News: Ich denk' an Dich!
So ist der mobile Internetzugang schon längst ein alter Hut, und selbst einen eingebauten Walkman für Musikdateien gibt es mittlerweile als Dreingabe. Außerdem stehen mit GPRS und UMTS schon die nächsten beiden Generationen mobilen Telefonvergnügens in den Startlöchern. Selbst das Tippen nimmt einem die Elektronik mittlerweile ab, denn so manches Modell kann schon mit einer Sprachsteuerung aufwarten, die auf Zuruf die richtige Nummer wählt. Und was kommt morgen?
Auf der CeBIT stellte die Firma Mobile Thinking Solutions in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Neurosciences an der University of Middlesix in Ohio ein System vor, das die Hirnströme eines Probanden analysiert und so herausfindet, an wen er gerade denkt. Was sich unglaublich anhört, ist im Grunde eine Technik, die das so genannte Elektroencephalogramm (EEG) schon lange nutzt. Hierbei registrieren scheibenförmige Silberelektroden, die an bestimmten Stellen auf der Kopfhaut platziert werden, periodische Potentialschwankungen, die Ströme durch die Hirnrinde hervorrufen.
Die Forscher und Entwickler konzentrierten sich nun in erster Linie auf die so genannten Beta-Wellen. Diese liegen bei einer Frequenz von etwa 13 bis 30 Hertz und kennzeichnen geistige Betätigung. Die Wissenschaftler stellten fest, dass der Gedanke an bestimmte Personen eine spezielle charakteristische Modulation der Welle bewirkt. Christine Smithbug von der University of Middlesix erläutert: "Wir haben die Beta-Wellen aufgezeichnet und sie in Echtzeit in ihre Fourierkomponenten zerlegt, so konnten wir die uns interessierenden Merkmale herausfiltern. Ähnlich wie ein gesprochenes Wort ein bestimmtes Klangspektrum aufweist, so zeigt auch ein Gedanke eine besondere Struktur im EEG-Hintergrund, die wir mit unserer Methode aufschlüsseln."
Um nun wirklich zu identifizieren, an wen gedacht wurde, muss das System zunächst einmal lernen. Dazu konzentriert sich die Person, deren Gedanken gleichsam zu lesen sind, mehrmals auf ihren gewünschten Gesprächspartner, während gleichzeitig der Rechner die Charakteristika des Hirnstrommusters aufzeichnet. Nach etwa zehn Lerndurchgängen von jeweils etwa einer Minute hat sich der Computer das Muster gemerkt und prüft fortan permanent auf die bekannte Signatur. Taucht sie erneut auf, so wird zu Demonstrationszwecken automatisch der Wählvorgang auf einem angeschlossenen Handy gestartet und eine dem Gedankenmuster zugeordnete Nummer gewählt.
Das System, das die Amerikaner Mobile Brain Reader nennen und das in den USA mittlerweile zum Patent angemeldet ist, weist dabei schon eine verblüffende Trefferquote auf. Smithbug gibt sich jedoch noch bescheiden: "Es gilt noch ein paar Probleme zu lösen. Zur Zeit erkennt das System nur circa 42 Prozent der Muster richtig. Auch muss die Elektronik noch stark verkleinert werden, um sie später in ein Mobiltelefon zu integrieren. Hierfür suchen wir noch nach einem Hersteller, mit dem wir zusammen das Produkt zur Marktreife bringen können." Immerhin ließen sich die notwendigen Elektroden schon unauffällig in ein Stirnband integrieren.
Für eine kleine Fehlfunktion gibt es allerdings noch keine adäquate Lösung, wie Smithbug schmunzelnd eingestehen muss: "Schließlich gibt es noch das Problem, dass man manchmal an die verkehrte Person denkt und diese dann ungewollt anruft." Trotz der Schwierigkeiten sieht Smithbug für das Gedanken-lesende Handy einen Markt: "Ich denke, in zwei bis drei Jahren sind wir soweit." Die Technik ließe sich sogar soweit entwickeln, dass sich selbst ein Gespräch allein durch Gedanken führen ließe. Von derlei Vorhaben sind die Forscher allerdings noch ein gutes Stück entfernt. Die Neurophysikerin setzt dafür noch fünfzig Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit an.
Eine unerwartete, aber durchaus interessante Konsequenz, die beim Nutzen des Mobile Brain Readers auftritt, konnten die Forscher aber schon jetzt feststellen: Die Silberelektroden, die an der Kopfhaut festgeklebt sind, zeichnen nicht nur die Hirnaktivität auf, sie schützen gleichzeitig auch vor der elektromagnetischen Strahlung des Mobiltelefons. Smithbug meint dazu stolz: "So haben wir gleich noch eine Art Blitzableiter für den Kopf entwickelt."
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