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Sonnensystem: Im Sande verlaufen

Der Mars Reconnaissance Orbiter fotografiert seit etwa einem Jahr Felsbrocken, Rinnen und Krater auf dem Roten Planeten in bislang unerreichtem Detail - doch Hinweise für flüssiges Wasser sind eher Ausnahme als Regel.
Mars
In gewisser Weise ähneln die Aussagen von Marsforschern denen eines Wahrsagers: Sie lassen meist genug Spielraum, um vielerlei Auslegungen zu ermöglichen. Geht es um die Präsenz flüssigen Wassers auf dem Planeten sind die Zitate jedenfalls oft mehr als vage. War der Mars einst von flachen, salzigen Seen überzogen? Rann tatsächlich Wasser durch die unzähligen Rinnen – sogar in den letzen Jahren? Formte es gar die Oberfläche des Planeten?

Tendenziell ja, meinen viele Forscher, wobei sie Ergebnisse früherer Missionen anführen. Die etwas bedächtigere Betrachtung der Rover- oder Orbiterdaten stellt nun viele der Interpretationen, die zu Gunsten flüssigen Wassers auf der Oberfläche ausfallen, in Frage. Zu der ernüchternden Erkenntnis verhalfen vor allem die Terabytes an Daten aus den ersten hundert Tagen des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), der Felsbrocken von einem halben Meter Länge auflösen kann.

Rinnen auf den Mars | Viele Rinne auf dem Mars errinern an durch Wasser geformte Gebiete auf der Erde.
Alfred McEwen von der Universität von Arizona und sein Team fotografierten mit dem High Resolution Imaging Science Experiment (Hirise) an Bord des MRO unter anderem Regionen auf dem Mars, in denen sich Rinnen mit hellen und damit frischen Ablagerungen finden [1]. Früher hatten zeitlich versetzte Beobachtungen einer solchen Furche ergeben, dass das Rinnsaal vermutlich erst kürzlich durch fließendes Wasser entstand. Doch die Forscher konnten die Präsenz von Wasser nicht bestätigen.

Im Moment sieht es so aus, als gäbe es dort nichts, was nicht genauso gut mit Hilfe eines trockenen Erdrutsches von losem Gestein erklärt werden kann, begründet McEwen. Die Hänge, an denen die Spuren beobachtet wurden, sind steil genug, um einen solchen Erdrutsch wahrscheinlich zu machen. Die angeblich von Wasser geformten Rinnen sind nicht die einzigen Beweise, die das Hirise-Team anzweifelt: Windy Jaeger vom U.S. Geological Survey in Flagstaff in Arizona und ihr Team nahmen sich mit MRO Athabasca Valles vor – ein Kanalsystem, das vor einigen Millionen Jahren durch katastrophale Wasserfluten entstanden sein soll [2].

Athabasca Valles | Athabasca Valles – ein Kanalsystem, das vor einigen Millionen Jahren durch katastrophale Wasserfluten entstanden sein soll.
Die Forscher vermuten durch die neuen Daten allerdings, dass es sich wohl eher um fließende Lava gehandelt hat. Die Region ist den neuen Bildern zufolge mit einer einige Meter dicken Schicht Lava überzogen, die vermutlich aus einem Riss in der Kruste austrat, die Kanäle überschwemmte und stromabwärts abfloss. Dennoch halten sie es nicht für ausgeschlossen, dass Erosion durch Wasser in die Entstehungsgeschichte dieses Systems verwickelt sein könnte. Die Entdeckung klärt auch, warum die Landeeinheiten auf vermeintlichen Flussbetten nichts außer Lava vorfanden, meint McEwen.

Auch an dem im nördlichen Tiefland vermuteten Ozean zweifeln die Wissenschaftler. Anlass zu der kühnen Annahme gaben damals scheinbare Küstenlinien um ein breites, flaches Becken. Doch die hochauflösende Kamera des MRO entdeckte bis zu zwei Meter große Felsbrocken auf dessen Grund. Die hätten die Wassermassen im Falle eines großen Meeres allerdings zu feinem Sand zermahlen sollen. "Entweder war die Sedimentschicht des Ozeans viel dünner als angenommen", äußert McEwen seine Bedenken, "oder es gab nie einen Ozean". Kanäle und fächerförmige Ablagerungen in einigen Kratern, wie sie sich auch in Schwemmfächern auf der Erde finden, werteten die Wissenschaftler ebenfalls oft als Indiz für flüssiges Wasser. Die neuen Daten lassen nun vermuten, dass die Strukturen durch Wasser entstanden, das beim Einschlag eines Meteoriten in der eisreichen Kruste schmolz. Damit würde es die Hypothese unterstützen, dass Wasser auf dem Mars in der Vergangenheit nur sehr sporadisch floss – nämlich dann, wenn ein Himmelskörper einschlug. Das von vielen Forschern geforderte wärmere und niederschlagsreiche Klima in der Frühzeit des Planeten ist damit nicht mehr zwingend notwendig, um diese Beobachtungen zu erklären.

Am Südpol | Die Eisschicht am Südpol des Mars (weiß) schmückt die von Kratern überzogenen südlichen Landschaften des Planeten.
Dass es Eis auf dem Roten Planeten gibt, darüber sind sich die Wissenschaftler immerhin einig – das größte Wasserreservoir auf der Planetenoberfläche soll sich an der südlichen Polkappe befinden. Laut Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und ihren Kollegen besteht das Eis dort aus relativ reinem Wasser: Es enthält nur rund 15 Prozent Staub [3]. Zu dem Ergebnis kam das Team, indem es Gravitationsdaten von MRO mit topografischen Messungen dieser Region aus anderen Missionen kombinierte. So konnten sie letztlich die Dichte der geschichteten Ablagerungen am Südpol berechnen.

Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass sich eines Tages doch noch flüssiges Wasser auf dem Mars findet. Es zu finden, scheint aber doch schwieriger zu sein, als bislang erhofft.

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