News: Ihr letzter Gang
Des einen Leid ist jedoch des anderen Freud. Denn schließlich schuf das Massensterben Platz für Neues, und so ist es kein Zufall, dass die Vögel und vor allem wir Säugetiere seit dem Tertiär blühen und gedeihen. Wer das große Sterben überlebte, zählte also zu den Gewinnern der Evolution.
Ist das wirklich so einfach? David Jablonski von der University of Chicago hatte daran Zweifel. Er schaute sich fünf Faunenschnitte genauer an: den Übergang vom Ordovizium zum Silur und das späte Devon im Erdaltertum, die Perm-Trias-Grenze beim Übergang zum Erdmittelalter, den Wechsel von der Trias zum Jura und schließlich die Kreide-Tertiär-Grenze, mit der die Erdneuzeit begann.
Dabei fiel ihm auf, dass fünf bis zehn Millionen Jahre nach den Faunenschnitten – also unmittelbar danach – das Sterben noch längst nicht zu Ende war. Etwa 10 bis 20 Prozent der bis dahin noch existierenden marinen Gattungen verschwanden. Damit ist der Verlust zwar geringer als zu den Massenaussterbeereignissen, aber signifikant größer als zu "normalen" Zeiten. Auch in höheren systematischen Kategorien war der Aderlass deutlich: Nach drei der fünf Ereignisse starben 17 Prozent der bis dahin noch vorhandenen Ordnungen mariner Wirbelloser aus.
"Es gibt also einen weiteren Aussterbeschub im Nachspiel nach jedem der Ereignisse, welche die Überlebenden in Gewinner und Verlierer aufteilt", betont Jablonski. "Im Gegensatz zur populären Darstellung im Fernsehen ist nicht jeder Überlebende ein Gewinner. Manche Gruppen schwankten noch zehn Millionen Jahre." Jablonski nennt diese todgeweihten Überlebenden "Dead Clade Walking" – in Anlehnung an den Oscar-prämierten Spielfilm "Dead Man Walking – Sein letzter Gang".
Es gab jedoch auch immer wieder Gruppen, die diesen "letzten Gang" immer weiter hinauszögern konnten und in Nischen überlebten. Wir kennen sie als "lebende Fossilien" – wie zum Beispiel den urtümlichen Kopffüßler Nautilus.
Warum manche Arten zu den Siegern zählten, andere dafür nicht, bleibt spekulativ. Was es auch sei, "es ist der Grund, warum wir hier sind, und die Dinosaurier nicht", meint Jablonski. "Unsere Vorfahren mussten nicht nur das letzte Massenaussterbeereignis überleben, sondern auch im Gerangel danach gedeihen."
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