News: In 1,5 Millisekunden auf 200 Sachen
Viele Wirbeltiere, so auch der Mensch, umgeben große Teile ihrer elektrischen Verdrahtung mit mehreren Schichten des fettigen Myelins. Damit erreichen sie eine schnellere Übertragung von Nervenimpulsen über lange Strecken. Da es bei viel kleineren wirbellosen Tieren kaum große Entfernungen zu überbrücken gibt, war man bisher davon ausgegangen, daß für sie eine Myelin-Isolierung kaum von Interesse sein könnte. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Undinula vulgaris aus der Kaneohe Bay, Hawaii, zeigen nun, daß auch diese winzigen Wirbellosen die Antennennerven mit Myelinschalen umgeben. Zusätzlich entdeckten die Wissenschaftler, daß die Ruderfußkrebs-Art mit Myelinhüllen nur 1,5 Millisekunden braucht, um das lebensrettende Fluchtverhalten auszulösen, während eine Spezies ohne myelinisierte Nerven im Vergleich dazu 6 Millisekunden benötigt. Die Biologen veröffentlichten diese Ergebnisse in Nature vom 15. April 1999.
Die Myelinisierung verschafft den untersuchten Ruderfußkrebsen einen eindeutigen Vorteil über ihre Kollegen, wenn es darum geht, Räubern schnell zu entkommen. Deshalb sind sie in allen Ozeanen weit verbreitet, besonders in offenen Gewässern. Ruderfußkrebse ohne myelinisierte Nerven neigen hingegen dazu, sich im tieferen Ozean aufzuhalten, wo es weniger Räuber gibt.
Zudem scheint die Myelin-Isolierung bei Wirbellosen und Wirbeltieren unabhängig voneinander entstanden zu sein, da sie erst bei höher entwickelten Ruderfüßern auftritt – eine Erkenntnis, die Konsequenzen für unsere Vorstellung von der Evolution haben dürfte.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.