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Coronavirus-Impfung: Impfstoff schützt angeblich zu 90 Prozent

In einer klinischen Studie wirkt die Vakzine von BioNTech überraschend gut. Dabei basiert sie auf einer neuen Technik. Fachleute sind vorsichtig optimistisch.
Forscher testen Covid-19-Impfstoffkandidaten zwar schon an Menschen, aber nur in kleinen Gruppen.

Einer der am weitesten fortgeschrittenen Impfstoffe gegen Covid-19 senkt das Risiko einer Erkrankung offenbar um mehr als 90 Prozent. Das geht aus einer Pressemitteilung des Biotechnologie-Unternehmens BioNTech hervor, das derzeit den Impfstoffkandidaten BNT162b2 in einer klinischen Studie der Phase III testen lässt. Unter den knapp 40 000 Versuchspersonen, die beide Impfstoffgaben oder Placebo erhielten, seien dabei 94 laborbestätigte Fälle von Covid-19 aufgetreten. Das bestätige auch ein externes, unabhängiges Komitee, das die Verteilung der Fälle analysiert habe, heißt es in der Mitteilung des Unternehmens.

Fachleute beurteilen das vorläufige Resultat vorsichtig positiv. »Das sind interessante erste Signale«, sagte Marylyn Addo von der Uniklinik Hamburg-Eppendorf dem Science Media Center (SMC). Sie bemängelt aber, dass es bisher nur die Pressemitteilung gibt. »Es stehen noch keine Primärdaten zur Verfügung, und eine Peer-Review-Publikation steht noch aus.«

Wie entwickelt sich die Pandemie? Welche Varianten sind warum Besorgnis erregend? Und wie wirksam sind die verfügbaren Impfstoffe? Mehr zum Thema »Wie das Coronavirus die Welt verändert« finden Sie auf unserer Schwerpunktseite. Die weltweite Berichterstattung von »Scientific American«, »Spektrum der Wissenschaft« und anderen internationalen Ausgaben haben wir zudem auf einer Seite zusammengefasst.

Die beteiligten Unternehmen BioNTech und Pfizer haben trotz des Erfolgs angekündigt, vorerst keine Zulassung zu beantragen. Zunächst müsse eine Zahl von 164 nachgewiesenen Infektionen erreicht werden und die von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA für eine Notfallzulassung vorausgesetzten Sicherheitsdaten vorliegen. Das soll nach Angaben der Unternehmen in der dritten Novemberwoche der Fall sein. Auch wenn die Effektivität des Impfstoffes am Ende nicht die 90 Prozent der Voranalyse erreiche, werde sie auf jeden Fall noch deutlich über 50 Prozent liegen, sagte Eric Topol, Direktor des Scripps Research Translational Institute in La Jolla, California, gegenüber »Nature«.

»Die übergeordnete Botschaft ist, dass ein völlig neues Impfprinzip auf der Basis von passgenauen mRNA-Impfstoffen erstmalig seine Effektivität bewiesen hat«, sagte Clemens Wendtner, Infektiologe am Klinikum Schwabing in München, dem SMC. Die Nachbeobachtungszeit sei allerdings noch sehr kurz, erklärt er. Man dürfe Langzeitnebenwirkungen nicht aus dem Auge verlieren. Aber: »Zumindest kurzfristig war diese Vakzine sehr sicher.«

Der Impfstoff basiert, anders als klassische Vakzinen, nicht auf Teilen des Virus, sondern auf Erbgut. Der wirksame Bestandteil ist eine mRNA, ein Erbgutstrang, der den Bauplan des Spike-Proteins von Sars-CoV-2 enthält und in der Zelle direkt die Herstellung dieses Proteins einleitet. Die Sequenz wird nicht ins Erbgut eingebaut.

Wie die von der mRNA ausgelöste Immunreaktion genau aussieht, ist nicht klar und hängt auch von den Details des Impfstoffs ab. Vermutlich spielen dabei aber zwei wichtige Komponenten der Immunabwehr gegen Viren eine Rolle, die klassische Impfstoffe nicht hervorrufen.

Zum einen können Zellen fremde RNA erkennen und produzieren dann Interferone, die als Alarmsignal des Immunsystems wirken. Zum anderen präsentieren die Zellen kleine Teile des viralen Proteins an ihrer Außenseite, so dass sich eine Immunität durch T-Zellen und langlebige Gedächtniszellen bildet. Ein weiterer Vorteil der mRNA-Impfstoffe ist, dass sie leichter herzustellen sind als klassische Impfstoffe. »Das Herstellungsverfahren ist im Vergleich zu klassischen Impfstoffen sehr viel schneller und kann auch relativ schnell bei Auftreten von Virusmutationen angepasst werden«, erklärt Wendtner.

Bisher allerdings hatten auf Erbgut basierende Impfstoffe mit einer Reihe von Problemen zu kämpfen, und es gibt noch keinen für Menschen zugelassenen Impfstoff dieses Typs. Der von den beteiligten Unternehmen verkündete Erfolg war deswegen nicht unbedingt zu erwarten, zumal der Impfstoff einen weit größeren Anteil der Geimpften schützt, als Fachleute erhofft hatten. Andere entscheidende Fragen jedoch seien weiterhin offen, bemängelt Marylyn Addo: »Derzeit gibt es noch wenige Details über die genauen Daten, zum Beispiel bezüglich verschiedener Altersgruppen und in welchen Gruppen die 94 Fälle genau aufgetreten sind.«

Außerdem fehlten Informationen darüber, welche Erkrankungen der Impfstoff verhindert, erklärt Topol. Ob die Vakzine also auch schwere Verläufe stoppt, oder nur jene milden Infektionen verhütet, die ohnehin nach einigen Tagen wieder verschwinden. Bisher scheinen sich die Daten außerdem nur auf symptomatische Erkrankungen zu beziehen. Wichtig wäre außerdem zu wissen, ob die Impfung auch symptomlose Infektionen verhindert – und vor allem, dass Menschen ohne Symptome die Krankheit verbreiten.

Geklärt werden muss, wie schnell der Impfstoff tatsächlich in den nötigen Mengen produziert werden kann – und wer ihn bekommt. Sicher ist: es wird für eine ganze Weile nicht genug Impfstoff für alle geben. Derzeit diskutieren Fachleute verschiedene Strategien, begrenzte Mengen Vakzine möglichst effektiv zu nutzen. Zum Beispiel könnte man Mitarbeiter im Gesundheitswesen zuerst impfen, oder aber besonders gefährdete Gruppen. Eine weitere mögliche Schwierigkeit: Nach den vorliegenden Informationen muss die Vakzine auf unter -70 Grad Celsius gekühlt werden, was die Logistik zusätzlich komplizierter macht.

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