Überraschung im Wellentank: Historische Monsterwelle ähnelte bekanntem Kunstwerk
Lange waren Monsterwellen – gigantische Wogen auf offener See – ein Stoff von Mythen und Legenden. Zwar berichteten immer wieder Seeleute von Wasserbergen, die sich aus dem Nichts weit über die umgebenden Wogen auftürmen, doch verlässliche Messungen fehlten. Bis zum Neujahrsnachmittag 1995. Zwischen zehn bis zwölf Meter hohen Sturmwellen rollte eine fast 26 Meter hohe Woge unter der Ölbohrplattform Draupner durch – präzise vermessen von den Sensoren der Plattform. Seither sind Hunderte solcher Monsterwellen dokumentiert und auch, dass sie in unterschiedlichen Formen auftreten. Zum Beispiel können durch nichtlineare Prozesse einzelne Superwellen aus sonst ganz gewöhnlichem Wellengang entstehen.
Die Draupner-Welle gehörte dagegen zu jenen mysteriösen Einzelgängern, die sich anscheinend völlig spontan zu einem Wasserberg auftürmen und spurlos wieder verschwinden. Nun hat ein Team um den Ingenieur Mark McAllister von der University of Oxford gezeigt, dass diese historische Monsterwelle wohl durch Überlagerung zweier Wellenfronten im Winkel von 120 Grad entstand. Dazu erzeugte es in einem Wellentank von 25 Meter Durchmesser zwei Wellenfronten, die den Seegang im Draupner-Gebiet um Neujahr 1995 im Maßstab 1 zu 35 nachstellten, und ließ sie in verschiedenen Winkeln aufeinandertreffen.
Wie die Arbeitsgruppe berichtet, überlagern sich die Wellen zwar bei allen Winkeln konstruktiv, die Kammhöhe der Welle bleibt aber begrenzt – sie bricht, bevor sie groß genug für eine Draupner-Welle wird. Bei 120 Grad beobachtete die Gruppe dagegen ein neues Phänomen: Hier stört das Brechen des Wellenkamms keineswegs das Höhenwachstum, im Gegenteil. Fast vertikal werden Teile der Wassermasse aufwärtsgeschleudert und kippen in einem steilen Kamm aus Gischt nach vorne, der die umliegenden Wellen weit überragt. Die entstehende Woge ähnelt, wie die Forscher anmerken, in gewisser Weise dem Holzschnitt »Die große Welle vor Kanagawa« aus den »36 Ansichten des Berges Fuji« von Katsushika Hokusai. Wie groß die Ähnlichkeit wirklich ist, liegt aber wohl im Auge des Betrachters.
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