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Hydrodynamik: Wie ein Schwarm Kraft spart

Logisch: Tiere sparen Kraft, wenn sie sich zusammentun. Wie sich dafür ein einzelner Fisch im Schwarm genau verhalten muss, ist dabei verblüffend simpel.
Wirbel an Schwarmfischen

Sich in einem Schwarm zusammenzuschließen, bringt Tieren offensichtlich Vorteile. Welche – und warum eigentlich –, erforschen Wissenschaftler seit Langem an fliegenden und schwimmenden Schwärmen aus echten oder künstlichen Insekten, Vögeln oder Fischen, um herauszufinden, wie sich die gemeinschaftlichen Gruppen bilden und koordinieren. Rein theoretisch ist dabei vieles klar geworden: Schwärme schützen zum Beispiel, und in Schwärmen sparen die einzelnen Individuen der Gruppe Energie. Als deutlich schwieriger erweist sich aber, die Vorhersagen aus Modellen im echten Leben auch wirklich zu messen. Eine deutsch-chinesische Forschergruppe ist hier einen Schritt weitergekommen: Sie konnte erstmals zeigen, dass in einem echten Fischschwarm einzelne Tiere tatsächlich Energie sparend vorankommen und wie ihnen das gelingt.

Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie, der Universität Konstanz und der Universität Peking haben die hydrodynamischen Prozesse im Schwarm von Roboterfischen analysiert. Die für die Experimente eigens entwickelten Roboter verfügen wie das natürliche Vorbild über eine elastische Schwanzflosse, die exakt die Schlagbewegungen von echten Fischen nachahmt. Zudem konnten die Experimentatoren den Energiebedarf der einzelnen Kunstfische im Schwarm genau messen und so nachvollziehen, welche Bewegungen im Schwarm wie viel Kraft kosten – und wie stark der Energiebedarf steigt, wenn die Fische einzeln schwimmen.

© Liang Li, Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (MPI-AB)
Roboterfische im Schwarm
An Roboterfischen lässt sich der Energiebedarf im Schwarm gut messen. Dabei zeigt sich, dass eine recht einfache Verhaltensregel beim Schwanzschlag einen großen Effekt hat.

Am Ende stießen die Forscher so auf eine recht simple Verhaltensregel, mit der Roboter – und Fische – im Schwarm Energie sparen: Sie müssen vor allem ihre Schwanz-Schlagfrequenz an die des Nachbarn angleichen, und dies unabhängig von ihrer exakten Position und dem Abstand zu ihm. Dies optimiert durch einen »vortex phase matching« bezeichneten Prozess die Strömungsverhältnisse im Schwarm: Die durch die Schwanzschläge produzierten Flüssigkeitswirbel arrangieren sich so, dass sie die geringstmögliche Wirkung gegen die Vorwärtsbewegung der einzelnen Schwarmteilnehmer erzeugen, beschreiben die Forscher nach 10 000 Einzelversuchen mit Roboterfischschwärmen, die sich in unterschiedlichsten Konstellationen vorwärtsbewegten. Im Experiment konnten die Wissenschaftler das mit Hilfe von Wasserstoffbläschen nachvollziehen, deren Verwirbelung sie mit Lasern exakt überwachten, wie sie im Fachmagazin »Nature Communications« beschreiben.

Die besondere Synchronisierung der Schwanzflossenschläge erzeugt letztlich eine Art gemeinschaftlichen Schwarmwirbel, in dem die einzelnen Roboter beim gleichmäßigen Vorwärtschwimmen, aber auch bei schnellen Beschleunigungsvorgängen Vorteile haben. Mit dem neuen Wissen konnten die Forscher schließlich zeigen, dass echte, biologische Fischschwärmen die gleichen Prozesse nutzen. Die Forscher fütterten dazu die Daten aus den Versuchen in Maschinenlernprozesse, um Vorhersagen zu erhalten, wie sich einzelne Mitglieder in einem Fischschwarm positionieren sollten, damit sie vom »vortex phase matching« profitieren. Diese Vorhersagen überprüften sie dann an gemeinsam schwimmenden Goldfischen – die sich wirklich in verschiedenen Umweltsituation wie vorhergesagt positionierten. Somit ist auch experimentell nachgewiesen, was auf der Hand liegt: Als Fisch kommt man gemeinsam mit anderen leichter voran.

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