News: Hoffnung gegen Milzbrand
Das Bakterium bildet ein tödliches Gift, das die Makrophagen des infizierten Körpers befällt – ausgerechnet jene Angehörigen der weißen Blutkörperchen, die für eine erste Abwehr gefährlicher Eindringlinge zuständig sind. Doch dieses Toxin wirkt offenbar nicht auf alle Organismen gleich. So gibt es Mäusestämme, die auf eine Infektion deutlich weniger empfindlich reagieren. Seit längerer Zeit forschen Wissenschaftler an einer bestimmten Region auf Chromosom 11, die dafür verantwortlich zu sein scheint.
William Dietrich und seine Kollegen von der Harvard Medical School in Boston sequenzierten nun diese Region von mehr und weniger anfälligen Tieren. Dabei stellten sie fest, dass Mutationen im so genannten KIF1C-Gen eine stärkere Empfindlichkeit bewirkten [1]. Das zugehörige Protein stammt aus der Familie der Kinesine, die mit Molekülen beladene Bläschen in Zellen einschleusen und dort auch transportieren.
Die Mutationen betreffen jene Teile des Proteins, mit denen es an seine Fracht bindet. Daraus schlossen die Forscher zunächst, dass betroffene Makrophagen das Toxin womöglich gar nicht aufnehmen und daher immun dagegen sind. In weiteren Versuchen spürten die Forscher das Gift jedoch auch im Innern der Zellen auf – ihre erste Annahme war also falsch.
Aber sie entdeckten noch einen zweiten möglichen Mechanismus. Mit Milzbranderregern infizierte Zellen neigen dazu, vermehrt oxidierende Verbindungen herzustellen, mit denen sie sich womöglich gegen die Eindringlinge zur Wehr setzen wollen. Vielleicht transport das Kinesin diese Substanzen an den Ort, wo sich das Gift sammelt – und wenn es seine Fracht nicht ordnungsgemäß abliefert, kann sich dessen tödliche Wirkung ungehemmt entfalten. "Nur kleine Unterschiede in der Genauigkeit des Motor-Proteins könnte so bei einer Milzbrand-Infektion verheerende Folgen für eine Zelle haben", erklärt Dietrich.
Sollte sich diese Vermutung bestätigen, könnte man vielleicht die Wirksamkeit des Kif1C-Proteins verstärken, indem man auf anderem Wege die Produktion der oxidierenden Verbindungen beeinflusst, spekulieren die Forscher. Doch Dietrich warnt vor verfrühtem Optimismus, eine solche Entwicklung dürfte noch einige Zeit dauern.
Mehr Anlass zu Optimismus bieten daher vielleicht die Ergebnisse von Dietrichs Institutskollegen John Collier und seinen Mitarbeitern. Die Wissenschaftler suchten nach einem Gegenmittel, das im Falle einer Epidemie-artigen Ansteckung vieler Menschen als erste Hilfsmaßnahme dienen könnte. Sie machten sich das Wissen zunutze, dass sich das Gift erst an den Zellmembranen der befallenen Säugetiere aus drei ungefährlichen Vorläufersubstanzen zusammenbaut. Die Forscher durchsuchten daher Proteindatenbanken nach einer Sequenz, welche diesen Prozess unterbindet – und wurden fündig: Ein aus zwölf Aminosäuren bestehendes Peptid wirkte störend, allerdings nur schwach [2].
Also konstruierten die Wissenschaftler daraus ein künstliches Molekül, in dem sich mehrere dieser Peptide an einem Rückgrat aus Polyacrylamid aneinander reihen. Damit verstärkten sie die Wirksamkeit ihres Hemmstoffes um einen beeindruckenden Faktor von 7500. In ersten Tierversuchen konnte das synthetische Hilfsmittel denn auch gleich Erfolge verbuchen: Damit behandelte Ratten blieben mindestens eine Woche selbst bei der zehnfachen Dosis an Toxin geschützt.
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