Hohes Ansehen: Sein oder Schein?
»Fake it till you make it«: Das funktioniert tatsächlich. Um zu hohem Ansehen zu gelangen, muss man weder besonders kompetent noch tugendhaft sein – es genügt, sich gut zu verkaufen. Das schließen Michael Grosz von der HMU Potsdam und seine Kollegen aus Studien mit mehr als 56 000 Versuchspersonen, die im Studium, im Beruf oder im Versuchslabor in Gruppen zusammengearbeitet hatten. Die drei Psychologen suchten in ihrer Metaanalyse nach Eigenschaften, die einer Person zu hohem Ansehen verhelfen.
Wie sie im »Psychological Bulletin« berichten, prüften sie vier Theorien. Zum einen könnte jemand über Kompetenzen wie Intelligenz verfügen, zum anderen über altruistische Tugenden wie Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft. Beides wurde überwiegend bestätigt: Sowohl kompetente als auch selbstlose Probandinnen und Probanden bekamen eher eine führende Rolle und mehr Einfluss zugesprochen, und die Selbstlosen waren überdies beliebter und respektierter. Von allen erhobenen Eigenschaften hing Altruismus am stärksten mit den vier Statusmerkmalen zusammen.
Eine dritte Theorie bestätigte sich nicht: dass Dominanzmerkmale den Status fördern. Wer groß gewachsen war, hatte zwar etwas mehr Einfluss als körperlich kleinere Personen. Aber wer sich rücksichtslos durchsetzen wollte, war sogar eher unbeliebt und weniger respektiert. Ein selbstbewusstes Verhalten erwies sich dagegen als vorteilhaft. Kombiniert mit Extraversion und einem auf Wirkung bedachten Auftreten sehen die Autoren darin einen vierten Statusfaktor: eine blendende Selbstdarstellung.
Die Autoren empfehlen deshalb, bei hoch angesehenen Menschen nicht selbstverständlich von Kompetenz oder anderen Tugenden auszugehen. Zwar lasse sozialer Status häufig auf besondere Fähigkeiten oder Selbstlosigkeit schließen – die vier Statusmerkmale hingen am stärksten mit altruistischen Tugenden zusammen. »Gleichzeitig legen die Ergebnisse nahe, dass Menschen ebenfalls Status erlangen können, wenn sie durch ihre selbstbewusste oder selbstdarstellende Art einfach nur den Eindruck von Kompetenz und Selbstlosigkeit erwecken«, fasst Michael Grosz in einer Pressemitteilung seiner Universität zusammen.
Wie genau daraus sozialer Status erwächst, müsse noch genauer erforscht werden, räumen die Autoren ein. Bei den beschriebenen Zusammenhängen handelte es sich nur um Korrelationen; sie können also auf eine gemeinsame dritte Ursache zurückgehen. Außerdem kommt es auf die Gruppe und ihre Aufgaben an. In manchen Teams werde zum Beispiel eine gewissenhafte Arbeitsweise besonders geschätzt, in anderen ein verträglicher Charakter – je nachdem, was der Gruppe dient. Wie stark eine Eigenschaft im Mittel mit dem sozialen Ansehen zusammenhängen, sagt deshalb wenig über den Einzelfall aus.
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