheln bezeugen zudem einen abrupten Wechsel von einer Süß- zu einer Salzwasserfauna, die aus dem Mittelmeer eingeschwemmt wurden.
Innerhalb von nur drei Jahrzehnten stieg der Pegel im Schwarzen Meer um Dutzende Meter und überflutete nach den neuen Berechnungen von Chris Turney von der Universität Exeter und Heidi Brown von der Hochschule im australischen Wollongong mehr als 72 000 Quadratkilometer Land. Für die lokale Bevölkerung eine veritable Katastrophe: Die beiden Forscher rekonstruierten den ursprünglichen Küstenverlauf am Schwarzen Meeren und folgern daraus, dass mindestens 145 000 Menschen ihre Heimat am einstigen Seeufer verloren – ursprünglich von Deltas, sanft mäandrierenden Flüssen und flachen Ländereien gekennzeichnet, bot es optimale Lebensbedingungen für eine relativ starke Besiedelung. Stattdessen zwang das Wasser die Menschen in angrenzende Regionen, die allerdings ebenfalls bewohnt waren, sodass sich dort der Bevölkerungsdruck erhöhte und es zu sozialen Verwerfungen kam. Der Niedergang der großen neolithischen Siedlung von Çatal Hüyük begann womöglich mit den massiv zuströmenden Flüchtlingen, spekulieren die Forscher.
Neben diesem Ungemach und der Entstehung der Sintflut-Saga leitete die Naturkatastrophe aber wohl auch den Beginn des modernen Europas ein. Denn unter den Flüchtenden waren zahlreiche Bauern, die in den fruchtbaren Niederungen bereits Landwirtschaft betrieben hatten, wie zahlreiche archäologische Funde andeuten: Ausgehend vom Nahen Osten etablierte sich der Ackerbau rund ums Schwarze Meer bereits vor mehr als 9000 Jahren. Doch schaffte er von dort aus nur noch den Sprung in kleine Enklaven nach Griechenland und auf den Balkan, wo sein Vormarsch für rund tausend Jahre steckenblieb, während sich im restlichen Europa weiterhin die mesolithischen Jäger- und Sammlergemeinschaften tummelten.
Erst mit den Überschwemmungen am Schwarzen Meer sollte sich dies ändern: Fast zeitgleich breiteten sich nun Ackerbau und das Töpferhandwerk westwärts aus und eroberten Europa, weil die verdrängten Bauern andernorts neues Land erschließen mussten und diese Fähigkeiten mitbrachten. Radiokarbondatierungen von archäologischen Funden und Sedimentablagerungen stimmen zeitlich gut überein, sodass Turney und Brown Flut und Expansion relativ exakt auf die Zeit vor 8350 bis 8230 Jahren vor heute datieren können. Innerhalb von nur einer Generation hatte sich die neue Kultur dann über den alten Kontinent ausgebreitet, wie Vergleichsdaten aus allen Winkeln Europas belegen. Der Klimawandel scheidet nach Meinung der Forscher als Triebkraft deshalb aus: Die zwischenzeitliche Abkühlung Europas – ausgelöst durch den abgedrängten Golfstrom – begann erst noch ein Menschenleben später.
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