Weiße Zwerge: Hinweise auf zwei Exojupiter um Sternleichen
Noch ist unklar, was mit den Planeten eines Sterns passiert, der sich am Ende seines Lebens zu imposanter Größe aufbläht. Alles in seiner Nähe wird von seinen äußeren Gasschichten umhüllt, und auftretende Gezeitenkräfte können Körper auseinanderreißen. Genau deshalb ist eine Studie so spannend, die ein Team um Susan Mullally vom Space Telescope Science Institute in Baltimore Anfang 2024 veröffentlicht hat: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten von der möglichen Entdeckung von Gasriesen um gleich zwei Weiße Zwerge. Das könnte unser Verständnis vom Leben der Planeten nach dem Tod ihres Heimatsterns verändern und einen Ausblick auf die Zukunft unseres Sonnensystems geben.
Der Weg zum Weißen Zwerg
Beginnen wir zunächst am Ende, nämlich beim Tod eines Sterns. Ein Stern mit höchstens acht Sonnenmassen, der seinen Wasserstoff im Inneren verbraucht hat und in einer Schale um den Kern Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff fusioniert, schwillt zu einem Roten Riesen an. Er erreicht bei dieser Expansion das Vielfache seiner ursprünglichen Größe. Die äußeren Gashüllen kühlen mit der Zeit ab, und der ausgebrannte Kern bleibt als Weißer Zwerg zurück – ohne Sternexplosion. Ein solches kompaktes Endobjekt hat ungefähr die Masse unserer Sonne, obwohl er lediglich so groß wie die Erde ist.
Interessant ist nun, was mit den Planeten eines Sterns passiert, wenn dieser in der Phase der Expansion ist. Kann ein Planet ein solch dramatisches Ereignis überhaupt überleben? Befindet er sich zu nah am Zentralgestirn, ist es unausweichlich, dass er von den Gashüllen des Sterns verschlungen wird. Bei einer genügend großen Distanz sollte der Sterntod allerdings nicht unbedingt auch das Ende des Planeten bedeuten. Stattdessen sollte er weiter nach außen wandern, weil der Ausstoß der äußeren Gasschichten die Masse und damit die Gravitation des Sterns verringert hat. Ob diese theoretische Überlegung stimmt, kann sich nur mit Beobachtungen zeigen.
Verräterische Metalle
Ein erster Durchbruch ist nun womöglich der Forschungsgruppe um Mullally gelungen. Dazu wertete sie Daten des Mid-Infrared Instrument (MIRI) des James Webb Space Telescope (JWST) aus. Das Team konnte wahrscheinlich eine direkte Aufnahme von zwei Gasriesen gewinnen, die jeweils um die Weißen Zwerge mit den Namen WD 1202–232 und WD 2105–82 kreisen. MIRI besitzt einen Spektrografen und eine Kamera, die den Bereich zwischen 5 und 28 Mikrometern abdecken, was im mittleren Infrarot liegt. Die beobachteten Sternsysteme befinden sich etwa 34 beziehungsweise 53 Lichtjahre entfernt in den südlichen Sternbildern Rabe und Oktant.
Bisher wurden mehr als 70 000 Weiße Zwerge in Studien untersucht, so dass das Team die Suche nach potenziellen Planeten um sie herum zunächst sinnvoll eingrenzen musste. Ein mögliches Merkmal für Begleiter ist eine metallreiche Atmosphäre des Weißen Zwergs. Zur Erinnerung: In der Astrophysik wird jedes Element, das nicht Wasserstoff oder Helium ist, als »Metall« bezeichnet. Die Forschenden vermuten, dass die Exoplaneten für die Anreicherung mit Metallen verantwortlich sind. Der überlebende Planet könnte durch seine Gravitation die Umlaufbahnen von kleineren Objekten wie Asteroiden und Kometen stören. Diese Kleinkörper fallen dann weiter in Richtung des Weißen Zwergs, wo sie durch seine starke Anziehungskraft auseinanderfallen und ihr Material auf die Sternleiche fällt, so dass sich zunehmend Metalle in der Sternatmosphäre ansammeln. Ungefähr 25 bis 50 Prozent aller beobachteten Weißen Zwerge weisen entsprechende Merkmale in ihrem Spektrum auf.
Suche nach Überlebenden
Die von Mullally und ihrem Team untersuchten Weißen Zwerge zeichnen sich nicht nur durch metallhaltige Atmosphären aus, sondern sind zudem so nah oder jung, dass mögliche Planeten auf Bildern von MIRI sichtbar werden können. Je näher ein System zur Erde steht, desto höher ist die räumliche Auflösung der Aufnahme. Und je jünger der Weiße Zwerg ist, desto heißer ist er, was bei Infrarotbeobachtungen den Kontrast zu eher kühlen Planeten verstärkt. Die Forschenden wählten schließlich vier Exemplare aus, welche diese Kriterien erfüllen, und wurden bei zweien fündig.
Auf ihren Bildern ist neben dem Weißen Zwerg jeweils ein planetenähnliches Objekt zu erkennen (siehe »Raffinierte Analyse«). Nachdem die Strahlung des Weißen Zwergs rechnerisch entfernt worden war, konnte die Wärmestrahlung der vermuteten Planeten in vier verschiedenen Wellenlängen berechnet werden. Zusammen mit dem modellierten Alter des Weißen Zwergs leitete das Team so die Masse der Begleiter ab. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten außerdem die Umlaufdauer der Planeten und ihre Distanz zum Sternüberrest bestimmen. Bei WD 1202–232 b – das b kennzeichnet den innersten Planeten – ergab sich dabei eine Masse von einer bis sieben Jupitermassen, eine Entfernung von 11,47 Astronomischen Einheiten (AE) und eine Umlaufdauer von rund 50 Jahren. Eine Astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne, ungefähr 150 Millionen Kilometern. Zu Lebzeiten des Sterns müsste die Entfernung des Planeten mit 5,3 AE viel geringer gewesen sein. Bei WD 2105–82 b fallen die Werte größer aus: Er umkreist seinen Stern einmal alle 243 Jahre in einer Distanz von zirka 34,62 AE, die einst 9,7 AE betrug. Seine Masse von ein bis zwei Jupitermassen konnte enger eingegrenzt werden.
Raffinierte Analyse
Die Bilder zeigen die beiden Weißen Zwerge WD 1202–232 (obere Reihe) und WD 2105–82 (untere Reihe) und ihre eventuellen Exoplaneten vor und nach einer ausgeklügelten Bildbearbeitung. In der linken Spalte ist jeweils das Originalbild zu sehen, das mit dem Instrument MIRI des JWST bei einer Wellenlänge von 15 Mikrometern aufgenommen wurde. Je dunkler die Einfärbung ist, desto höher ist die Strahlungsintensität. Der Weiße Zwerg steht im Zentrum, der mögliche Begleiter ist mit einem roten Pfeil gekennzeichnet. Die mittlere Spalte zeigt denselben Ausschnitt, nachdem die Strahlung des Weißen Zwergs mit Hilfe einer »point spread function« (Punktspreizfunktion, PSF) subtrahiert wurde. Dabei wird berechnet, wie eine Punktquelle auf den Aufnahmen erscheinen würde, und das so bestimmte Beugungsmuster wird vom Bild abgezogen (siehe SuW 6/2023, S. 8). Die Methode funktioniert nur, wenn die Strahlungsquelle tatsächlich punktförmig ist, was bei weit entfernten Sternen der Fall ist. Die Position des Weißen Zwergs wird zur Veranschaulichung mit einem blauen Stern markiert. In der rechten Spalte wurde die Strahlung des Begleiters auf dieselbe Weise abgezogen. Dass er ebenso sauber entfernt wurde, weist darauf hin, dass auch er punktförmig ist und es sich beispielsweise nicht um ein ausgedehntes Hintergrundobjekt handelt. Die Aufnahmen bei drei weiteren Wellenlängen, welche das Team ebenfalls analysiert hat, liefern vergleichbare Resultate. Die leuchtkräftige Quelle oben links in der ersten Reihe ist eine weiter entfernte Galaxie.
Ähnlichkeiten zum Sonnensystem
Das alles klingt erst einmal einleuchtend: Die Astronominnen und Astronomen haben zwei neue Gasriesen um zwei Weiße Zwerge gefunden und sogar schon die Umlaufbahnen analysiert. Aber ganz so einfach ist das nicht. In der Studie macht das Team die wichtige Bemerkung, dass es sich um eine falsch-positive Entdeckung handeln könnte und gar keine Exoplaneten, sondern etwas anderes gefunden wurde. Die Gruppe beziffert diese Wahrscheinlichkeit mit 1:3000; es besteht somit eine etwa 0,03-prozentige Chance, dass es sich um Objekte in unserem Milchstraßensystem oder um Hintergrundgalaxien handelt, die so weit entfernt sind, dass sie am Himmel punktförmig erscheinen. Was genau der Fall ist, wird sich erst durch weitere Beobachtungen herausstellen. Susan Mullally und ihr Team möchten noch mehr Daten mit dem JWST sammeln, um sicherzugehen. Falls es sich tatsächlich um Exoplaneten handelt, wären sie die ersten direkt beobachteten Begleiter, bei denen sowohl Alter als auch Masse und Abstand zum Zentralstern vergleichbar mit denen der Gasriesen unseres Sonnensystems sind.
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