Unterwasserarchäologie: Paläoindianer wagten riskanten Bergbau
Um roten Ocker zu gewinnen, nahmen die Menschen der Steinzeit offenbar große Risiken in Kauf. Das legen die Grabungen von Archäologen um Brandi MacDonald von der University of Missouri nahe, die auf der mexikanischen Yukatan-Halbinsel Spuren von frühen Bergwerksarbeiten entdeckten. Vor rund 10 700 bis 11 400 Jahren stiegen Menschen in weit reichende Höhlensysteme hinab und bauten dort Eisenoxid ab. Funde von menschlichen Skelettresten in den heute unter Wasser liegenden Höhlen werten die Forscher als Hinweis darauf, dass die damaligen Menschen für den Abbau des Naturstoffs keine Gefahren scheuten. Wofür sie das rote Pigment allerdings brauchten, konnten die Wissenschaftler noch nicht klären.
Wie die Unterwasserarchäologen im Fachmagazin »Science Advances« berichten, haben sie im mexikanischen Bundesstaat Quintana Roo drei Höhlensysteme genauer untersucht: Camilo Mina, Monkey Dust und Sagitario. Ihre Ergebnisse beruhen vor allem auf den Arbeiten in der Höhle von Sagitario, welche die Forscher bisher in einer Länge von zirka 7000 Meter kartiert haben, sowie dem anschließenden 900 Meter langen Höhlengang von La Mina.
MacDonald und sein Team führten für ihre Studie Unterwassergrabungen durch. Das Ergebnis: Den Ocker hatten die Menschen in einer Tiefe weit vom Tageslicht entfernt abgebaut. Um dorthin zu gelangen, räumten sie Stalaktiten und Stalagmiten aus dem Weg und stapelten damit auch dutzende Wegmarkierungen auf. Ebenso entdeckten die Forscher Steingeräte und Feuerstellen, aus denen sie Proben für C-14-Datierungen entnahmen. Dabei handelt es sich um verkohlte Überreste von harzreichen Hölzern. Sie brennen besonders gut und lange – und dürften den Menschen bei ihren Bergarbeiten Licht gespendet haben. Von den Minenarbeiten selbst zeugen mehr als 350 Gruben, aus denen der rote Ocker herausgeschlagen wurde.
Warum hatten die Menschen die Gefahr in Kauf genommen, in die Tiefen dieser Höhle hinabzusteigen? Denn natürlicher Ocker steht auch außerhalb der Höhlensysteme an. Doch wie die Forscher herausfanden, unterscheiden sich die Ockerminerale von der Erdoberfläche und die aus dem Inneren der Höhle. Jener Ocker aus La Mina und Sagitario stellt besonders hochwertiges Eisenoxid dar: Es ist stark eisenhaltig, weist kaum mineralische Einschlüsse auf und ergibt ein sehr feines, leuchtendes Rotpigment.
Wofür die Paläoindianer von Yuakatan die Erdfarbe nutzten, darüber können MacDonald und sein Team aber bislang nur spekulieren. Im Umfeld der Höhlen fehlen bisher entsprechende Fundplätze gleicher Zeitstellung. Von Fundorten aus Nordamerika wissen Forscher, dass Ocker zur Wunddesinfektion, als Insekten- und Sonnenschutzmittel sowie zum Gerben von Tierhäuten verwendet wurde. Das Eisenoxid aus La Mina würde zudem einen hohen Anteil an Arsen aufweisen und hätte sich laut der Forscher daher gut zur Abwehr von Ungeziefer geeignet. Doch auch rituelle Verwendungsmöglichkeiten, etwa zum Bemalen der Haut, schließen die Wissenschaftler nicht aus.
In der Karstregion des mexikanischen Bundesstaats Quintana Roo erstrecken sich in die Tiefen der Kalksteinplateaus zahlreiche Höhlensysteme. Sie lagen während der Eiszeit vor zirka 21 500 Jahren bis vor 8000 Jahren trocken. Anschließend stieg der Meeresspiegel, und im Zuge dieser Entwicklung wurden auch die Höhlen auf der Yukatan-Halbinsel allmählich vom Grundwasser geflutet. Doch in Sagitario und La Mina endeten die Bergarbeiten lange davor. Wie die naturwissenschaftlichen Datierungen ergaben, gerieten die Höhlen vor 7000 bis 8000 Jahren unter Wasser. Rund 2000 Jahre zuvor fanden die letzten Bergarbeiten statt.
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