Weltweit einzigartig: Holzfeuer machen Smog in Neu-Delhi extrem
Die indische Hauptstadt Neu-Delhi hat die schmutzigste Luft aller Hauptstädte der Welt. Außerdem ist der extrem dichte Smog weltweit einzigartig, denn er scheint sich allen Gesetzen der Chemie zu widersetzen. Die feinen Staubpartikel entstehen nämlich nachts, während sie sich praktisch überall sonst nur dann bilden, wenn Sonnenlicht chemische Reaktionen von Schadstoffen antreibt. Nun hat ein Team um Sachchida Nand Tripathi vom Indian Institute of Technology in Kanpur und André Prévôt vom Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz aufgeklärt, wie sich der Feinstaub bildet, wenn eigentlich keiner entstehen dürfte. Wie die Gruppe in »Nature Geoscience« berichtet, stecken kleine Moleküle, die beim Verbrennen von Holz entstehen, hinter dem Phänomen. Sie sind tagsüber gasförmig und unsichtbar, doch wenn nachts die Temperatur sinkt, kondensieren sie zu sichtbaren Teilchen, die den extremen Smog bildet.
Dieser Mechanismus erzeugt enorme Mengen gesundheitsschädlicher Feinstäube, besonders im Winter. Mit bis zu 500 Mikrogramm Staub pro Kubikmeter Luft ist die Atmosphäre in Neu-Delhi rund siebenmal stärker verschmutzt als in der nicht eben für ihre saubere Luft berühmten chinesischen Hauptstadt Peking. Um die Ursache dieser außerordentlichen Luftverschmutzung zu ermitteln, stellten die Fachleute im Januar und Februar 2019 Messgeräte in Neu-Delhi auf, die die Zahl der Staubpartikel maßen, ihre chemische Zusammensetzung ermittelten sowie die gasförmigen Stoffe in der Luft analysierten. Dabei stellte sich heraus, dass Verbrennungsprodukte von Holz eine entscheidende Rolle spielen.Holz ist ein kompliziert aufgebautes Material aus Zellulose einerseits und dem Polymer Lignin andererseits. Lignin besteht aus untereinander verbundenen Benzolringen und setzt im Feuer kleine Moleküle auf Basis dieser Grundeinheit frei. Zellulose ist aus miteinander verketteten Zuckern aufgebaut, die sich ebenso zu kleinen Molekülen mit solchen ringförmigen Grundeinheiten zersetzen können. Diese Stoffe entstehen erst einmal als Dampf, aber da sie meist Siedepunkte zwischen 100 und 250 Grad Celsius haben, kondensieren sie bei der kleinsten Gelegenheit – ganz ähnlich, wie Wasserdampf zu Nebel kondensiert.
Diese Gelegenheit kommt abends, wenn die fallenden Temperaturen das Gas aus den organischen Molekülen destabilisieren. Stoffe wie Kresol, Toluol und ähnliche Moleküle beginnen, zu feinen Partikeln zu kondensieren, die als Smog sichtbar sind. Wie die Arbeitsgruppe berichtet, verdoppelt sich dadurch die Masse des Staubes in der Atmosphäre. Der Mechanismus unterscheidet sich ganz grundsätzlich von der normalen Feinstaubbildung durch Sonnenlicht, bei der sich durch radikalische Reaktionen größere Moleküle bilden, die dann zu Staub verklumpen. Derzeit führen Nand Tripathi und Prévôt Langzeitstudien über die Luftqualität an mehreren Orten der Stadt durch, um den Zusammenhang zwischen verschiedenen Verschmutzungsquellen und der lokalen Luftqualität zu ermitteln. Die Daten sollen helfen, Maßnahmen gegen den Smog anzustoßen.
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