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News: Hirndruckmessung auch ohne Schädeleröffnung möglich

Bei vielen Erkrankungen des Gehirns, insbesondere nach Schädel-Hirnverletzungen ist es erforderlich, den Druck im Inneren des Hirns zu messen, um ärztlicherseits die geeignete Behandlung festlegen zu können. Diese Messungen waren bislang nur möglich, indem der Schädelknochen durch ein Bohrloch eröffnet und die Sonde zur Druckmessung eingeführt wurde. Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben vor kurzem ein Verfahren entwickelt, den Hirndruck nichtinvasiv zu messen, so daß auf eine operative Öffnung des Schädels künftig verzichtet werden kann.
Die Ergebnisse dieses neuartigen Verfahrens wurden in der Fachzeitschrift The Lancet vom 14. Februar 1998 veröffentlicht. Dieses Verfahren, mit dem erstmalig eine sichere Abschätzung des Schädelinnendruckes auf unblutige Weise möglich ist, wurde in der Klinik für Neurochirurgie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Raimund Firsching) zusammen mit der Universitätsaugenklinik Magdeburg (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Wolfgang Behrens-Baumann) entwickelt. "Da das Auge entwicklungsgeschichtlich aus dem Hirngewebe hervorgegangen ist, lag die Überlegung nahe, daß Druckkräfte, die sich auf das Hirn auswirken, auch über den Sehnerv auf das Auge auswirken könnten", begründet der Neurochirurg Professor Firsching die Forschungskooperation mit Ärzten der Augenklinik.

Das neue Verfahren beruhe auf dem anatomischen Prinzip, so der Wissenschaftler, daß die Netzhaut ihren venösen Abfluß über den Sehnerv nimmt, der von Hirnwasser umgeben ist und damit mit dem Schädelinnendruck in Zusammenhang steht. Erhöht sich der Schädelinnendruck, wird der Sehnerv zusammengedrückt und der Blutabfluß aus der Netzhaut behindert. Mit einem Druckmeßgerät kann der Augeninnendruck beliebig festgestellt werden, der Augenhintergrund kann mit einem Augenspiegel ausgewertet werden. Überschreitet der Augeninnendruck den Venendruck, so kolabiert die Vene. Auf diese Weise läßt sich die genaue Druckhöhe der Vene bestimmen, welche das Blut aus der Netzhaut ableitet.

"Bei einer Erhöhung des Schädelinnendruckes ließ sich so bei über 20 Patienten, bei denen aus besonderen Gründen – vornehmlich mit Verdacht auf Wasserkopf oder Schädel-Hirn-Verletzung – der Schädelinnendruck gemessen wurde, ein exakter Zusammenhang zwischen Netzhautvenendruck und Schädelinnendruck nachweisen", informiert Professor Firsching. Die Methode sei unter anderem von praktischer Bedeutung für die Unterscheidung bei Patienten mit Wasserkopf, bei denen das Hirnwasser abgeleitet worden ist, ob zum Beispiel Erbrechen auf eine Schädelinnendruckerhöhung zurückzuführen ist durch Fehlfunktion des Ableitungssystems oder durch einen in der Zwischenzeit sich entwickelnden Magendarminfekt.

Professor Firsching: ,Da die Methode der Netzhautvenendruckmessung, die Oculodynamometrie, somit einen Hinweis für den Schädelinnendruck ergeben kann, sollte nicht nur dem Augenarzt, sondern auch dem praktischen Arzt und dem Nervenarzt sowie dem Neurochirurgen die Methode bekannt sein."

Bereits im Jahre 1920 war der jetzt erstmalig nachgewiesene Zusammenhang zwar vermutet worden, allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt nur unzureichende Möglichkeiten einer genauen Druckmessung.

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