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Berufsleben: In Großraumbüros schweigen Arbeitnehmer sich an

Sitzen viele Arbeitnehmer in einem Raum, fördert das die Kommunikation im Team – so ein beliebtes Argument von Großraumbüroanhängern. Doch nun zeigt sich: Eher das Gegenteil ist der Fall.
Großraumbüro

Beim Thema Großraumbüro scheiden sich bekanntlich die Geister: Viele Arbeitgeber finden sie super, zahlreiche Arbeitnehmer können der Idee, sich mit 10, 20 oder gar noch mehr Kollegen einen Raum zu teilen, hingegen nicht so viel abgewinnen. Ein Argument, das häufig für die gemeinschaftlichen Büroräume angeführt wird: Sie sollen die Kommunikation und die Kreativität im Team steigern. Zumindest Ersteres bleibt im realen Joballtag aber offenbar eher Wunschdenken. Das legt eine Studie von Ethan S. Bernstein und Stephen Turban von der Harvard University nahe.

Die beiden Wissenschaftler begleiteten insgesamt 152 Angestellte zweier großer US-Unternehmen, die bald von kleineren Büros in zwei offene Großraumbüros umziehen sollten. Um zu messen, wie oft die Teilnehmer sich von Angesicht zu Angesicht mit ihren Arbeitskollegen unterhielten, statteten die Forscher sie unter anderem mit kleinen Mikrofonen aus. Außerdem gewährte man Bernstein und Turban Zugriff auf die Server der Unternehmen, so dass sie nachverfolgen konnten, wie häufig die Probanden sich nebenbei elektronischer Kommunikationsmittel wie E-Mails und Instant Messenger bedienten. Auf diesem Weg überwachten sie die Kommunikation der Versuchspersonen für jeweils 15 Arbeitstage, bevor und nachdem diese ins Großraumbüro zogen. Dazwischen ließen die Forscher den Probanden rund drei Monate Zeit, damit diese sich zunächst an die veränderte Arbeitsumgebung gewöhnen konnten.

Nach dem Wechsel ins Großraumbüro, so das Ergebnis von Bernstein und Turban, unterhielten sich die Teilnehmer nicht etwa angeregter mit ihren Arbeitskollegen. Ganz im Gegenteil: Die Anzahl der persönlichen Gespräche ging in beiden Unternehmen um rund 70 Prozent zurück. Dafür schrieben sich die Probanden nun deutlich häufiger E-Mails und Sofortnachrichten – je nach Versuchsgruppe legten die elektronischen Kommunikationsmittel im Gegenzug um bis zu 50 Prozent zu.

Die Forscher vermuten, dass dieser Effekt zu Stande kommt, weil Arbeitnehmer versuchen, die Privatsphäre, die man ihnen durch den Umzug ins Großraumbüro ein Stück weit nimmt, auf anderem Weg wiederzuerlangen. Entsprechend setzen sich viele Betroffenen dicke Kopfhörer auf, um den Umgebungslärm auszublenden, oder versuchen, möglichst beschäftigt zu wirken, wenn sie durchgehend bei der Arbeit beobachtet werden können – und signalisieren dadurch automatisch auch weniger direkte Kommunikationsbereitschaft. Zudem könnte es vielen unangenehm sein, ein hitziges Gespräch vor den Augen und Ohren der versammelten Abteilungskollegen zu führen oder diese womöglich durch häufige Unterhaltungen zu stören. In E-Mails bleiben Gesprächsinhalte hingegen auch trotz fehlender Trennwände privat.

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