Unser Körper: Hochbegabt und unbeliebt
Sie sind wahre Alleskönner und trotzdem nicht sehr beliebt: Als Ursache unliebsamer Pölsterchen genießen Fettzellen einen schlechten Ruf, obwohl sie gleichzeitig zahlreiche wichtige Aufgaben im alltäglichen Stoffwechselgeschehen unseres Körpers übernehmen.
Wenn mit dem Frühling die nächste Badesaison lockt, verdirbt der Blick in den Spiegel so manchem die frisch geweckte Lust darauf: Winterliche Schlemmereien haben ihre Spuren hinterlassen, denen wir meist sehr ungnädig gesonnen sind. Die Abneigung gegen Fettzellen hängt sicher mit ihrer enormen Ausdehnungsfähigkeit zusammen: Die Speicher überschüssiger Energie in Form von Lipiden können auf eine stattliche Größe anwachsen. So enthält der Körper einer gesunden Frau zehn bis zwanzig Kilogramm Körperfett, der eines gesunden Mannes acht bis 15. Bei Bedarf können Fettzellen ihre Reserven rasch mobilisieren und anderen Geweben wie Muskeln oder Leber zur Verfügung stellen.
Mehr als nur Polstermaterial
Nun sind Fettzellen aber keineswegs nur passive Energiespeicher, Wärmeisolatoren oder Druckpolster. In den letzten Jahren rückten – wegen der ansteigenden Zahl von übergewichtigen Menschen – die Fettzellen zunehmend ins Blickfeld der Forscher. Die Überraschung war groß, als Wissenschaftler bei Menschen mit zu viel Köperfett nahezu identische Folgeerscheinungen beobachteten wie bei Menschen, die an der seltenen Krankheit Lipodystrophie leiden. Typisch dafür ist, dass sich das Fettgewebe bei den Betroffenen selektiv zurückbildet, die Ursachen hierfür können angeboren oder erworben sein. Übergewichtige wie Menschen mit einer Lipodystrophie werden zum Beispiel häufig zuckerkrank.
Heute weiß man auch, dass Fettzellen ständig mit anderen Körperzellen kommunizieren. Sie "hören" Botschaften des Körpers und antworten darauf, indem sie Botenstoffe und Hormone abgeben. Dadurch hat das Fettgewebe bei vielen Köperprozessen die Finger im Spiel, etwa bei der Regulation des Blutdruckes, der Immunabwehr, der Blutgerinnung oder der aktiven Steuerung von Nahrungsaufnahme und Energieverbrauch. Zu Fehlsteuerungen kann es kommen, wenn zu viel oder auch zu wenig Fettgewebe da ist. Die Fettzellen reagieren dann nicht mehr sensibel genug auf die Signale des Körpers oder schütten zu viel oder zu wenig Botenstoffe aus.
"Fettzellen können über die Substanzen, die sie abgeben, den Kreislauf direkt um sich herum, also die Durchblutung des Fettgewebes regulieren", erklärt Schling. Unklar ist, ob die blutdruckregulierenden Substanzen noch über diesen lokalen Effekt hinaus wirken. Starke Hinweise für eine systemische Wirkung, so Schling, liefern die Experimente einer französischen Arbeitsgruppe, die das Gen für Angiotensinogen, ein Vorläuferprotein des Angiotensin II, in einem Mausmodell ausgeschaltet haben. Erwartungsgemäß haben diese Mäuse einen viel zu niedrigen Blutdruck. Schling berichtet: "Eine teilweise Expression des Gens für Angiotensinogens im Fettgewebe hat dann ausgereicht, den Blutdruck wieder zu normalisieren."
In der Immunabwehr zu Hause
Fettzellen produzieren auch eine Reihe von Botenstoffen, von denen man bislang annahm, sie wären den Vertretern des Immunsystems vorbehalten. Neben dem Interleukin-6 (IL-6) sind das beispielsweise das IL-8, IL-15 oder auch der Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-alpha). Interessanterweise tragen Fettzellen auf der Zelloberfläche auch Rezeptoren für Zellwandkomponenten von Pilzen und Bakterien. Diese "Toll-ähnlichen"-Rezeptoren sind an sich ein wichtiger Bestandteil der angeborenen Immunantwort. Über diesen Erkennungsmechanismus – Toll-ähnliche Rezeptoren sitzen sonst auf Immunzellen, etwa auf Fresszellen – kann nach Eindringen von unerwünschten Gästen eine schnelle, unspezifische Abwehr erfolgen.
Der Einfluss der Fettzellen durch die Produktion immunologisch aktiver Substanzen ist jedoch nicht zu unterschätzen. 25 Prozent des im Blut zirkulierenden IL-6 beispielsweise stammen von Fettzellen. Bei Übergewicht gibt es jedoch Probleme. "Durch die Größenzunahme entsteht für die Fettzelle eine Stresssituation", erklärt Skurk: IL-6, IL-8 und TNF-alpha werden vermehrt ausgeschüttet. Der Körper adipöser Menschen befindet sich dadurch permanent in einem – zunächst noch unbemerkten – Entzündungszustand, der sich schädigend auf die Gesundheit auswirken kann.
Hungermelder und Appetitzügler
Appetit und Essverhalten reguliert der Köper auf mehreren Ebenen. Das Fettgewebe ist auch daran beteiligt und schüttet Botenstoffe aus, die die Nahrungsaufnahme und den Energieverbrauch des Körpers beeinflussen. Eines dieser Substanzen ist das Hormon Leptin, das vor zehn Jahren entdeckt wurde. "Das Leptin bewirkt im Gehirn die Bildung von Substanzen, welche die Nahrungsaufnahme hemmen", sagt Stefan Engeli vom Franz-Volhard-Zentrum für Klinische Forschung an der Charité in Berlin. Dicke Menschen haben einen hohen Leptin-Speigel im Blut. Das Leptin kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und bindet hauptsächlich an Nervenzellen in der Region des Hypothalamus. Die Ausschüttung des Neuropeptids Y, eines wichtigen Stimulators der Nahrungsaufnahme, wird gehemmt, das sympathische Nervensystem aktiviert und damit der Energieverbrauch in der Muskulatur erhöht.
Ein weiteres Hormon, welches den Zucker- und Fettstoffwechsel beeinflusst, ist das Adiponectin. Es wird ausschließlich von Fettzellen produziert. Im Blut von Übergewichtigen findet man niedrige Adiponectin-Spiegel, bei einer Gewichtsabnahme steigt die Konzentration im Blut an. Das Adiponectin wirkt offenbar sowohl im Gehirn als auch in der Peripherie. Am Leptin und Adiponectin wird deutlich, wie vielschichtig die Effekte der Fettzellprodukte sind: So wirken sowohl das Leptin als auch das Adiponectin auch auf die Zellen des Immunsystems. Ein niedriger Blutspiegel an Leptin schwächt die zelluläre Immunabwehr, ein Umstand, der miterklärt, warum mangelernährte Menschen keine gute Körperabwehr haben.
Übergewicht – ein aktuelles Problem
Übergewicht wird in unserer Gesellschaft zu einem immer größeren Gesundheitsproblem. Nach Angaben des Rober-Koch-Instituts in Berlin ist bereits jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche übergewichtig. Die Folgen für den Körper sind beträchtlich: Übergroße Fettzellen können ihre wichtigen Aufgaben bei komplexen Regulationsvorgängen nicht mehr korrekt ausführen. Das fördert die Entstehung von ernsthaften Erkrankungen, wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes.
"Wenn zu viel Fettgewebe da ist, müssen die Zellen weg. Bereits eine fünf- bis siebenprozentige Reduzierung des aktuellen Körpergewichtes bei Übergewicht führt zu einer deutlichen Verbesserung sämtlicher Stoffwechselleistungen", erklärt Skurk. Viel ist das nicht – wäre es nur nicht so schwer, sich von den ungeliebten Multitalenten zu trennen.
In unserer Wohlstandsgesellschaft aber bleibt nun der ganz große Energieverbrauch häufig aus. Bei unvermindert hoher Nahrungszufuhr sind dann die bestehenden Fettzellen bald bis zum Rand gefüllt: Es müssen neue her. Für Nachschub sorgen schlummernde Vorläuferzellen, aus denen neue Fettzellen entstehen, die sich rasch ebenfalls füllen – die Grundlage für Pölsterchen ist gelegt. Und beim Abnehmen bleiben leere Fettzellen noch jahrelang erhalten, bevor sie verschwinden – eine Altlast, unter der viele Diätwillige zu leiden haben.
Mehr als nur Polstermaterial
Nun sind Fettzellen aber keineswegs nur passive Energiespeicher, Wärmeisolatoren oder Druckpolster. In den letzten Jahren rückten – wegen der ansteigenden Zahl von übergewichtigen Menschen – die Fettzellen zunehmend ins Blickfeld der Forscher. Die Überraschung war groß, als Wissenschaftler bei Menschen mit zu viel Köperfett nahezu identische Folgeerscheinungen beobachteten wie bei Menschen, die an der seltenen Krankheit Lipodystrophie leiden. Typisch dafür ist, dass sich das Fettgewebe bei den Betroffenen selektiv zurückbildet, die Ursachen hierfür können angeboren oder erworben sein. Übergewichtige wie Menschen mit einer Lipodystrophie werden zum Beispiel häufig zuckerkrank.
Heute weiß man auch, dass Fettzellen ständig mit anderen Körperzellen kommunizieren. Sie "hören" Botschaften des Körpers und antworten darauf, indem sie Botenstoffe und Hormone abgeben. Dadurch hat das Fettgewebe bei vielen Köperprozessen die Finger im Spiel, etwa bei der Regulation des Blutdruckes, der Immunabwehr, der Blutgerinnung oder der aktiven Steuerung von Nahrungsaufnahme und Energieverbrauch. Zu Fehlsteuerungen kann es kommen, wenn zu viel oder auch zu wenig Fettgewebe da ist. Die Fettzellen reagieren dann nicht mehr sensibel genug auf die Signale des Körpers oder schütten zu viel oder zu wenig Botenstoffe aus.
"Fettgewebe scheint fähig zu sein, sehr viel zu regulieren. Das ist eigentlich auch verständlich, weil es in jedem Organ, um jeden Zelltyp herum fettspeichernde Zellen gibt", erklärt Petra Schling vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin der Universität Regensburg. Die Wissenschaftlerin beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit Hormonen in humanem Fettgewebe, die auf den Blutdruck sowie den Wasser- und Elektrolythaushalt des Körpers einwirken: das so genannte Renin-Angiotensin-System. Eine der regulierenden Substanzen, welche die Fettzellen freisetzen, ist das Angiotensin II, das verengend auf die Blutgefäße wirkt: Der Blutdruck steigt an.
"Fettzellen können über die Substanzen, die sie abgeben, den Kreislauf direkt um sich herum, also die Durchblutung des Fettgewebes regulieren", erklärt Schling. Unklar ist, ob die blutdruckregulierenden Substanzen noch über diesen lokalen Effekt hinaus wirken. Starke Hinweise für eine systemische Wirkung, so Schling, liefern die Experimente einer französischen Arbeitsgruppe, die das Gen für Angiotensinogen, ein Vorläuferprotein des Angiotensin II, in einem Mausmodell ausgeschaltet haben. Erwartungsgemäß haben diese Mäuse einen viel zu niedrigen Blutdruck. Schling berichtet: "Eine teilweise Expression des Gens für Angiotensinogens im Fettgewebe hat dann ausgereicht, den Blutdruck wieder zu normalisieren."
In der Immunabwehr zu Hause
Fettzellen produzieren auch eine Reihe von Botenstoffen, von denen man bislang annahm, sie wären den Vertretern des Immunsystems vorbehalten. Neben dem Interleukin-6 (IL-6) sind das beispielsweise das IL-8, IL-15 oder auch der Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-alpha). Interessanterweise tragen Fettzellen auf der Zelloberfläche auch Rezeptoren für Zellwandkomponenten von Pilzen und Bakterien. Diese "Toll-ähnlichen"-Rezeptoren sind an sich ein wichtiger Bestandteil der angeborenen Immunantwort. Über diesen Erkennungsmechanismus – Toll-ähnliche Rezeptoren sitzen sonst auf Immunzellen, etwa auf Fresszellen – kann nach Eindringen von unerwünschten Gästen eine schnelle, unspezifische Abwehr erfolgen.
Auch reagieren Fettzellen etwa auf das bakterielle Lipopolysaccharid, einen Bestandteil der Bakterienzellwand, mit einer verstärkten Ausschüttung von IL-6. "Es ist eine neue Idee, Fettzellen als primitives Immunorgan aufzufassen", erklärt Thomas Skurk vom Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin der TU München. Inwieweit Fettzellen aktiv in das Abwehrgeschehen von Krankheitserregern eingreifen, ist noch unbekannt. Denkbar wäre eine Wechselwirkung mit Fresszellen (Makrophagen), die sich im Fettgewebe aufhalten. "Man vermutet, dass Fettzellen an der Regulation des Immungeschehens beteiligt sind. Allerdings nicht primär, das primäre Immunorgan ist und bleibt das lymphatische System", sagt Skurk.
Der Einfluss der Fettzellen durch die Produktion immunologisch aktiver Substanzen ist jedoch nicht zu unterschätzen. 25 Prozent des im Blut zirkulierenden IL-6 beispielsweise stammen von Fettzellen. Bei Übergewicht gibt es jedoch Probleme. "Durch die Größenzunahme entsteht für die Fettzelle eine Stresssituation", erklärt Skurk: IL-6, IL-8 und TNF-alpha werden vermehrt ausgeschüttet. Der Körper adipöser Menschen befindet sich dadurch permanent in einem – zunächst noch unbemerkten – Entzündungszustand, der sich schädigend auf die Gesundheit auswirken kann.
Hungermelder und Appetitzügler
Appetit und Essverhalten reguliert der Köper auf mehreren Ebenen. Das Fettgewebe ist auch daran beteiligt und schüttet Botenstoffe aus, die die Nahrungsaufnahme und den Energieverbrauch des Körpers beeinflussen. Eines dieser Substanzen ist das Hormon Leptin, das vor zehn Jahren entdeckt wurde. "Das Leptin bewirkt im Gehirn die Bildung von Substanzen, welche die Nahrungsaufnahme hemmen", sagt Stefan Engeli vom Franz-Volhard-Zentrum für Klinische Forschung an der Charité in Berlin. Dicke Menschen haben einen hohen Leptin-Speigel im Blut. Das Leptin kann die Blut-Hirn-Schranke passieren und bindet hauptsächlich an Nervenzellen in der Region des Hypothalamus. Die Ausschüttung des Neuropeptids Y, eines wichtigen Stimulators der Nahrungsaufnahme, wird gehemmt, das sympathische Nervensystem aktiviert und damit der Energieverbrauch in der Muskulatur erhöht.
"Dadurch sollte das Köpergewicht mehr oder weniger konstant bleiben. Bei Übergewichtigen funktioniert dieser Regelkreis aber nicht mehr richtig", erklärt der Wissenschaftler, der für seine Forschungsarbeiten zum Thema "Übergewicht und Bluthochdruck" im Jahr 2004 von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft ausgezeichnet wurde.
Ein weiteres Hormon, welches den Zucker- und Fettstoffwechsel beeinflusst, ist das Adiponectin. Es wird ausschließlich von Fettzellen produziert. Im Blut von Übergewichtigen findet man niedrige Adiponectin-Spiegel, bei einer Gewichtsabnahme steigt die Konzentration im Blut an. Das Adiponectin wirkt offenbar sowohl im Gehirn als auch in der Peripherie. Am Leptin und Adiponectin wird deutlich, wie vielschichtig die Effekte der Fettzellprodukte sind: So wirken sowohl das Leptin als auch das Adiponectin auch auf die Zellen des Immunsystems. Ein niedriger Blutspiegel an Leptin schwächt die zelluläre Immunabwehr, ein Umstand, der miterklärt, warum mangelernährte Menschen keine gute Körperabwehr haben.
Übergewicht – ein aktuelles Problem
Übergewicht wird in unserer Gesellschaft zu einem immer größeren Gesundheitsproblem. Nach Angaben des Rober-Koch-Instituts in Berlin ist bereits jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche übergewichtig. Die Folgen für den Körper sind beträchtlich: Übergroße Fettzellen können ihre wichtigen Aufgaben bei komplexen Regulationsvorgängen nicht mehr korrekt ausführen. Das fördert die Entstehung von ernsthaften Erkrankungen, wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes.
"Wenn zu viel Fettgewebe da ist, müssen die Zellen weg. Bereits eine fünf- bis siebenprozentige Reduzierung des aktuellen Körpergewichtes bei Übergewicht führt zu einer deutlichen Verbesserung sämtlicher Stoffwechselleistungen", erklärt Skurk. Viel ist das nicht – wäre es nur nicht so schwer, sich von den ungeliebten Multitalenten zu trennen.
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