Fruchtbarkeit: Hormonell wirksame Substanzen beeinflussen Spermien
Hormone spielen in unserem Körper eine ganz entscheidende Rolle im Stoffwechselgeschehen. Dementsprechend riskant ist es, wenn andere Substanzen sich in dieses Geschehen einmischen, indem sie beispielsweise Andockstellen für Hormone besetzen oder selbst eine hormonähnliche Wirkung zeigen. Unter dem Begriff "endokrine Disruptoren" werden eine ganze Reihe von verschiedensten künstlich hergestellten Verbindungen zusammengefasst, die allesamt als Konkurrenten zu natürlichen Hormonen auftreten können und für unterschiedliche gesundheitliche Folgen verantwortlich gemacht werden. Zur Liste der möglichen Folgen zählt nun auch ein Einfluss auf die Beweglichkeit von Spermien und damit die männliche Fruchtbarkeit.
Forscher um Niels Skakkebaek vom Rigshospitalet in Kopenhagen und Timo Strünker vom Forschungszentrum caesar in Bonn hatten den Einfluss von 96 endokrinen Disruptoren auf den Ionenkanal CatSper untersucht. CatSper ist spezifisch für Spermien und steuert dort den Kalziumeinstrom in die Zelle – daran geknüpft ist das gleichmäßige Schlagen der Geißel und das Ausschütten bestimmter Enzyme, um der Samenzelle das Eindringen in die Eizelle zu ermöglichen. Mäuse, denen CatSper fehlt, sind zeugungsunfähig, und auch beim Menschen werden Mutationen im Gen für CatSper im Zusammenhang mit Unfruchtbarkeit diskutiert.
Einfluss auf die Schlagfrequenz
Normalerweise wird CatSper über Progesteron und Prostaglandine aktiviert, die im Eileiter ausgeschüttet werden. Allerdings hatte sich bei Experimenten in vitro bereits gezeigt, dass auch verschiedene andere Substanzen auf CatSper wirken – die beispielsweise aus synthetischen Duftstoffen stammten oder aus dem Abbau von DDT. Das Team um Skakkebaek und Strünker fand nun 33 weitere endokrine Disruptoren, die im Labor eine Kalziumantwort in Samenzellen auslösten, darunter ein Inhaltsstoff von Sonnenschutzmitteln (4-Methylbenzylidencampher, 4-MBC), ein Weichmacher für Kunststoff (Di-n-butylphthalat) und Triclosan, das in Desinfektionsmitteln, aber auch in manchen Zahncremes enthalten ist. Die Wissenschaftler sahen eine Wirkung sowohl der Einzelsubstanzen in Konzentrationen, wie sie – wenn überhaupt – für Blut bekannt sind, als auch in Form eines Cocktails mit jeweils deutlich geringeren Konzentrationen.
In einem weiteren Experiment überprüften die Forscher den Einfluss auf die Bewegung von Spermien. 4-MBC verringerte ähnlich wie Prostaglandin dosisabhängig die Schlagfrequenz und förderte einen asymmetrischen Schlag, außerdem löste es, wie auch Triclosan, die Akrosomreaktion aus, also das Ausschütten der Enzyme zum Durchdringen der weiblichen Eihülle.
Dieser direkte Einfluss auf die Bewegung der Spermien und die Akrosomreaktion könnte daher zu Unfruchtbarkeit beitragen, folgern die Forscher: Erreichen die Samenzellen ihr Ziel nicht oder schütten sie die notwendigen Enzyme zum falschen Zeitpunkt aus, kommt es nicht zur Befruchtung. Allerdings ist derzeit nur sehr wenig über die Konzentrationen von endokrinen Disruptoren in der Samenflüssigkeit oder auch in den Eileitern bekannt. Zudem fehle, so die Wissenschaftler, ein tierisches Modell, um die Effekte weiter zu untersuchen: In Mäusen reagiert CatSper auf andere Substanzen, aber nicht die hier untersuchten.
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