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Totes Meer: Weiße Raucher als Vorboten des Einsturzes

Das Tote Meer ist ein Ökosystem der Extreme. Erstmals wurden an seinem Grund Mineralsäulen entdeckt. Sie sind Vorboten gefährlicher Einbruchslöcher.
Aus dem schlammigen Untergrund ragt eine Salzsäule hervor: Der Boden wie der untere Teil der Säule ist grünlich, an der Spitze strahlt sie weiß. Der Hintergrund wird von der Bildmitte nach oben zunehmend dunkel.
Weiße Raucher entstehen an extrem salzreichen Quellaustritten am Grund des Toten Meeres.

Das Tote Meer ist am Vergehen: Seit einigen Jahrzehnten sinkt sein Wasserspiegel, weil wichtige Zuflüsse zu wenig Wasser liefern und steigende Temperaturen die Verdunstung antreiben. 2024 lag sein Wasserspiegel 438 Meter unter dem Meeresspiegel, während sich am Ufer immer wieder neue Löcher auftun. Ein Team um Christian Siebert vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle-Leipzig hat während seiner hydrologischen Studien am Grund des Gewässers Strukturen entdeckt, die mit diesen so genannten Sinkholes in Verbindung stehen könnten.

Siebert und Co erforschen, wie sich durch den hohen Wasserverbrauch und -verlust in der Region die Grundwasserdynamik verändert und sich das Wasser im Untergrund neue Wege bahnt. Dazu tauchten auch Teile des Teams zum Boden des Toten Meeres, wo sie am Seegrund schlotförmige Kamine fanden, die eine schimmernde Flüssigkeit ausstoßen. Sie ähneln den Schwarzen Rauchern der Tiefsee, hydrothermalen, sehr mineralreichen Quellen in magmatisch aktiven Regionen der Ozeane. Diese dunklen Minerale fallen im kalten Tiefenwasser rasch aus und bilden entsprechende Schlote.

Bei den Weißen Rauchern hingegen tritt extrem salzhaltiges Grundwasser aus, dessen Salze sich ebenfalls schnell ablagern und die hellen Säulen bilden. Das Salz stammt laut den Studien der Arbeitsgruppe aus salzhaltigen Seesedimenten, die unterhalb des Toten Meeres lagern. Grundwasser aus umliegenden Aquiferen dringt in diese vor allem aus Halit bestehenden Salzschichten ein, laugt sie aus und tritt anschließend am Seegrund aus. Da diese Sole eine etwas geringere Dichte als das Wasser des Toten Meeres hat, jagt sie wie in einem Jet nach oben. »Es sieht aus wie Rauch, ist aber eine salzhaltige Flüssigkeit«, sagt Siebert in einer Mitteilung.

Beim Austritt fällt ein Teil des Salzes direkt aus und bildet die weißen Säulen, die nach Aussagen des Teams weltweit erstmalig beobachtet wurden. Sie können dabei bis zu mehrere Zentimeter pro Tag wachsen: Meist erreichen sie eine Höhe von bis zu zwei Metern, manche ragen aber sogar bis zu sieben Meter vom Boden empor. Spuren von Süßwassermikroben in den Gebilden zeigen, dass das Wasser die Salze erst kurz vor der Quelle aufgenommen haben.

Die Wissenschaftler deuten die Weißen Raucher als Frühwarnindikatoren für die Einsturzkrater, die sich in den letzten Jahrzehnten tausendfach an den Rändern des Toten Meeres aufgetan haben. Diese bis zu sieben Meter tiefen und 20 Meter breiten Dolinen bilden sich durch Verkarstung im Untergrund, nachdem dort Salzschichten ausgewaschen wurden, bis die Decken der entstandenen Hohlräume schließlich einstürzten. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Schlote überall dort entstanden sind, wo die Landoberfläche im Nachgang großräumig eingebrochen und der Prozess der Verkarstung scheinbar besonders effizient ist. Seebereiche mit auffallend vielen Weißen Rauchern können also anzeigen, welche Uferregionen als Nächstes von Einstürzen bedroht sind.

  • Quellen
Science of the Total Environment 10.1016/j.scitotenv.2024.176752, 2024

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