Astrophysik: In den Fängen des Schwarzen Lochs
Im Jahr 2011 entdeckten die Max-Planck-Astronomen eine Gaswolke, die auf einer nahezu radialen Umlaufbahn in Richtung des Schwarzen Lochs im Herzen der Milchstraße fällt. Neue, sehr empfindliche Daten wurden nun im April 2013 mit dem SINFONI-Instrument am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) aufgenommen und zeigen, dass ein Teil der Wolke seine größte Annäherung an das Schwarze Loch bereits hinter sich hat. Wenn das Gas am Schwarzen Loch vorbei fliegt, kehrt es seine Geschwindigkeit um. Die Emission von diesem Teil der Wolke erscheint daher aufgrund des Dopplereffekts nicht in den roten Bereich des Spektrums verschoben wie die Strahlung vom Rest der Wolke, sondern in den blauen.
"Das ionisierte Gas an der Spitze der Wolke ist nun über eine Strecke von mehr als 150 Lichtstunden, etwa 160 Milliarden Kilometer, verteilt. Es erstreckt sich um das Perizentrum der Umlaufbahn um das Schwarze Loch", sagt Stefan Gillessen vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der das Beobachtungsteam leitet. "Die größte Annäherung beträgt dabei nur etwa 25 Lichtstunden – oder etwas mehr als 25 Milliarden Kilometer." Dabei dürfe man sich das Passieren des Perizentrums, dem Bahnpunkt mit dem geringsten Abstand zum Schwarzen Loch, aber nicht als ein singuläres Ereignis vorstellen: Es sei vielmehr ein Prozess, der sich über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr erstreckt.
Frühere Schätzungen für die Umlaufbahn der Gaswolke hatten den nominalen Perizentrum-Durchgang für dieses Jahr vorhergesagt, während die neue Analyse eher einen Termin Anfang 2014 bevorzugt – ein Unterschied, der weniger als die Dauer des Ereignisses beträgt. Zusätzlich zu den aktuellen Beobachtungen analysierte das Team auch erneut Archivdaten der Wolke und erhielt auf diese Weise eine bessere Vermessung ihrer Umlaufbahn.
Die schnellsten Komponenten bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von 3000 Kilometer pro Sekunde (oder etwa zehn Millionen Kilometer pro Stunde), während der hellste Teil des Kopfs etwa 2180 Kilometer in der Stunde schnell ist. Am hinteren Ende scheint es einen weiteren Teil zu geben, der sich viel langsamer bewegt – mit Tempo 700 Kilometer pro Sekunde –, der aber auf derselben Umlaufbahn zu sein scheint.
"Die aufregendste Entdeckung für uns ist die Strahlung mit einer blau-verschobenen Geschwindigkeit von 3000 Kilometern pro Sekunde entlang der Bahn", sagt Stefan Gillessen. "Das bedeutet, dass ein Teil der Wolke bereits die größte Annäherung an das Schwarze Loch hinter sich hat." Dies könne auch Auswirkungen auf die Modelle für die Umlaufbahn der Gaswolke haben, da der hellste Teil des Kopfs möglicherweise nicht mehr vergleichbar sei mit jenem im Jahr 2012.
Messungen der Radialgeschwindigkeit scheinen diesen Verdacht zu bestätigen: Die Erhöhung der Geschwindigkeit ist geringer als erwartet, da die schnellsten Teilbereiche bereits auf die andere Seite des Schwarzen Loch gerast sind und somit nicht mehr zu der Geschwindigkeit des noch rot-verschobenen Teils beitragen.
Die neuen Daten werfen auch Licht auf die rätselhafte Herkunft der Gaswolke. Es wurden verschiedenste Optionen vorgeschlagen: Etwa eine Kollision zwischen Sternwinden und dem interstellaren Gas oder ein möglicher Plasmajet aus dem galaktischen Zentrum; oder auch ein schwacher Stern, der zunehmend Gas verliert. Auch wenn die Kompaktheit der Gaswolke für diese Szenarien überrascht, scheint die Form der Gezeitenkräfte gegen Modelle mit einem stellaren Kern zu sprechen, der ständig neues Gas liefern würde. Stattdessen scheint die Orientierung der Umlaufbahn einen Ursprung in der Scheibe von jungen, massereichen Sternen um das Schwarze Loch weiter außen zu begünstigen.
Mit vielen weiteren Beobachtungskampagnen wollen Astronomen die Region um das galaktische Zentrum in den nächsten Monaten intensiv überwachen. Das sollte genügend Daten bringen, um nicht nur weitere Parameter der Gaswolke einzuschränken, sondern auch interessante Informationen über die Umgebung des Schwarzen Lochs liefern. Die zunehmende Ausbreitung und die damit abnehmende Flächenhelligkeit des Gases wird eine solche Beobachtung jedoch erschweren, denn die Gaswolke wird immer weiter verblassen, während sie das Schwarze Loch passiert.
MPE / Red.
Anmerkung der Redaktion: Zu diesem Thema ist im Augustheft 2013 von "Sterne und Weltraum" ein ausführlicher Beitrag von Stefan Gillessen, Leiter des Forschungsteams dieser Untersuchungen, und dessen Kollegen Frank Eisenhauer erschienen. Es ist derzeit am Kiosk oder jederzeit online erhältlich.
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