Sprachverständnis: Hören ist komplizierter als gedacht
Spricht jemand mit uns, treffen seine Worte zunächst als akustische Reize auf unser Innenohr. Dort werden sie in elektrische Signale umgewandelt, die dann an das primäre Hörzentrum in unserem Gehirn und anschließend an nachgeschaltete Areale weitergegeben werden. Erst nach einer regelrechten Odyssee durch das Gehirn entstehen schließlich ganze Wörter und Sätze in unserem Kopf. Das dachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zumindest bisher. Mit einer aufwändigen Studie demonstrierte ein Team um Liberty Hamilton von der University of California nun im Fachmagazin »Cell« , dass diese Vorstellung wohl zu simpel ist.
Um zu ergründen, wie das Gehirn Schallwellen zu Sprache formt, rekrutierten Hamilton und ihre Kollegen neun Patienten, die entweder unter Epilepsie oder einem Hirntumor litten und als Vorbereitung auf eine OP Elektroden unter die Schädeldecke implantiert bekommen hatten. Durch die große Anzahl an Messpunkten konnten sie erstmals das Signal an allen wichtigen Stellen der Hörrinde gleichzeitig auslesen.
Sprachverarbeitung findet gleichzeitig in mehreren Regionen statt
Als die Probanden Sätze hörten, feuerten Nervenzellen in der oberen Windung des Schläfenlappens zeitgleich mit solchen im primären Hörzentrum. Unter der Annahme, dass akustische Reize schrittweise verarbeitet werden, dürfte der Schläfenlappen allerdings erst nach dem primären Hörzentrum reagieren.
Dann stimulierten die Forscher einige Nervenbündel der primären Hörrinde. Würde sie die Tonsignale verarbeiten, ehe diese in höhere Regionen gelangen, müsste das Störfeuer das Sprachverständnis eigentlich behindern. Die Teilnehmer verstanden die Sätze allerdings nach wie vor problemlos.
Beide Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass unsere Sprachverarbeitung anders funktioniert als bisher angenommen. Statt Laute wie am Fließband seriell zu Wörtern und Sätzen zusammenzusetzen, scheint das Gehirn Hörreize in verschiedenen Regionen parallel zu verarbeiten.
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