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News: Höfliche Eulenküken

Der Schleiereulennachwuchs hat wirklich tadellose Manieren. Statt die Eltern mit ständigem Gepiepe zu nerven und sich um die Mahlzeiten zu streiten, kommunizieren die Küken miteinander, so dass das hungrigste zuerst essen kann. Dabei handelt es sich aber vermutlich weniger um pure Höflichkeit als um eine Maßnahme der Jungen, Energie zu sparen: Die weniger hungrigen stecken freiwillig zurück, da das Tier mit dem am heftigsten knurrenden Magen auch bereit ist, am stärksten für sein Futter zu kämpfen.
Die meisten Wissenschaftler nahmen bisher an, dass Vogeljunge nur deshalb piepen, um die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich zu ziehen. Aber bei vielen Arten schreit der Nachwuchs die ganze Nacht über, sogar wenn die Eltern nicht in der Nähe sind. Der Zoologe Alexandre Roulin von der Universität Bern fragte sich daher, ob die Jungtiere vielleicht untereinander kommunizieren. Um dies genauer zu untersuchen, wählten er und seine Kollegen zwei Küken aus einer Brut von Schleiereulen (Tyto alba) zufällig aus, von denen sie eines den Tag über mit Mäusen fütterten. In der Nacht schrie das hungrige Tier deutlich öfter als sein sattes Geschwisterchen. Aber nachdem das hungrige Küken Futter bekommen hatte, verstärkte das andere Tier sein Betteln (New Scientist vom 18. März 2000).

In einem weiteren Experiment fanden die Berner Wissenschaftler, dass die Menge des Gepiepes von der Anzahl der Nachkommen abhing: Je mehr Küken sich in einem Nest befanden, desto weniger schrien die Jungen. Diese Beobachtung ließ sich nicht mit der Annahme erklären, dass sich die Küken gegenseitig übertönen wollen, um gefüttert zu werden. Die Forscher sind daher der Ansicht, dass die Jungtiere auf Betteln verzichten, wenn sie merken, dass sie nur eine geringe Chance haben, an das Futter zu kommen. "Wenn einer der Nestlinge hungriger ist als die anderen, dann ist der Wert der Nahrung für ihn höher", erklärt Roulin. "Ein hungriges Küken würde auch physisch um die Beute kämpfen." In diesem Fall ist es für das weniger hungrige Tier nicht sinnvoll, sich um das Futter zu bemühen, das es vermutlich ohnehin nicht bekommen wird. Die Geschwister erkennen an der Intensität des Gepiepes, wer das Futter am dringendsten benötigt. Das Ergebnis dieser Kommunikation ist, dass die weniger hungrigen Tiere zurückstecken, um keine unnötige Energie zu verschwenden, und warten, bis sie an der Reihe sind.

Becky Kilner von der University of Cambridge hält diese Arbeit für einen interessanten neuen Ansatz. "Niemand hat sich bislang mit der Kommunikation der Jungen in Abwesenheit der Eltern beschäftigt", sagt die Zoologin. Bleibt die Frage, ob Küken anderer Vogelarten in ähnlicher Weise handeln.

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