Hirnforschung: Wie der Herzschlag unsere Wahrnehmung beeinflusst
Unser Herzschlag gibt auch den Takt vor, in dem unser Gehirn arbeitet. Auf dieses spannende Phänomen sind Wissenschaftler bereits in früheren Studien gestoßen. Es hängt mit den zwei Phasen zusammen, in die Mediziner unseren Herzrhythmus unterteilen: Während der systolischen Phase zieht sich das Herz zusammen und pumpt Blut in den Körper. In der anschließenden diastolischen Phase fließt das Blut dann wieder zum Herzen zurück. Das wirkt sich anscheinend auch auf das Gehirn aus. So konnten Forscher etwa beobachten, dass Menschen Reize, mit denen sie während der systolischen Phase konfrontiert werden – etwa einen milden Elektroschock –, mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit wahrnehmen.
Woher das rührt, hat ein Team um Esra Al vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und von der Humboldt-Universität zu Berlin genauer untersucht. Die Wissenschaftler rekrutierten dazu 37 Freiwillige, denen sie im Labor schwache Elektroschocks an den Fingern verabreichten. Die Teilnehmer mussten dabei angeben, ob sie die Stromschläge gespürt hatten oder nicht. Parallel dazu maßen Al und ihre Kollegen den Herzschlag der Probanden per EKG und die Hirnwellen per EEG.
Dabei entdeckten sie wie schon zuvor, dass die Versuchspersonen Stromstöße, die ihnen während der Systole verabreicht wurden, etwas seltener bemerkten als solche, die sie in der diastolischen Phase erreichten. Der Unterschied war zwar klein, aber statistisch signifikant, wie die Forscher im Fachmagazin »PNAS« schreiben. Das Phänomen schien dabei mit der so genannten P300-Komponente der Hirnaktivität zusammenzuhängen. Diese Ausbuchtung im EEG tritt genau 300 Millisekunden nach der Wahrnehmung eines Reizes auf und wird auch mit Bewusstsein assoziiert. Während der systolischen Phase war P300 bei den Teilnehmern tendenziell unterdrückt – Informationen wurden also nicht bewusst wahrgenommen. Je stärker das Gehirn dabei auf den Herzschlag reagierte, desto seltener registrierten die Teilnehmer die Reize.
Vermutlich soll dieser Prozess eigentlich verhindern, dass wir unseren Puls ständig wahrnehmen. Als Nebeneffekt bleiben dabei aber offenbar auch schwache äußere Reize auf der Strecke. Außerdem könnte der Zusammenhang zwischen Herzrhythmus und Hirnaktivität erklären, warum Herz- und Hirnleiden oft Hand in Hand gehen, sagen Al und ihre Kollegen. So leiden Menschen mit Herzerkrankungen etwa oft auch unter kognitiven Einbußen, obwohl die dafür zuständigen Hirnregionen eigentlich gar nicht betroffen sind.
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