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News: Im Kleinen flutscht's

Beschreiben Physiker die Bewegung von Flüssigkeiten, so treffen sie im Rahmen ihrer Berechnungen meist eine grundsätzliche Annahme: Die Flüssigkeitsmoleküle in Wandnähe verbleiben in Ruhe. Diese Vermutung ist offenbar nicht richtig. Zumindest zeigen neue Experimente, dass in kleinen Systemen die Moleküle sehr wohl entlang der Oberfläche rutschen können.
Die Mechanik von Flüssigkeiten ist ein recht altes Gebiet der Physik. Schon seit über hundert Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit Flüssigkeitsströmungen und treffen Vorhersagen für bestimmte Systeme. Meist nehmen sie dabei an, dass sich die Flüssigkeitsmoleküle in der Nähe einer festen Oberfläche nicht bewegen. So basieren auch heute die meisten Simulationen auf der Bedingung einer nicht rutschenden Grenzfläche. Dies beschreibt das Verhalten makroskopischer Systeme auch recht gut, indes zeigten bereits einige Experimente mit Kapillarröhrchen, dass sich die Moleküle an der Grenzfläche sehr wohl bewegen. Gelten also im Kleinen mal wieder andere Gesetze?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, untersuchten Vincent Craig und seine Kollegen von der Australian National University die Molekülbewegung einer so genannten Newtonschen Flüssigkeit an einer festen Oberfläche. Bei einer solchen Flüssigkeit hängt die Viskosität – also die Zähigkeit – nicht vom Druck ab, oder anders ausgedrückt: Das Volumen an Flüssigkeit, das pro Zeiteinheit ein Stück Röhre passiert, ist nur abhängig von dem Druckunterschied an beiden Seiten der Röhre. In ihrem Experiment wählten die Forscher eine Lösung aus Zucker und Wasser.

Um nun den Einfluss der Oberfläche zu messen, näherten die Wissenschaftler in der Lösung eine Kugel von 20 Mikrometern im Durchmesser einer Wand. Dabei war die Kugel an dem Biegebalken eines Rasterkraftmikroskops befestigt, sodass sich während der Annäherung die auf sie wirkende Kraft messen ließ. Die Forscher verglichen anschließend die experimentell gewonnen Daten mit einem Modell, das die Annahme beinhaltet, die Moleküle ständen an der Grenzfläche still. Wie sich zeigte, taugte das Modell ab einem Abstand von etwa zehn Mikrometern nicht mehr richtig zur Beschreibung.

Daraufhin modifizierten Craig und seine Kollegen die Gleichungen und ließen auch Bewegung in der Nähe der Oberfläche zu. Die experimentellen Daten ließen sich so wesentlich besser angleichen, und die Forscher errechneten, dass sich die Moleküle an der Grenzfläche etwa um 20 Nanometer in Richtung der Strömung verschoben, während sich der Abstand zwischen Kugel und Oberfläche verkleinerte. Die Wissenschaftler fanden weiterhin heraus, dass die Strecke dieser Verschiebung von der Viskosität und der Annäherungsgeschwindigkeit der Kugel abhängt.

Diese Entdeckung erklärt auch, warum sich rote Blutkörperchen durch enge Kapillaren zwängen können, ohne einen allzu großen Druck auf die Kapillarwände auszuüben. Schließlich könnte die Erkenntnis dabei helfen, neuartige miniaturisierte Fluidik-Systeme herzustellen, sodass man komplexe chemische Apparaturen im Miniaturmaßstab nachbauen kann.

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