News: In die Zange genommen
Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für Biochemie in Martinsried fanden nun heraus, dass sich Antikörper und Rezeptor ungefähr so verbinden, wie eine Zange einen Nagel umschließt (Nature vom 20. Juli 2000). Konkret öffnet sich der hufeisenförmige Fc-Teil des Antikörpers etwas und greift den Rezeptor wie zwischen zwei "Backen". Beide Proteine, Rezeptor und Antikörper, erkennen sich dabei nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip": Der Rezeptor verbindet sich nur mit Antikörpern der IgG-Klasse, und beispielsweise nicht mit solchen der IgE-Klasse.
Um die Röntgenstruktur dieses Proteinkomplexes zu bestimmen, hatten Robert Huber und seine Mitarbeiter eine Reihe von Hürden zu überwinden. Die Forscher setzen dazu einen Kunstgriff ein: Sie kristallisierten keinen gesamten Antikörper, sondern lediglich sein ziemlich starres Fc-Fragment, von dem schon biochemische Untersuchungen gezeigt hatten, dass es allein für eine Bindung des Fc-Rezeptors ausreichend ist. Analog dazu wurde auf der anderen Seite der Fc-Rezeptor durch gentechnische Methoden so verändert, dass ihm sein flexibler Teil fehlte, mit dem sich das Molekül normalerweise in der Membranen immunologisch aktiver Zellen verankert. Da alle Antikörper des Immunglobulins IgG und des Allergie auslösenden IgE sowohl ähnliche Sequenzen als auch entsprechende Fc-Rezeptoren besitzen, schließen die Wissenschaftler, dass auch in diesen Fällen die Antikörper-Rezeptor-Komplexe dem jetzt beschriebenen sehr ähnlich sind.
Mit diesem Wissen ist es nun möglich, auf der Röntgenstruktur aufbauend, maßgeschneiderte Medikamente zu entwickeln, die eine Wechselwirkung zwischen dem Antikörper und dem Fc-Rezeptor der Immunzelle blockieren und damit in der Lage sind, das Immunsystem "herunter" zu regulieren. "Im Fall einer Infektion ist dies natürlich nicht wünschenswert, aber in Fällen, wo das Immunsystem vom richtigen Weg abkommt. Also bei Allergien, wo auf im Prinzip harmlose Substanzen eine heftige, in manchen Fällen sogar lebensbedrohliche Immunreaktion erfolgt, nach Transplantationen, wo das Immunsystem sich gegen das neue Organ wehrt, oder bei Autoimmunerkrankungen, wo das Immunsystem körpereigene Stoffe angreift", erklärt Peter Sondermann, der ebenfalls am Projekt mitwirkte. Forscher sind davon überzeugt, dass ihre Entdeckung es in Zukunft ermöglichen wird, für ein derart aus dem Ruder gelaufenes Immunsystem spezifischere Therapien zu entwickeln.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 20.6.2000
"Freund oder Feind" - Spektrum Ticker vom 8.7.1999
"Alarm! Eindringlinge an Bord!"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist eine vorwiegend von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung der Grundlagenforschung. Sie betreibt rund achtzig Max-Planck-Institute.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.