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Das aktuelle Stichwort: Hurrikan-Saison 2006

Bislang verlief die Hurrikan-Saison denkbar windstill, und selbst Wirbelsturm Nummer 1 - "Ernesto" - scheint schon wieder ermattet: Karibik und Vereinigte Staaten erleben bis jetzt einen ruhigen Sommer. Für eine generelle Entwarnung ist es aber noch zu früh.
Je violetter desto stürmischer: Katrinas Winde im Nasa-Bild
Vor knapp einem Jahr, am 29. August, brach die Hölle über New Orleans herein – Hurrikan "Katrina" rauschte mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometern pro Stunde und sintflutartigen Niederschlägen an der Jazz-Metropole vorbei. Ihre Flutwellen ließen aber die Deiche der Stadt bersten, die wie eine Badewanne voll lief. Rund 1500 Menschen starben, und noch heute ist New Orleans in weiten Teilen eine Geisterstadt, da viele Bewohner nicht aus ihren Notunterkünften zurückkehrten. Womöglich eine weise Entscheidung, denn trotz aller Aufbaubemühungen bleibt fraglich, ob die wieder errichteten Dämme der Stadt einem weiteren Hurrikan standhalten können. Das befürchtet zumindest Carl Strock vom US Army Corps of Engineers und Leiter der Instandsetzung.

Die Ruhe nach dem Sturm | "Katrina" hinterließ 1500 Tote und immense Schäden an der amerikanischen Golfküste: Sie war der bislang teuerste Sturm aller Zeiten.
Die erste Bewährungsprobe braut sich vielleicht schon in der Karibik zusammen: Tropensturm "Ernesto" wurde am Sonntag von der US-National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) kurzzeitig zum Hurrikan der untersten Kategorie Eins hoch gestuft. Seine voraussichtliche Zugbahn kreuzt unter anderem Hispaniola und Kuba, bevor der Sturm die Küste der Vereinigten Staaten ansteuert. Die Behörde fürchtet, dass "Ernesto" über dem auch dieses Jahr wieder sehr warmen Golf von Mexiko neue Kraft tanken und mit mindestens der Kraft eines Kategorie-3-Sturms auf die Gestade der USA prallen könnte.

Dabei sah es diesen Sommer bislang sehr ruhig aus, kaum ein Sturm zog durch Atlantik oder Karibik, obwohl die Meteorologen auch für 2006 eine sehr aktive Hurrikan-Saison angekündigt hatten. Schließlich ähnelten die langfristigen Luftdruckverhältnisse über dem Atlantik und vor allem die hohen Wassertemperaturen im Meer – der "Treibstoff" für Wirbelstürme – den Vorjahresbedingungen.

Land unter | Vor und nach der Sturmflut: Rund 470 Quadratkilometer Land wurden durch die Regenwände und wegen der berstenden Deich entlang von Mississippi und Lake Pontchartrain überschwemmt.
Dennoch startete die neue Saison langsam: Während letztes Jahr um diese Zeit bereits neun Stürme Unheil verbreitet hatten, waren es bis jetzt nur drei – keiner davon in Hurrikan-Stärke. Nach Conrad Lautenbacher von der NOAA und William Gray von der Colorado State University hängt dies mit drei leichten Wetteränderungen im Atlantik zusammen. So nahm der Luftdruck über dem Meer im Vergleich zum Vorjahr leicht zu, was zu mehr Scherwinden führte. Diese Luftströmungen unterbinden wiederum das Rotieren der Hurrikan-Winde und ersticken sie somit schon im Keim. Gleichzeitig sanken die Wassertemperaturen leicht entgegen dem erwarteten Trend im Entstehungsgebiet der Stürme, sodass es mit ihrer Energiezufuhr bislang haperte.

Weniger heißes Atlantikwasser | Das Wasser im Atlantik ist dieses Jahr weniger heiß als im letzten, sodass weniger Hurrikane entstehen.
Beide Forscher wollen dennoch nicht entwarnen, denn die Bedingungen ähneln nun den "normalen" Hurrikan-Jahren vor 2004, unter denen sich die meisten Stürme erst ab Mitte August bis Ende Oktober bildeten. Lautenbacher und Gray rechnen deshalb weiterhin mit rund acht großen Wirbelstürmen, von denen die Hälfte richtig schwere Kaliber werden könnten. Der Atlantik befindet sich schließlich immer noch in einer natürlichen zyklischen Phase mit gesteigerten Wassertemperaturen, hoher Luftfeuchte, relativ niedrigen Luftdrücken im Geburtsgebiet der Hurrikane und verringerter Scherwind-Aktivität. In neun der letzten elf Jahre entstanden daraus überdurchschnittlich viele Wirbelstürme – ähnlich wie zwischen dem Zweiten Weltkrieg und etwa 1970 während der letzten derartigen Periode. Von 1970 bis 1994 blieb es hingegen relativ windstill, da der Atlantik unterkühlt war und Luftdruck- wie Windverhältnisse das Auftreten von Hurrikanen unterbanden.

Von Unwägbarkeiten bleibt selbst die aktuellste Vorhersage der Meteorologen nicht verschont. So beeinflusst das Waschküchenwetter über dem äquatorialen Zentralpazifik mit seinen vielen Unwettern die Sturmentstehung über dem Atlantik. Außerdem fehlt in dieser Saison ein stabiler Hochdruckrücken über den östlichen Vereinigten Staaten und dem westlichen Nordatlantik, wie er zum Beispiel im letzten Jahr die Hurrikane mit gedeihen ließ.

Dass bereits "Ernesto" das Zeug zu einem neuen "Monster-Sturm" hat, ist daher momentan eher zweifelhaft. Auch trifft er wohl relativ sicher auf Florida, das deshalb schon den Notstand ausgerufen hat. Dennoch sind die Verantwortlichen in New Orleans in höchster Alarmbereitschaft, ein weiteres Versagen wie im letzten Jahr wollen sie diesmal vermeiden. Aber ob die auf knapp 350 Kilometer Länge renovierten Dämme einem Sturm standhalten oder die Pumpen im Fall der Fälle die Wassermassen wirklich bewältigen, wagt Carl Strock nicht vorherzusagen: Entscheidend seien unter anderem der Punkt, an dem der Hurrikan auf Land treffe, seine Windgeschwindigkeit und der Regen, den er bringe. Für viele Menschen zuviel der Unwägbarkeiten – sie bleiben lieber im sicheren Exil.

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