Hirnvolumen: Unsere Gehirne werden größer
Menschliche Gehirne sind über die Generationen hinweg gewachsen. Wer in den 1960er Jahren zur Welt kam, hat demnach ein um fast sieben Prozent größeres Denkorgan als jemand, der in den 1930er Jahren geboren wurde. Womöglich bietet die größere Hirnmasse einen gewissen Schutz gegen altersbedingte Hirnerkrankungen wie Alzheimer. Dies geht aus einer Studie der University of California in Davis hervor. Die Fachleute publizierten ihre Ergebnisse in dem Fachblatt »JAMA Neurology«.
Das Team um Charles DeCarli stützte sich auf die Daten einer Bevölkerungsstudie in Massachusetts (Framingham-Herz-Studie). Diese umfasst tausende Personen aus mehreren Generationen und dokumentiert deren Herz- und Hirngesundheit. Bei einer früheren Auswertung zeigte sich seit den 1960er Jahren ein prozentualer Rückgang der Demenzfälle. Um die möglichen Ursachen zu beleuchten, verglichen DeCarli und seine Kollegen systematisch die MRT-Hirnaufnahmen, die von 1999 bis 2023 durchgeführt worden waren. Die Scans stammten von mehr als 3000 Probanden (die Hälfte davon Frauen), die in den 1930er bis 1970er Jahren geboren waren. Zum Zeitpunkt der Messung waren sie im Schnitt 57,4 Jahre alt und hatten weder Demenz noch Schlaganfälle erlitten.
Während Personen, die in den 1930er Jahren zur Welt gekommen waren, ein durchschnittliches Hirnvolumen von 1234 Millilitern aufwiesen, erreichten in den 1970ern Geborene eines von 1321 Millilitern. Das entspricht einer Zunahme um 6,6 Prozent. Die Oberfläche des Denkorgans nahm sogar um fast 15 Prozent zu. Allerdings stieg auch die Körpergröße. Selbst wenn dieser Faktor einberechnet wurde, wuchs das Gehirn um 5,9 Prozent. Die Wissenschaftler berücksichtigten zudem den Effekt des Alters zum Messzeitpunkt. Außerdem verwendete man für mehr als 90 Prozent der Messungen nur zwei Hirnscanner, was technische Unterschiede in der Datenaufnahme minimierte.
Mehr Hirnmasse, mehr Reserve
Die weiße Substanz des Gehirns nahm um fast acht Prozent zu, die graue Substanz nur um ungefähr zwei Prozent. Der Hippocampus vergrößerte sich um knapp sechs Prozent. Dieses Hirnareal ist für Lern- und Gedächtnisprozesse wichtig und bei Alzheimererkrankungen häufig beeinträchtigt. »Die Genetik spielt eine wichtige Rolle bei der Hirngröße, aber unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch äußere Einflüsse – wie gesundheitliche, soziale, kulturelle und pädagogische Faktoren – eine Rolle spielen könnten«, erklärt DeCarli.
Diese führten möglicherweise zu einer besseren Gehirngesundheit und einer Art Reserve gegenüber altersbedingtem Hirnabbau. So könnte der Verlust von Hirngewebe, wie es bei Alzheimer typisch ist, ein Stück weit durch mehr Volumen ausgeglichen werden. Während die Auswirkungen auf individueller Ebene wahrscheinlich gering sind, dürften sie auf Bevölkerungsebene beträchtlich sein, schreiben die Autoren. Sie geben aber auch zu bedenken, dass die Teilnehmenden überwiegend weiß, gesund, gut ausgebildet und daher nicht repräsentativ für die breitere US-Bevölkerung sind.
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