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News: Homosexualität auf Knopfdruck

Forschern ist es gelungen, homosexuelle Neigungen quasi per Knopfdruck beliebig an- und auszuschalten. Allerdings nur bei Taufliegen.
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Während Homosexualität in unserer Gesellschaft immer noch die Gemüter erregt, empfinden wir sie im Tierreich meist eher als komisch. Ob sich Toshihiro Kitamoto vom Beckman Research Institute deshalb diesem Forschungsgebiet widmete, bleibt ungewiss – in seinem Labor dreht sich jedenfalls alles um homosexuelle Fliegen.

Die Ursachen für Homosexualität bei der Taufliege Drosophila sind schon länger Gegenstand der Forschung. In einem früheren Versuch hatten Wissenschaftler festgestellt, dass ein Gendefekt, der zu einer Veränderung des sexuellen Verhaltens führte, auch eine bestimmte Gruppe an Nerven verändert hatte, die für den Geruchs- und Geschmackssinn von Bedeutung sind und in den Antennen sowie in den Beinen verlaufen. Kitamoto untersuchte diesen Zusammenhang jetzt genauer, in dem er eben diese Neurone in erwachsenen Taufliegen selektiv abschaltete.

Dazu baute er den Tieren eine modifizierte Version des shibire-Gens ein, welches erst bei einer Temperatur von 30 Grad Celsius aktiviert wird und dann allerdings die Reizübertragung in jenen Nerven blockiert. Anschließend steckte er jeweils fünf männliche Fliegen in eine 30 Grad warme Petrischale und zeichnete sie auf Video auf.

Das Ergebnis war offensichtlich: Die genetisch veränderten Taufliegen begannen schon nach wenigen Minuten ihren gleichgeschlechtlichen Artgenossen nachzustellen und zeigten typisches Balzverhalten. Normalerweise kam es dabei zunächst zu "Kopf-Kopf-Interaktionen", bei denen sich die beiden Männchen gegenüber standen und mit den Vorderbeinen gegenseitig über den Kopf fuhren. Anschließend verfolgten die Fliegen das Objekt ihrer Begierde eine Weile, während sie durch wildes, einseitiges Flügelflattern ihre Zuneigung bekundeten. Hatten sie den Angebeteten schließlich eingeholt, standen verschiedene Streicheleinheiten auf dem Plan.

Mehrere gleichgesinnte Fliegenseelen fanden mitunter sogar zu einer Art Fliegen-Polonaise zusammen und zogen hintereinander her. Gegebenenfalls schloss sich die Kette auch zu einem Kreis, den die Wissenschaftler "Balzring" nannten.

Die heterosexuellen Artgenossen waren von den recht direkten Annäherungsversuchen wenig begeistert und gaben dem Verehrer daher durch beidseitiges Flügelschlagen zunächst noch höflich ihre Missgunst zu erkennen. Sollte der Fliegen-Casanova dennoch nicht locker gelassen haben, schreckten sie aber auch vor einer Ohrfeige nicht zurück. Nur teilen sie die dann – wenig zimperlich – mit den Hinterbeinen aus.

Um festzustellen, ob die verliebten Fliegen auch tatsächlich homosexuell, und nicht etwa bisexuell sind, setzte Kitamoto den Kandidaten auch je ein jungfräuliches Weibchen vor, wovon diese sich allerdings völlig unbeeindruckt zeigten.

Bei Temperaturen von 19 Grad Celsius traten die homosexuellen Vorlieben hingegen nicht auf. Kühlte Kitamoto seine Taufliegen ab, dauert es nur wenige Minuten, bis sie wieder Interesse am weiblichen Geschlecht bekamen.

Doch warum können Nerven des Geruchs- und Geschmackssinnes sexuelle Neigungen beeinflussen? Kitamoto vermutet, dass jene homosexuellen Fliegen die markanten männlichen Duftstoffe – für sie eigentlich antiaphrodisierende Pheromone – anders als ihre heterosexuellen Artgenossen interpretieren. Darüber hinaus verliert die weibliche Geruchsnote für sie offenbar ihren betörenden Charakter.

In weiteren Tests möchte der Wissenschaftler den Kreis der dafür verantwortlichen Neurone nun weiter einschränken. Ob sich seine Ergebnisse in irgendeiner Form auf den Menschen übertragen lassen, ist allerdings sehr fraglich, auch wenn es zu rund 60 Prozent der Drosophila-Gene eine Parallele im Erbgut des Menschen gibt.

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