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News: Im Spiegel der Nachbarn

Stereotype Urteile über einzelne Völker scheinen sich aus den Konflikten und den Wirtschaftsbeziehungen zwischen den jeweiligen Nationen herzuleiten. Völker, die für ein bestimmtes Land keine Bedrohung darstellen, werden von den bestausgebildeten Jugendlichen des betreffenden Landes als "gerecht" empfunden. Diese Jugendlichen halten zudem die Bürger der wohlhabenden Nationen für "kompetent".
Dies ergab eine von der Universiteit Utrecht durchgeführte ausführliche Meinungsbefragung von mehr als tausend Jugendlichen aus Ost- und Mitteleuropa. Die Untersuchung wurde vom Bereich Sozial- und Verhaltenswissenschaften (MAGW) der Nederlandse Organisatie voor Wetenschappelijk Onderzoek (NWO) gefördert.

Im Rahmen des NWO-Projekts wurden elfhundert Jugendliche aus Rußland, Weißrußland, Polen, Bulgarien, Ungarn und der Tschechischen Republik gefragt, wie ehrlich, tolerant, aggressiv, ehrgeizig, ungeschickt, träge, effizient und intelligent Russen, Weißrussen, Polen, Bulgaren, Ungarn, Tschechen, Deutsche, Engländer und Italiener seien. Die Jugendlichen gehörten der Altersgruppe der 16 bis 18 Jahren an und besuchten die Oberstufe der Oberschule ihres Landes. Aufgrund statistischer Übereinstimmungen teilten die Sozialwissenschaftler die genannten Eigenschaften in eine Gruppe Kompetenz und eine Gruppe Moralität ein. Aus den Ergebnissen ging hervor, daß die Jugendlichen den einzelnen Nationen Kompetenz und Moralität nach Maßgabe der von ihnen an den entsprechenden Ländern beobachteten wirtschaftlichen Merkmale und der wahrgenommenen zwischenstaatlichen Interessengegensätze zusprachen.

Während das Zuerkennen des Stereotyps "Kompetenz" die wirtschaftliche Stärke einer Nation widerspiegelte, spiegelte die Eigenschaft "Moralität" die Beziehungen zu einer bestimmten Nation wider. Die wirtschaftliche Stärke einer Nation entspreche der Intelligenz ihrer Einwohner und der Effizienz der dortigen Arbeitsorganisation. Deutsche, Engländer und Italiener erreichen hohe Werte auf der Kompetenzskala, während Polen, Ungarn und Tschechen von den Jugendlichen als ungeschickter bezeichnet wurden. Russen, Weißrussen und Bulgaren wurden als am wenigsten kompetent empfunden.

Das Ausmaß, in dem einzelnen Nationen Ehrlichkeit, Toleranz, Aggressivität und Ehrgeiz zugesprochen wird, hängt von dem Grad der Bedrohung ab, der von der jeweiligen Nation ausgeht und der sich in Begriffe wie Größe, Nationalismus und Interessenkonflikte fassen läßt. Die Jugendlichen fanden im allgemeinen die Bevölkerung kleinerer Staaten, in denen meist wenig Nationalismus zu beobachten ist, ehrlicher, toleranter, weniger aggressiv und weniger ehrgeizig. Italiener, Russen und Deutsche werden für unmoralischer gehalten als Engländer, Tschechen, Ungarn, Weißrussen, Polen und Bulgaren.

Die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Osteuropa sorgten in diesen Ländern für eine Wiederbelebung des Nationalismus. Wahrscheinlich dürften nach dem bevorstehenden Wandel der europäischen Verhältnisse – nach dem Beitritt einer Reihe mittel- und osteuropäischer Staaten zur Europäischen Union und zur NATO – einzelne Nationen hinsichtlich Moralität und Kompetenz positiver beurteilt werden.

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