News: HIV auf neuem Höchststand
Von den neuen Möglichkeiten in der Therapie profitieren die verschiedenen Gruppen in unterschiedlichem Maße. Während die Zahl der neu diagnostizierten AIDS-Erkrankungen bei homo- bzw. bisexuellen Männern im Vergleich zu 1995 um zwei Drittel zurückging, beträgt der Rückgang bei den intravenös Drogenabhängigen etwa 60 % und bei heterosexuell Infizierten sogar "nur" 33 %. Vermeiden oder hinausschieben läßt sich eine AIDS-Erkrankung mit Hilfe der neuen Therapien natürlich nur, wenn die HIV-Infektion bekannt ist und medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden kann.
Eine offenbar gleichbleibend große Gruppe von Personen scheint aber Infektionsrisiken zu verdrängen und Testangebote nicht wahrzunehmen: ein Indiz dafür ist die Tatsache, daß die Zahl der AIDS-Patienten, die keine Angaben zum vermuteten Infektionsweg machen konnten oder wollten, gegenüber dem Jahr 1995 nahezu unverändert blieb. Die Zahl der AIDS-Erkrankungen bei Personen, die in Deutschland leben und aus ausländischen Gebieten stammen, in denen sich die HIV-Infektion in der gesamten Bevölkerung stark ausgebreitet hat, nahm sogar zu.
Durch die Verlängerung der Zeitspanne zwischen HIV-Infektion und der Diagnose von AIDS bzw. zwischen AIDS und Tod, wird die Zahl der zu versorgenden HIV- bzw. AIDS-Patienten bei einer gleichbleibenden Zahl von HIV-Neuinfektionen weiter anwachsen.
Die HIV-Epidemie in Deutschland wird weiterhin in erster Linie durch die Neuinfektionen in der Gruppe der homo- bzw. bisexuellen Männer, die etwa die Hälfte aller Neuinfektionen ausmachen, geprägt. Der Anteil der Fälle mit vermuteter heterosexueller Übertragung hat in den letzten Jahren zugenommen und liegt derzeit bei etwa 17 %. Der Anteil von Personen aus Gebieten mit starker HIV-Ausbreitung unter den neu diagnostizierten HIV-Infektionen hat ebenfalls zugenommen und beträgt jetzt 18 %. Das Spritzen von Drogen stellt neben dem sexuellen Übertragungsweg auch heute mit etwa 14 % der Neuinfektionen ein nicht zu vernachlässigendes Infektionsrisiko dar. Der Anteil der Frauen unter den neu diagnostizierten HIV-Infektionen lag 1998 bei 22 %. Die bei rechtzeitiger Einleitung entsprechender Vorbeugemaßnahmen weitgehend vermeidbare Übertragung einer HIV-Infektion von der Mutter auf das Kind spielt in Deutschland aus epidemiologischer Sicht keine bedeutsame Rolle.
Der neuesten Einschätzung von UNAIDS und WHO zufolge ist die HIV-Epidemie in vielen Ländern der Dritten Welt außer Kontrolle. Da bekannt ist, daß 95 % der täglich 16 000 HIV-Neuinfektionen in Entwicklungsländern erfolgen, in denen der Krankheitsverlauf mangels medikamentöser Therapie innerhalb von wenigen Jahren tödlich verläuft, hat sich die HIV-Infektion mittlerweile zum größten Killer aller Infektionskrankheiten entwickelt, gefolgt von der Tuberkulose und der Malaria. 5,8 Millionen Neuinfektionen allein im Jahr 1998 bringen die Zahl der derzeit lebenden HIV-Infizierten weltweit auf über 33 Millionen. In Deutschland sowie in den meisten Ländern Westeuropas und Nordamerikas ist die HIV-Epidemie stabil, aber bei weitem noch nicht gestoppt.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 18.12.1998
"Nur scheinbare Sicherheit" - Spektrum Ticker vom 14.10.1998
"Verschiedene HIV-Stämme in Blut und Sperma" - Spektrum Ticker vom 7.10.1998
"Studie schlägt neue Strategie für die Erstbehandlung von HIV/AIDS vor"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 14.11.1997
"Ein 'Cocktail' gegen AIDS" - Spektrum der Wissenschaft 9/98 und 10/98, Schwerpunktthema: AIDS
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