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Illegale Abholzung: Afghanistans Wälder schwinden

In Afghanistan sind die Waldflächen extrem zurückgegangen. Schuld ist vielerorts der illegale Holzeinschlag, ohne den viele Familien nicht überleben können.
Die beiden Holzfäller, Dilaram und Sanaullah, zerkleinern einen großen Baum in rechteckige Stücke.
Die beiden Holzfäller Dilaram und Sanaullah zerkleinern einen großen Baum in rechteckige Stücke. Eine andere Gruppe von Arbeitern wird die Ware dann zur nächsten, etwa fünf Kilometer entfernten Straße schleppen.

Wama-Distrikt in der Provinz Nuristan, Afghanistan. Zwischen den Bäumen steht Dilaram auf dem gefällten Stamm einer riesigen Zeder, die Kettensäge in seinen Händen spuckt Rauch und Sägemehl. Die Luft ist erfüllt vom Geruch der Baumnadeln und den Abgasen des Zweitaktermotors. Es ist 10.30 Uhr am Morgen. Der 40-jährige Dilaram arbeitet zusammen mit seinem Kollegen Sanaullah bereits seit sechs Stunden in der prallen Sommersonne. Ihr Salwar Kamiz, die traditionelle Kleidung bestehend aus einem weiten langärmligen Hemd und einer luftigen Hose, sind schweißgetränkt. Ein Haufen rechteckiger Holzstücke in der Größe von Bahnschwellen liegt am Hang unter ihnen und zeugt von ihrer morgendlichen Schufterei.

Die ostafghanische Provinz Nuristan ist eine grüne Oase in einem Land, das in großen Teilen von Wüstenbildung betroffen ist. Die Gegend ist reich an waldbedeckten Bergen und klaren Flüssen, die sich durch üppig bewachsene, enge Täler schlängeln. Zusammen mit der benachbarten Provinz Kunar beherbergt Nuristan einige der dichtesten, ältesten und ökologisch vielfältigsten Wälder der Region. Doch wegen der unerbittlichen und meist illegalen Abholzung in den letzten Jahrzehnten sind viele dieser reichhaltigen Ökosysteme heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Und das, was noch übrig ist, ist ernsthaft bedroht, da die Bewohner dieser Täler angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage immer verzweifelter nach Einkommen suchen.

Komplexes Geflecht konkurrierender Bedürfnisse

Weil Erosion, Überschwemmungen und Waldbrände im Osten Afghanistans in beängstigendem Tempo zunehmen, erkennen viele Gemeinden nun, dass ihre Häuser, Dörfer und Ackerflächen die ökologischen Folgen der Abholzung vielleicht nicht mehr tragen können. Die Holzfäller selbst – viele von ihnen arme Arbeiter ohne alternative Einkommensquellen – stehen vor einer immer schwierigeren Entscheidung: Entweder sie geben die einzige zuverlässige Möglichkeit auf, ihre Familien zu ernähren, oder sie zerstören weiter ihre Umwelt, gefährden ihre Gemeinden und widersetzen sich dem Holzschlagverbot der notorisch brutalen Taliban-Regierung. Die Situation ist verzwickt.

Holzfäller wie Dilaram und Sanaullah arbeiten vorwiegend als Selbstständige. Sie werden von Einzelpersonen und kleinen Gemeinden angeheuert, die Wald besitzen und das Holz entweder selbst nutzen oder daraus Profit schlagen wollen. Jeden Sommer verabschiedet sich Dilaram von seiner Frau und seinen Kindern und macht sich von seinem Haus in der benachbarten Region Kunar in einem verbeulten Toyota-Corolla-Taxi auf die zehnstündige Reise nach Nuristan. Dort angekommen, schlägt er sein Lager in dem Waldstück auf, wo er für die Saison arbeiten wird, und legt los.

Alte Bäume | Der Holzfäller Dilaram zählt die Ringe eines Baums, den er gerade illegal gefällt hat.

Trotz der körperlichen Strapazen bekommt Dilaram nur etwa 40 Cent für jede »Schwelle«, die er aus dem Wald holt – ein rechteckiges Stück Holz, das etwa einen Meter breit und drei Meter lang ist. An einem durchschnittlichen Tag verdiene er etwa elf Dollar, sagt er. Das mag wenig erscheinen, aber sein Einkommen ist weit höher als das vieler anderer Afghanen. Die Wirtschaft des Landes liegt am Boden, geschwächt durch die internationalen Sanktionen gegen die Taliban-Regierung, einschließlich des Einfrierens von sieben Milliarden Dollar an afghanischen Regierungsgeldern durch die USA. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Vereinten Nationen schätzt, dass Mitte 2022 wahrscheinlich 97 Prozent der Afghanen in bitterer Armut lebten. Der Taliban-Regierung ist es nicht gelungen, die aufgeblähte und träge Bürokratie Afghanistans zu modernisieren. Die internationale Hilfe ist nur noch ein Bruchteil dessen, was sie vor zwei Jahren war. Angesichts dieser extremen Unsicherheit ist ein gut bezahlter Job offensichtlich ein kostbares Gut.

Dilaram sieht seine Arbeit nicht als selbstverständlich an. Das kann er sich auch gar nicht leisten. Der Sommer in den Bergen ist kurz, und er muss in zwei oder drei Monaten das Geld für ein ganzen Jahr verdienen. Sobald es schneit, ist die Möglichkeit auf ein Einkommen für ein weiteres Jahr dahin. »Ich habe etwa zehn Jahre lang als Fahrer gearbeitet, aber ich habe nie genug Geld verdient, um meine Familie zu ernähren. Die Arbeit als Holzfäller ist zwar anstrengend, aber so kann ich wenigstens meine Familie durchbringen«, sagt er und hält inne, um sich das Sägemehl aus dem Bart zu streichen und mit der Mütze die Schweißperlen von der Stirn zu wischen.

Das Holzfällen mag zwar besser bezahlt sein als andere Jobs, aber Dilaram und seine Familie leben nach wie vor von der Hand in den Mund – wie viele andere in den umliegenden Gemeinden auch. Die täglichen Lebenshaltungskosten steigen weiter, und Einkommensquellen waren in den Bergen schon knapp, bevor die Wirtschaft in den freien Fall geriet. Die schroffe Topografie macht es schwer, Gemüse oder Obst in größeren Mengen anzubauen. Viele in den Gemeinden überleben daher nach dem Prinzip: »Iss das, was du anbaust.« So bleibt nur wenig zum Verkauf übrig. Die tiefgrünen Kiefern- und Zedernwälder sind oft die einzige Ressource, die den dort lebenden Menschen zur Verfügung steht.

Die jahrelange Plackerei hat in Dilarams Körper Spuren hinterlassen. Er sagt, er leide unter starken Gelenkschmerzen, und die Arbeit ohne Schutzausrüstung habe sein Seh- und Hörvermögen geschädigt. Er lacht über den Gedanken, sich eine Schutzbrille oder einen Gehörschutz zu kaufen. »Wie kann ich mir so etwas leisten?«, fragt er. »Jedes Mal, wenn ich von zu Hause hierher nach Nuristan komme, habe ich kaum genug Geld, um das Taxi zu bezahlen.«

Dramatischer Rückgang der Waldbestände Afghanistans

In den späten 1970er Jahren veröffentlichte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) einen Bericht über die damaligen Holzreserven Afghanistans. Darin wurde geschätzt, dass es fast 2,8 Millionen Hektar Kiefern-, Zedern- und Eichenwälder im ganzen Land gab – etwa 4,5 Prozent der gesamten Landfläche Afghanistans.

Mehr als zwei Jahrzehnte später, im Jahr 2002, nutzte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) Satellitenbilder, um den Waldbestand in Nuristan und Kunar zu erfassen. Die Ergebnisse waren erschreckend. Zwischen 1977 und 2002 war die Gesamtfläche des Waldes in Kunar um fast 30 Prozent geschrumpft. In Nuristan sah es noch schlimmer aus: Dort war die Waldfläche um 53 Prozent zurückgegangen. Ein FAO-Bericht aus dem Jahr 2016 stellte fest, dass nur noch etwa 1,5 Prozent der Gesamtfläche Afghanistans mit natürlichen Nadelwäldern bedeckt ist.

Unwegsames Gelände | Ein örtlicher Gemeindevorsteher bahnt sich seinen Weg durch den Schnee im oberen Korengal-Tal in der Provinz Kunar.

Kriminelle Geschäfte mit Holz

Illegaler Holzeinschlag ist ein riesiger globaler Wirtschaftszweig. Nach Angaben von Interpol macht er 15 bis 30 Prozent des weltweiten Holzhandels aus, die dabei jährlich verkaufte Ware hat einen Wert von bis zu 152 Milliarden Dollar. Da so viel Geld im Spiel ist, ist es nicht überraschend, dass die illegale Abholzung oft inmitten wirtschaftlicher Instabilität, Armut und chronischer Unterentwicklung floriert. Zweifellos ist dies in Afghanistan der Fall. Das Land steht auf dem Index für »Human Development« des UN-Entwicklungsprogramms, der verschiedene Faktoren wie Einkommen, Infrastruktur und Bildung erfasst, auf Platz 180 von 191 Ländern und Regionen. Nach mehr als 30 Jahren Krieg und der mangelhaften Verwaltung von internationalen Hilfsgeldern in Milliardenhöhe leidet das Land immer noch unter einer extremen wirtschaftlichen Unterentwicklung.

Seit Jahrzehnten ist der illegale Holzhandel eine wichtige Einnahmequelle für mehrere Gruppierungen, die im Osten Afghanistans um die Macht kämpfen – darunter die Taliban und in jüngerer Zeit der afghanische Ableger des Islamischen Staats, die Provinz Islamischer Staat Khorasan (ISKP). Illegal geschlagenes Holz wird am häufigsten nach Pakistan geschmuggelt. Dort gibt es einen verlässlichen Markt für das viele Holz, das afghanische Schmuggler liefern.

Der Holzhandel war bereits ein zentraler Bestandteil der Konfliktdynamik, in die die US-Streitkräfte Mitte der 2000er Jahre im Osten Afghanistans hineingeraten sind. Das Korengal – ein abgelegenes und isoliertes Tal in Kunar – war dabei ein besonderes Problemgebiet für die amerikanischen Truppen. Viele Korengalis waren auf das Einkommen aus dem Verkauf von Holz an kriminelle Vereinigungen angewiesen, die außerhalb ihres Tals ansässig waren. Diese Gruppen hatten oft Verbindungen zu den Taliban-Kämpfern im Tal selbst. Für die Amerikaner schien die Lösung einfach: Wenn sie die Korengalis vom Holzverkauf abhielten, würden sie verhindern, dass dieses Geld in die Hände der Taliban gelangte. Doch die Einkünfte der Korengalis aus solchen Geschäften waren oft das Einzige, was die Not leidenden Familien vor völliger Verarmung bewahrte. Als die US-Truppen versuchten, den Holzeinschlag zu stoppen, begannen die Korengalis selbst, die Amerikaner anzugreifen. Sobald die amerikanische Armee 2010 aus dem Korengal-Gebiet abgezogen war, wurde die Abholzung umgehend wieder aufgenommen. Entsprechend ist auch heute noch der Holzeinschlag die Haupteinnahmequelle für Tausende von Familien in Nuristan und Kunar.

Holzfäller, Fahrer, Verkäufer und Tagelöhner sind alle vom Einkommen aus dem illegalen Holzeinschlag abhängig. Das Holz, das durch ihre Hände geht, ist für den Bau der Häuser an den steilen Berghängen der Region unverzichtbar, und es ist das Rohmaterial für eine florierende Holz verarbeitende Industrie, die kunstvoll geschnitzte Möbel, Kunsthandwerk und Haushaltswaren in andere Teile des Landes und darüber hinaus exportiert.

Grüne Taliban?

Nur wenige Wochen nach dem Sturz der von den USA unterstützten Regierung der Islamischen Republik Afghanistan in Kabul im August 2021 verkündeten die Taliban ein Verbot des Holzhandels. Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid twitterte, dass das Abholzen von Wäldern sowie der Verkauf und der Transport von Holz streng verboten seien. »Sicherheitsbehörden und Provinzbehörden müssen dies verhindern«, schrieb er.

Im Dezember 2021 kündigten Taliban-Vertreter die Schaffung der »Grünen Einheit« an, einer militärischen Spezialeinheit, die ausschließlich mit dem Schutz der afghanischen Wälder vor illegalem Holzeinschlag beauftragt ist. Anfang November 2022 beklagte Hafiz Aziz Rahman, amtierender Leiter der afghanischen Umweltschutzbehörde, auf einer Pressekonferenz den Ausschluss der Taliban von der internationalen Klimakonferenz COP27, die Ende letzten Jahres in Ägypten stattfand. Der Klimawandel kennt keine nationalen Grenzen und sollte nicht politisiert werden, sagte Rahman.

Ein effektives Abholzungsverbot könnte der Taliban-Regierung dabei helfen, internationalen Umweltschutzvorstellungen gerecht zu werden – aber natürlich würde das Regime auch davon profitieren, wenn es die volle Kontrolle über das Geld hätte, das aus dem Land fließt.

Trotz der grünen Rhetorik scheinen die Taliban jedoch bisher nur wenige praktische Schritte unternommen zu haben, um die Abholzung oder andere Klima- oder Umweltprobleme anzugehen. Die Mitglieder der vorgeschlagenen Grünen Einheit sind noch nicht in den Gebieten aufgetaucht, die sie angeblich schützen sollen. Ein Sprecher des Taliban-Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht antwortete gegenüber »Scientific American« auf die Frage nach dem Stand dieser Bemühungen lediglich: Die Einheit sei in Arbeit.

Nachdem er jahrzehntelang in den Wäldern im Osten Afghanistans Holz geschlagen hat, überrascht Dilaram das nicht: »In den 20 Jahren, in denen ich diese Arbeit mache, hat mich nie jemand von der afghanischen Regierung belästigt oder versucht, mich vom Baumfällen abzuhalten.«

Örtliches Gesetz | In einem kleinen Dorf im oberen Korengal-Tal findet im Februar 2022 eine Stammesratssitzung statt.

Lokale Stammesstrukturen haben mehr Einfluss als die Zentralregierung

In diesen abgelegenen Tälern sind traditionell die Ältesten und religiösen Führer der Gemeinden dafür zuständig, Gesetze durchzusetzen – und nicht die von der Regierung ernannten Polizisten. Daher haben die lokalen Stammesstrukturen oft mehr Einfluss, als es die Zentralregierung je hatte. Wie die frühere Regierung Afghanistans stützen sich auch die Taliban stark auf solche Strukturen, um die Ordnung in den Dörfern aufrechtzuerhalten. Dies war in der Vergangenheit einigermaßen effektiv. Doch die zunehmende prekäre wirtschaftliche Lage macht es immer schwerer, die Menschen vom Naturschutz zu überzeugen, weil das letztlich nichts anderes bedeutet, als die Gesundheit der Wälder über die ihrer Familien zu stellen.

Haji Din Muhammad, 54 Jahre alt, hat sein ganzes Leben in Nuristan verbracht. Unter der Regierung der Islamischen Republik Afghanistan von 2004 bis 2021 war er 15 Jahre lang Gouverneur des südlichen Bezirks Wama in Nuristan. Er ist groß und stämmig, hat einen weißen Vollbart und spricht mit ruhiger, gelassener Zuversicht. Als Gouverneur, sagt er, habe er versucht, seine Position innerhalb der lokalen Stammesstrukturen zu nutzen, um seine Gemeinde über nachhaltige Waldbewirtschaftungsmethoden aufzuklären und den Naturschutz zu fördern.

»Wir haben einige Stammeskomitees in verschiedenen Distrikten gegründet, um das Bewusstsein für den Schutz des Waldes zu schärfen«, sagt Haji Muhammad. Die Ausschüsse hätten auch Vereinbarungen mit bestimmten Dörfern über die Abholzung und den Verkauf von Holz getroffen. Er rechne jedoch nicht damit, dass die Taliban die Wälder in nächster Zeit zu einem Schwerpunkt ihrer Politik machen werden.

»Die Taliban haben im Moment andere Prioritäten«, sagt Haji Muhammad und verweist auf die wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen, die nach dem Rückzug der USA noch immer im Land zu spüren sind. »Die Taliban wissen auch, dass die Menschen arm sind und viele kein anderes Einkommen haben. Würden sie ein Verbot des Holzeinschlags ausnahmslos durchsetzen, würde das für viele Gemeinden in diesen Tälern den wirtschaftlichen Ruin bedeuten.«

»Vor ein paar Monaten kam ein Mann aus dem Dorf hierher und sagte, wenn die Dorfbewohner nicht aufhören, Bäume zu fällen, wird der gesamte Wald bald verschwunden sein«Dilaram, Holzfäller

Dilaram sagt, dass nur eine Person ihm jemals Ärger gemacht hat, weil er Bäume gefällt hat – und das ist erst kürzlich passiert. »Vor ein paar Monaten kam ein Mann aus dem Dorf hierher und sagte, wenn die Dorfbewohner nicht aufhören, Bäume zu fällen, wird der gesamte Wald bald verschwunden sein. Aber ich habe ihm gesagt, dass er sich nicht an mich wenden soll, ich bin nur ein Arbeiter. Er muss das Problem mit den Dorfbewohnern besprechen, denn sie sind diejenigen, die mich anstellen.«

Eine Spirale aus Erwärmung und Entwaldung

Dilaram und Sanaullah verbrachten ihre arbeitsreichen Sommermonate oft im Bezirk Wama. Mit rund 8500 Hektar baumbewachsenen Bergen und tiefen, grünen Tälern sieht Wama auf den ersten Blick so aus, als ob es der Vorrat an wertvollen Kiefern und Zedern endlos wäre. Bäume sind generell ein fester Bestandteil des Lebens in Nuristan. Auf ihnen wachsen Früchte und Nüsse, die gegessen oder verkauft werden können. Sie bieten Weidetieren Unterschlupf und Nahrung. Und sie liefern den lokalen Gemeinschaften Baumaterial und einen Lebensunterhalt. Der Holzhandel spielt für die Wirtschaft des Osten Afghanistans zwar eine große Rolle, die Abholzung dieser riesigen Wälder geht allerdings auf Kosten anderer Ressourcen und der lokalen Ökologie.

Schädliches Geschäft | 1: Ein Korengali-Mann sammelt im Februar 2022 Gestrüpp für Brennholz und Viehfutter. 2: Das Schleppen von Holz von der Baumgrenze hinunter in die Talsohle hinterlässt tiefe Gräben in den Hängen. 3: Verschiedene Holzarten werden für unterschiedliche Zwecke genutzt. Kiefern und Zedern kommen beim Hausbau zum Einsatz, während kleinere Laubbäume als Brennholz dienen. 4: Da Bäume gefällt werden oder auf Grund von Dürre und anderen Faktoren absterben, erodieren viele Hänge im Osten Afghanistans in einem beängstigenden Tempo.

Welche Auswirkungen die Kombination aus Abholzung und Klimawandel hat, würde vielen Einwohnern gerade klar, sagt Haji Muhammad: »Die Überschwemmungen sind in den letzten Jahren viel schlimmer geworden«, sagt er bei einem Gespräch im Haus eines Freundes am Hang und deutet auf das grüne Tal unter ihm. Im Jahr 2021 »kamen die Fluten aus dem Wald und zerstörten drei Wände meines Hauses«. Seine Familie blieb unversehrt, aber andere weiter oben im Tal hatten nicht so viel Glück.

Bäume sind ein wichtiger natürlicher Schutz gegen die zerstörerischen Auswirkungen von Starkregen und Überschwemmungen. Tiefe Wurzelsysteme schaffen poröse Öffnungen im Boden, die das Regenwasser hunderte Male schneller aufnehmen als ein Boden ohne Vegetation. Ohne diesen Schutz erodieren die Wassermassen schnell die Hänge und bringen Häuser und Dörfer in die Gefahr von Erdrutschen.

Haji Din Muhammad | Mehr als 15 Jahre lang war Haji Din Muhammad Gouverneur des Bezirks Wama. Er sagt, der Holzeinschlag führe zu raschen Veränderungen in der Umwelt, auf die die Einheimischen nicht vorbereitet seien.

Im Jahr 2021 kam es in ganz Nuristan zu katastrophalen Überschwemmungen. In jenem Jahr lösten am Abend des 28. Juli heftige Regenfälle massive Sturzfluten in Kamdesh aus, dem nordöstlichen Bezirk der Provinz Nuristan. Als die Fluten das Tal überschwemmten, versuchten die Bewohner, sich in höher gelegene Gebiete zu retten. Da es nur wenige Bäume gab, die den Bergboden stützten, rutschten ganze Hänge hinab in den Morast. Als die Wassermassen einige Tage später zurückgingen, zeigte sich das tragische Ausmaß: Nach Angaben der Afghan Red Crescent Society ARCS waren mehr als 260 Menschen ums Leben gekommen. Nahezu 30 örtliche Unternehmen waren zerstört, ebenso wie drei Moscheen, sieben Brücken, mehr als 890 Hektar wertvolle landwirtschaftliche Flächen und 3200 Obstbäume. Die Überschwemmungen waren ein herber Schlag für die Gemeinden in der gesamten Provinz. Einige haben sich bis heute nicht davon erholt.

Und im folgenden Jahr kam die Flut wieder. Zwischen Anfang Mai und Ende August 2022 ereigneten sich in weiten Teilen Afghanistans Sturzfluten, die in vielen Fällen durch unvorhersehbare Regenfälle ausgelöst wurden. Nach Angaben des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten wurden Hunderte von Menschen getötet und Tausende von Häusern beschädigt.

Haji Muhammad sagt, dass der Holzeinschlag im Lauf der Jahre zu einem zunehmenden Streitpunkt zwischen der afghanischen Regierung und den lokalen Gemeinschaften im Osten des Landes geworden ist. »Vor der (von den USA unterstützten) Regierung der Islamischen Republik gab es keine Gesetze, die das Fällen von Bäumen oder den Verkauf von Holz kontrollierten. Damals war uns nicht klar, welchen Schaden der Holzeinschlag für die Umwelt anrichtete. Wir konnten das Holz auf dem Basar frei verkaufen und es auch in andere Provinzen schicken«, sagt er. »Ich glaube, viele Menschen hier in unseren Gemeinden beginnen jetzt zu verstehen, wie wichtig unsere Wälder wirklich sind. Früher fällten die Leute die Bäume völlig unkontrolliert. Aber ich denke, die Menschen verstehen jetzt besser, wie Bäume die Luft und das Klima verbessern und Überschwemmungen und die Erosion der Hänge verhindern.«

Steile Hänge | Die Häuser des oberen Korengal-Tals sind in der Regel aus Stein und Holz gebaut, ganz im Gegensatz zu den Lehmhäusern, die man in weiten Teilen Süd- und Zentralafghanistans findet. Dank dieser robusteren Materialien halten die Häuser zwar viel länger als Lehmhäuser, aber wegen ihrer Lage an steilen Hängen ist das Risiko hoch, durch Erdrutsche und Erosion beschädigt zu werden.

Holzfällverbote lassen sich schwer durchsetzen

Im Jahr 2002 unterzeichnete der damalige afghanische Präsident Hamid Karzai ein neues Gesetz, das den Holzeinschlag im ganzen Land verbot. Es war das erste seiner Art in Afghanistan. Die Regierung hatte jedoch Schwierigkeiten, das Gesetz durchzusetzen, zum Teil wegen der Abgeschiedenheit der Gemeinden, in denen das Holz gefällt wurde. Den Beamten fehlte es schlichtweg an Personal und Ressourcen, um Verstöße aufzuspüren, geschweige denn zu verfolgen.

Das Verbot war aber auch aus politischen und wirtschaftlichen Gründen schwer durchzusetzen. Lokale kriminelle Netzwerke, die sich größtenteils aus dem Holzhandel finanzieren, haben seit Langem einen großen Einfluss auf die örtlichen Beamten und würden jeden bestechen oder bedrohen, der ihre Geschäfte einschränkt. Obwohl viele Gemeinden diese »Holzmafia« nicht guthießen, hatten sie oft keine andere Wahl, als auf die Arbeitsplätze und das Einkommen zu setzen, die ihnen der illegale Holzeinschlag bot.

Die Sonne in Wama steht tief und die Schatten der Zedern werden lang. Dilaram nimmt seine Kettensäge in die Hand und überprüft den Treibstofftank. Auch wenn die Auswirkungen ihrer zerstörerischen Arbeit überall zu sehen sind, wirkt die Maschine inmitten dieser friedlichen Schönheit fehl am Platz. Wenn die Taliban-Führer ihr Versprechen tatsächlich einhalten und die Abholzung in diesem Gebiet stoppen, hätte Dilaram nur noch auf eine unbestimmte Zeit Arbeit.

Abholzung | Der Holzfäller Dilaram fällt im Bezirk Wama illegal einen Baum.

»Sieh dich um«, sagt er. »In diesem Gebiet wurden Tausende von Bäumen gefällt – ich weiß, dass es 200 Jahre oder länger dauert, bis sie wieder nachwachsen. Ich weiß, dass das Abholzen dem Wald schadet«, fügt er hinzu und richtet seinen Blick auf die nächstgelegenen Baumkronen. »Ich tue, was ich kann, um die ältesten Bäume zu fällen und Platz für die jüngeren zu schaffen. Und ich richte nicht mehr Schaden an als nötig. Aber sieh mich an. Ich kann meine Familie jetzt schon kaum über Wasser halten. Wenn ich diese Arbeit aufgebe, sind wir alle erledigt.« Er hält einen Moment inne und lässt den Blick über die zerklüftete Landschaft schweifen. Dann zieht er am Starterseil – und der Lärm der Kettensäge durchbricht erneut die Stille.

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