Covid-19: Hydroxychloroquin und Chloroquin schaden mehr, als sie nutzen
Die beiden Malariamittel Hydroxychloroquin und Chloroquin helfen offenbar nicht gegen Covid-19, sondern erhöhen im Gegenteil das Risiko der Behandelten, an der Krankheit zu versterben. Das ist das Ergebnis der bislang größten Untersuchung zu den Auswirkungen dieser Medikamente. Wissenschaftler um Mandeep Mehra vom Brigham and Women's Hospital haben dazu die Daten von 96 000 Covid-19-Patienten ausgewertet, die in insgesamt 671 Krankenhäusern in aller Welt behandelt wurden.
Die Wissenschaftler fanden keinen Hinweis darauf, dass die beiden Medikamente die Länge oder die Schwere der Erkrankung reduzierten. Im Gegenteil: Patienten, die Hydroxychloroquin einnahmen, hatten eine um 34 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Verlauf der Sars-CoV-2-Infektion zu sterben. Das Risiko schwerer Herzrhythmusstörungen stieg bei ihnen um 137 Prozent.
Die beiden Wirkstoffe galten nach viel versprechenden Labortests zu Beginn der Pandemie als hoffnungsvolle Waffe gegen Covid-19. Auch als sich herauskristallisierte, dass ihr Nutzen zumindest fraglich ist, wurden sie weiterhin von Politikern wie dem brasilianischen Präsidenten Bolsonaro oder Trump angepriesen, mit schwer wiegenden Folgen für jene Patienten, die das Mittel wegen der Krankheiten verwenden, für die es entwickelt wurde. Der US-Präsident gab erst kürzlich bekannt, prophylaktisch jeden Tag Hydroxychloroquin in Verbindung mit einem Antibiotikum einzunehmen. Dieser Cocktail ist allerdings laut der jetzt im Fachblatt »Lancet« publizierten Studie alles andere als empfehlenswert, zumindest nicht im Falle einer akuten Covid-19-Erkrankung: Wer diese Wirkstoffkombination einnahm, hatte ein um 45 Prozent erhöhtes Sterberisiko. Das Risiko, im Krankenhaus eine schwere Herzrhythmusstörungen zu entwickeln, kletterte bei dieser Probandengruppe gar um 411 Prozent.
Die Studie sei ein »weiterer Sargnagel« für die Theorie, dass man mit den beiden Malariamitteln, die nur dank einer Ausnahmegenehmigung eingesetzt werden dürfen, etwas gegen Covid-19 unternehmen könne, sagte Peter Lurie vom Center for Science in the Public Interest in Washington der »Washington Post«. Die Ergebnisse decken sich mit einer Anzahl kleinerer Untersuchungen, in denen die Medikamente zumeist ähnlich schlecht abschnitten.
Die Wissenschaftler sammelten Daten zu Patienten, die nicht bereits künstlich beatmet wurden oder ein anderes experimentelles Medikament (Remdesivir) erhielten. Anschließend betrachteten sie alle Patienten in ihrer Datenbank, die zwischen dem 20. Dezember und dem 14. April binnen 48 Stunden nach ihrer Covid-19-Diagnose mit einem der beiden Mittel behandelt wurden, und verglichen sie mit jenen Patienten, die keines der beiden Mittel erhielten.
Experten weisen jedoch darauf hin, dass ein solches Vorgehen nicht dem Goldstandard der medizinischen Forschung entspreche: So wurden die Patienten beispielsweise nicht vorab für die Studie ausgewählt und nach dem Zufallsprinzip in zu Behandelnde und Kontrollgruppe aufgeteilt. Es ist darum nicht ausgeschlossen, dass die Studienergebnisse ein verzerrtes Bild wiedergeben. Dass sie jedoch in die völlig falsche Richtung zeigen, ist angesichts der hohen Teilnehmerzahl und der Größe des Effekts eher unwahrscheinlich.
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