Verkohlte Schriftrolle: Im Scanner entrollt
In der niedergebrannten Ruine einer Synagoge aus dem 6. Jahrhundert nahe dem heutigen Ort En Gedi in Israel fanden Archäologen im Jahr 1970 die verkohlten Reste von Schriftrollen. Nun gelang es ihnen, die Dokumente am Computer virtuell zu entrollen und die Tinte sichtbar zu machen.
Wie das Team um William Brent Seales von der University of Kentucky erklärt, enthält die Schriftrolle eines der ältesten Zeugnisse der fünf Bücher Mose. Der Text stammt aus dem dritten Buch des Kanons, auch als Levitikus bezeichnet. Ältere vergleichbare Texte kennt man nur noch von den Schriftrollen vom Toten Meer.
"Völlig verblüfft hat uns, dass die Passagen in der En-Gedi-Rolle in allen Details genau mit dem Masoretischen Text übereinstimmen, sowohl was die Schreibweise als auch was die Einteilung der Absätze angeht", sagt Michael Segal von der Hebräischen Universität Jerusalem, der im Team an der Entzifferung der virtuellen Rekonstruktion arbeitete. Der Masoretische Text ist die ab dem 7. Jahrhundert standardisierte und vokalisierte Fassung der fünf Bücher Mose. Doch der zu Grunde liegende Text habe sich in 2000 Jahren kein bisschen verändert, so die Forscher. Die Schriftrolle von En Gedi stammt Radiokarbondatierungen zufolge aus dem 3. oder 4. Jahrhundert.
Bei der Lesbarmachung der Schriftrolle machten sich die Forscher zu Nutze, dass die antiken Tinten metallhaltig waren, so dass beschriebene Bereiche im Computertomografen heller erscheinen als unbeschriebene. Die Forscher rekonstruierten die Abfolge der einzelnen Pergamentschichten und isolierten alle zusammenhängenden Fragmente aus dem 3-D-Scan, entrollten sie und puzzelten sie anschließend zusammen. Erhalten sind zwei Spalten mit 18 Textzeilen, die ursprünglich 35 Zeilen lang waren.
Ähnlich schlecht erhaltene verbrannte Schriftrollen kennt man aus Herculaneum. Auch hier haben Forscher mit demselben Verfahren versucht, sie wieder lesbar zu machen. Die Scan-Methode bietet sich aber auch für alle anderen – verbrannten wie unverbrannten – Dokumente an, die zu brüchig sind, um sie aufzufalten. Im Rahmen des "Apocalypto Project" wollen Forscher damit beispielsweise zahllose versiegelte Privatbriefe aus dem 17. Jahrhundert lesen.
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