Direkt zum Inhalt

Wirbelsturm Beryl: Ungewöhnlicher Hurrikan bricht gleich mehrere Rekorde

Der früheste, der stärkste, der östlichste: Der erste karibische Hurrikan der Saison setzt beunruhigende Maßstäbe. Und Beryl ist wohl erst der Anfang. Fachleute erwarten eine heftige Sturmsaison.
Sturm Beryl vom All aus gesehen.
Der Hurrikan Beryl, wie man ihn aus dem All sieht. Gut erkennbar ist das für intensive Stürme typische, gut entwickelte Auge.

Mit Windgeschwindigkeiten von beinahe 260 Kilometern pro Stunde peitscht der Hurrikan Beryl derzeit durch die östliche Karibik. Damit ist er nicht nur ein Sturm der Kategorie 5 und damit der höchsten Stufe, sondern auch ein historisch einzigartiges meteorologisches Phänomen: Er ist ein Warnsignal für die gerade erst beginnende atlantische Hurrikansaison ebenso wie für den Rest des Planeten. Denn Beryl ist gleich auf mehrere Arten beunruhigend außergewöhnlich. Und dennoch kommt er nicht unerwartet.

Der Sturm erreichte die Hurrikanstärke am 29. Juni weit draußen auf dem tropischen Atlantik rund 600 Kilometer nordöstlich von Französisch-Guyana. Es ist der früheste Hurrikan seit 1966 und er befindet sich weiter östlich als jemals zuvor so früh in der Saison. Üblicherweise nämlich entsteht der erste echte Hurrikan erst Mitte bis Ende Juli und zudem weit im Westen über dem Golf von Mexiko oder vor Florida. Der Grund ist, dass tropische Stürme warmes Wasser brauchen, um eine Windgeschwindigkeit von 118 Kilometern pro Stunde zu erreichen – jener Marke, ab der man von einem Hurrikan spricht. Und so früh im Jahr ist die Meeresoberfläche in weiten Teilen des Atlantiks noch zu kühl, um heftige Wirbelstürme zu nähren.

Das ist dieses Jahr anders. Seit mehr als einem Jahr brechen die Meerestemperaturen weltweit Rekorde, und der Atlantik ist das am stärksten betroffene Meeresbecken. Die zusätzliche Energie im Wasser ist buchstäblich der Treibstoff der Hurrikane, und das Meer in der Entstehungsregion von Beryl ist derzeit teilweise mehr als zwei Grad wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit.

Tatsächlich prophezeiten Fachleute der US-amerikanischen Nationalen Meeres- und Atmosphärenbehörde NOAA schon vor Beginn der Saison, dass 2024 viele und starke Hurrikane im Nordatlantik auftreten werden. Neben den sehr hohen Wassertemperaturen begünstigen mehrere Faktoren die Wirbelstürme. Zum einen setzen im tropischen Pazifik derzeit La-Niña-Bedingungen ein. Die »Klima-Wippe« von El Niño und La Niña hat große Auswirkungen auf die Hurrikansaison im Atlantik. El Niño bringt stärkere Scherwinde in der Entstehungsregion der Hurrikane und begünstigt eine stabiler geschichtete Atmosphäre.

La Niña dagegen mindert diese Störfaktoren. Denn nur wenn die Scherwinde schwach sind und die Atmosphäre nicht zu stabil ist, kann warme, feuchte Luft effektiv aufsteigen, so dass Wasserdampf kondensiert und Energie im Kern des Sturms freisetzt. Somit bringen La-Niña-Jahre rund 50 Prozent mehr Stürme. Der dritte Faktor ist der westafrikanische Monsun. Der ist dieses Jahr stärker als im Durchschnitt, und das begünstigt atmosphärische Störungen, die nach Westen in den tropischen Atlantik hinauswandern und oft als Keimzellen von Stürmen dienen.

Fachleute erwarten weitere heftige Stürme

Ist ein Sturm erst einmal entstanden, sind die Wassertemperaturen jedoch der entscheidende Faktor bei seiner Entwicklung. Sie trugen ihren Teil zu einer weiteren Besonderheit des Sturms bei: seiner ungewöhnlichen Stärke. Zuerst einmal wurde Beryl außerordentlich schnell sehr stark. Diese schnelle Verstärkung beobachten Fachleute bei immer mehr Hurrikanen. Der Prozess machte Beryl binnen 24 Stunden zu einem Sturm der Kategorie 4 – und damit zum stärksten jemals im Juni beobachteten Hurrikan. Anschließend verstärkte er sich weiter zum Hurrikan der Kategorie 5. Das macht ihn erst zum zweiten derart starken Sturm im Juli seit Beginn der Aufzeichnungen. Die beiden Rekorde, die Beryl damit brach, stammen beide aus dem Jahr 2005 – einer außerordentlich aktiven Hurrikansaison, deren »Höhepunkt« der verheerende Sturm Katrina war.

Beryl traf am 1. Juli 2024 mit Windgeschwindigkeiten um 240 Kilometern pro Stunde auf die Insel Carriacou in den kleinen Antillen und richtete schwere Zerstörungen an. Laut den Vorhersagen von Simulationsmodellen wird der Sturm sich in den nächsten Tagen wieder etwas abschwächen, bevor er voraussichtlich am Mittwoch, den 3. Juli, über Jamaika zieht und Freitag, den 5. Juli, auf die Halbinsel Yukatan in Mexiko trifft. Doch der nächste Sturm kommt bestimmt, und das womöglich schon bald. Das Nationale Hurrikan-Zentrum beobachtet derzeit eine weitere atmosphärische Störung namens Invest 96L, die in den nächsten Tagen zu einem tropischen Sturm werden könnte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.