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Launischer Sommer: Hitzeblase auf dem Weg nach Deutschland

In den nächsten Tagen könnte es im äußersten Südwesten bis zu 38 Grad heiß werden, auch den Norden erwartet Badewetter. Nach dem kurzen Hitze-Intermezzo kracht es dann wieder.
Ein Badesee bei Berlin
»Pack die Badehose ein ...« – zumindest ein paar Tage lang wird man sich nach einer Möglichkeit zur Abkühlung wie in diesem Berliner Badesee sehnen. Denn es wird heiß in Deutschland, teilweise sogar extrem heiß.

Die Hundstage werden ihrem Ruf in diesem Jahr gerecht: Vom heutigen Samstag an, 10. August, bis zur Wochenmitte wird es verbreitet heiß in Deutschland – im Süden und Osten sogar extrem heiß. Schon am Sonntag könnten im äußersten Südwesten 35 Grad erreicht werden, am Montag und Dienstag sogar 37 oder 38 Grad. Selbst im Norden erwarten die Meteorologen zu Wochenanfang kurzzeitig Hitze mit Temperaturen von mehr als 30 Grad – bestes Badewetter also. Damit stehen Deutschland die bislang heißesten Tage des Jahres bevor. Der vorherige Höchstwert des Jahres wurde am 30. Juli in der südbadischen Stadt Müllheim im Markgräflerland mit 35,4 Grad erreicht.

Von einem »ordentlichen Hitzevorstoß« spricht Marcel Schmid, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. »Der Sommer wird richtig auf Touren kommen – zumindest kurzfristig«, sagt er. Der Grund: Eine ausgeprägte Hitzeblase bewegt sich von Nordafrika nach Mitteleuropa, so zeigen es mittlerweile alle Wettermodelle. Unterschiede gibt es höchstens darin, wie heiß es genau wird. Das hauseigene Modell Icon des DWD berechnet Werte von 37 Grad für Montag und Dienstag entlang des Oberrheins, das europäische Modell ECMWF 36 Grad, und das amerikanische Modell GFS, das häufig die Basis bildet für viele Wetterapps, verharrt bei 35 Grad. Außergewöhnlich heiß dürfte es aber auf jeden Fall werden.

40 Grad oder mehr werden in Deutschland nächste Woche jedoch sicher nicht erreicht, sagt Schmid. Dieses Extremszenario hatten die Wettermodelle noch zu Beginn der Woche gezeigt; das Modell Icon platzierte sogar eine rekordverdächtige 41 an den südlichen Oberrhein, was schlagzeilenhungrige Medien und Meteorologen sofort aufgriffen. Wahrscheinlich schaffe es die heißeste Luftmasse aber nicht nach Mitteleuropa, sagt Marcel Schmid. Die Hitzeblase werde Deutschland voraussichtlich nur abgeschwächt erreichen.

Trotzdem ist die Luftmasse so heiß, dass die Nullgradgrenze in den Alpen kurzzeitig über die höchsten Gipfel steigen dürfte. 20 bis 22 Grad warm wird die Luftmasse auf einem Luftdruckniveau von 850 Hektopascal. Diese Luftmassentemperatur sehen sich Fachleute bevorzugt an, weil dieser Wert unbeeinflusst ist von Tag und Nacht, Wind, Wolken oder Feuchte. Strahle tagsüber dann die Sonne ungestört von einem tiefblauen Himmel, könne man auf diese Luftmasse am Boden im Hochsommer rund 16 Grad hinzuaddieren, rechnet Meteorologe Schmid vor. Das macht entsprechend eine Höchsttemperatur von bis zu 38 Grad am Montag und Dienstag. Hinzu kommen wohl zwei oder drei Tropennächte in Folge, zumindest in den Großstädten an Rhein, Ruhr und Main. Damit sind Nächte gemeint, in denen die Anzeige auf dem Thermometer nicht unter 20 Grad sinkt.

Frankreich ist Hitzeblasen-Hotspot

Noch heißer wird es in Frankreich. Hier erreicht die Hitzeblase ihren Höhepunkt, schwächt sich dann aber mit jedem Kilometer, den sie auf den Kontinent zieht, ab. Im Südwesten Frankreichs könnte schon am Sonntag die 40-Grad-Marke überschritten werden, das zeigen alle Wettermodelle. Noch heißer mit bis zu 45 Grad könnte es in vielen Regionen Spaniens werden. Solche Werte sind auch in Südeuropa im Hochsommer alles andere als normal. Derzeit liegen die Temperaturen verbreitet um mehr als 15 Grad über dem Durchschnitt der Jahre von 1991 bis 2020.

Diese Extremtemperaturen wirken sich auf die Wassertemperaturen in den Urlaubsregionen aus. Das Mittelmeer hat sich längst in eine warme Badewanne verwandelt; das Wasser ist verbreitet drei bis fünf Grad wärmer als im langjährigen Mittel, vereinzelt sogar sieben oder acht Grad. Zwischen Sardinien und Sizilien hat sich das Mittelmeer bereits auf 30 Grad aufgewärmt, zur Wochenmitte könnten dort sogar 31 oder 32 Grad erreicht werden.

Extreme Hitze und Trockenheit im Mittelmeerraum sind exakt die Klimawandelfolgen, vor denen Forscher seit Jahren warnen

Die Adria ist nur geringfügig kühler, seit Juli schon ist das Wasser zwischen Italien und Kroatien annähernd 30 Grad warm. Ursache der maritimen Hitzewelle sind außergewöhnliche Temperaturen im Südosten des Kontinents. Österreich, Ungarn und der Balkan sind der Hotspot dieses Sommers in Europa; seit Juni suchen immer wieder heftige Hitzewellen mit um die 40 Grad diese Regionen heim. Extreme Hitze und Trockenheit im Mittelmeerraum sind exakt die Klimawandelfolgen, vor denen Forscher seit Jahren warnen. Je höher die Treibhausgasemissionen und in der Folge die Globaltemperaturen steigen, desto heißer und trockener wird diese Großregion.

In diesem Jahr kommt in Südosteuropa aber noch etwas Spezielles hinzu: eine besondere Laune des Wetters, die Meteorologen als natürliche Schwankung bezeichnen. Denn das Wetter über Europa ist wie zementiert. Marcel Schmid sieht ein »völlig eingefahrenes Muster der Großwetterlage«. Südosteuropa liegt seit Monaten entweder unter einem stabilen Hitzehoch oder an der Vorderseite eines durchschwenkenden Troges über Mitteleuropa. Letzterer pumpt die Heißluft über dem Mittelmeerraum weit nach Norden, immer wieder erreicht sie Polen, die Ukraine und sogar die baltischen Staaten.

Über Mitteleuropa will sich hingegen seit Monaten kein stabiles Wetter etablieren, Deutschland erlebt einen Zickzacksommer auf hohem Temperaturniveau. Anders als häufig empfunden, ist der Sommer nicht zu kühl, die Temperaturen lagen bislang meistens sogar eher über dem Durchschnittswert, und die Gletscher in den Alpen schmelzen trotz der im Frühjahr noch besten Ausgangsbedingungen, wie der Schweizer Gletscherforscher Matthias Huss von der ETH Zürich auf »X« mitteilte.

Nach der Hitze kommen Blitze

Allerdings schafft kein Hochdruckgebiet es, sich länger über Deutschland zu behaupten. Stattdessen zieht immer wieder ein außergewöhnlich starkes Tiefdruckgebiet vom Nordostatlantik nach Mitteleuropa hinein und beendet Hitzeeinschübe schon nach wenigen Tagen. Dadurch greift die Frontalzone immer wieder weit nach Süden über, wie der Übergangsbereich zwischen kühler Polarluft und warmer Subtropenluft heißt. Die Folge: Über Deutschland treffen wiederholt extreme Luftmassen aufeinander, immer wieder knallt es. Nach der Hitze kommen Blitze.

So wird es auch dieses Mal wieder sein. Schon am Dienstag zieht das Hitzehoch allmählich nach Osten ab, von Nordwesten strömt polare Meeresluft herbei. Die extreme Hitze wird dadurch extrem schwül, schon am Montag steigen die Taupunkte im Südwesten stark an, am Dienstag dann dürfte sich die Luft im Westen und Südwesten mit Taupunkten von mehr als 20 Grad wie in den Tropen anfühlen. Bis auf den Nordosten Deutschlands wird die Luft im ganzen Land regelrecht explosiv, die Cape-Werte (kurz für Convective Available Potential Energy), ein Maß für die Gewitterenergie, steigen massiv an. Sie erreichen wohl Werte von 4000 Joule pro Kilogramm, das ist für Deutschland außergewöhnlich, schon Werte zwischen 2000 und 3000 gelten als hoch. Ebenfalls extrem ist das atmosphärische Niederschlagswasser, also das ausfällbare Wasser, das bei Gewittern vom Himmel fallen kann. Dieser Wert ist mit bis zu 60 Litern pro Quadratmeter und Stunde so hoch, dass verbreitet wieder mit intensivem Starkregen und Überflutungen gerechnet werden muss.

Für einen Abgesang auf den Hochsommer ist es noch zu früh

Doch zunächst bleibt es am Montag noch trocken, höchstens ganz im Süden könnte es für ein erstes Hitzegewitter reichen. Am Dienstag dann besteht die Chance, dass entlang einer Konvergenzlinie die ersten Unwetter entstehen, dabei strömen unterschiedliche Luftmassen aufeinander zu und werden zum Aufsteigen gezwungen, wodurch sich in der energiegeladenen Luft gewaltige Gewitterwolken bilden. Wo diese Linie genau liegen wird, ist bislang aber genauso unklar wie der Zeitpunkt der später anrückenden Kaltfront, die erneut heftige Unwetter auslösen wird und die schwülheiße Luft endgültig ausräumt. Spätestens am Donnerstag dürfte die Gewittergefahr dann im ganzen Land gebannt sein. Teilweise ist es dann um 15 Grad kühler. Und in den Norden schickt der Herbst einen ersten Gruß, dort dürfte es auf absehbare Zeit kühl und wechselhaft bleiben.

Ist damit auch der Sommer am Ende? Zwar beginnt Mitte August offiziell schon der Spätsommer, für einen Abgesang auf den Hochsommer ist es aber noch zu früh. Zwar deuten die Wettermodelle bislang keinen erneuten Hitzevorstoß für das ganze Land an, aber immerhin in den Süden könnte die heiße Luft, die jetzt im Mittelmeerraum herumwabert, schnell wieder einströmen. Die beiden großen Wettermodelle ECMWF und GFS rechnen für das letzte Augustdrittel mit einem solchen Szenario. Die Jahreszeit würde ihrem eingespielten Modus treu bleiben: ein Zickzackkurs vom Feinsten.

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