Challenger-Katastrophe: In Memoriam: US-Raumfähre Challenger, 28. Januar 1986
Mitte der 1980er Jahre schien es, als sei die bemannte Raumfahrt so weit Routine geworden, dass sogar Passagiere an Bord der US-Raumfähren mitreisen konnten. Eine Passagierin, Christa McAuliffe, sollte als Schullehrerin Unterrichtsstunden aus dem All halten, um damit die Jugend der USA für Wissenschaft und Technik zu begeistern. Mitfliegen sollte sie beim 25. Flug einer US-Raumfähre, der Mission STS-51L mit dem Orbiter Challenger. Der Start war für Januar 1986 geplant.
Technische Probleme und schlechtes Wetter führten immer wieder zu Startverzögerungen, bis es schließlich am 28. Januar 1986 so weit war: Strahlend blauer Himmel erstreckte sich über dem Startkomplex 39B im US-Bundesstaat Florida und der Countdown verlief ohne größere Probleme. Um 17:38 Uhr MEZ (11:38 Uhr Ortszeit) erwachten die drei Haupttriebwerke zum Leben, wenige Sekunden später zündeten die beiden Feststoffraketenmotoren, die Booster, und Challenger stieg in den blauen Himmel empor. An Bord befanden sich neben Christa McAuliffe noch die Berufsastronauten Richard Scobee, Michael J. Smith, Judith Resnik, Ellison Onizuka, Ronald McNair und der Nutzlastspezialist der Firma Hughes Aircraft, Gregory Jarvis.
Alles schien glatt zu laufen, es schien ein Routinestart zu werden. Die Raumfähre drehte sich nach dem Start um ihre Vertikalachse in die Sollposition ihrer Bahn, die Bodenkontrolle und Astronauten tauschten ihre Routineansagen über den Flugverlauf aus. 43 Sekunden nach dem Abheben wurden die drei Haupttriebwerke auf 65 Prozent ihres Normalschubs gedrosselt, um die aerodynamische Belastung der Raumfähre unter einem Maximalwert zu halten. 68 Sekunden nach dem Start meldet die Bodenstation in Houston, Texas: "Challenger, go at throttle up.", "Challenger, ihr könnt den Schub wieder hochfahren."
Der Kommandant der Raumfähre, Richard Scobee bestätigt: "Roger, go at throttle up." Dies war der letzte verständliche Satz von der Besatzung. Denn nur fünf Sekunden später brach die Raumfähre in einem gewaltigen Feuerball auseinander, die Feststoffbooster hatten die Explosion überstanden und strebten taumelnd weiter nach oben. Gleichzeitig begannen Trümmer aus 15 Kilometer Höhe auf den Ozean vor Florida herabzuregnen.
Für wenige Sekunden hatte die Bodenkontrolle in Houston nichts von dem Vorfall mitbekommen und die Flugingenieure spulten ihre Routineansagen ab, bis ihr Sprecher plötzlich abbrach und sagte: "Die Flugkontrolleure hier beobachten sehr genau die Situation. Offenbar eine schwere Fehlfunktion." Dies sollte sich als Untertreibung des Jahres herausstellen, denn das Schicksal der sieben Astronauten war besiegelt, sie kamen alle bei dem Unfall um.
Was war geschehen?
Schon bald nach dem Start wurde durch eine vom US-Präsidenten Ronald Reagan eingesetzte Untersuchungskommission die Ursache gefunden. Mitglied der Kommission und Nobelpreisträger Richard Feynman machte es ganz deutlich: Die zum Abdichten der Ringsegmente der Feststoffbooster verwendeten Gummidichtungen in Ringform waren bei den tiefen Außentemperaturen am Starttag spröde und unelastisch. Zwei der Dichtungen zwischen zwei Segmenten des rechten Feststoffboosters der Raumfähre hatten deshalb versagt. So konnten heiße Gase aus dem Inneren der Feststoffrakete austreten. Sie wirkten wie die Flamme eines Schneidbrenners und brannten ein Loch in den Wasserstofftank der Raumfähre und zerstörten gleichzeitig die untere Befestigung des Boosters am Tank. Auf Fernsehbildern des Flugverlauf lassen sich ab 15 Sekunden vor der Explosion die aus dem Booster schlagenden Flammen deutlich erkennen.
Rund 73 Sekunden nach dem Abheben brach die untere Haltestrebe zum Tank, gleichzeitig wurde der Wasserstofftank weit aufgerissen. Die Rakete drehte sich um ihre obere Befestigung und riss dabei auch den Tank mit dem flüssigen Sauerstoff auf. Die flüssigen Gase vermischten sich, zündeten und durch die Stoßwelle der Explosion brach der auf dem Tank sitzende Orbiter auseinander.
Erst im weiteren Verlauf der Untersuchungen stellte sich noch ein schreckliches Detail der Katastrophe heraus: Die besonders stabil gebaute Druckkabine, in der sich die Astronauten befanden, hatte die Explosion weitgehend unbeschädigt überstanden und stürzte aus 15 Kilometer Höhe ins Meer. Die NASA konnte nie klären, ob die Astronauten von dem Sturz noch etwas bewusst mitbekamen, oder ob Druckverlust und heftige Bewegungen während der Explosion Bewusstlosigkeit auslösten. Sicher ist jedoch, dass die Astronauten erst beim harten Aufprall auf die Wasseroberfläche starben.
Konsequenzen
Nach der Katastrophe kam es zu mannigfachen Änderungen im Spaceshuttle-Programm der NASA und es sollte mehr als zweieinhalb Jahre dauern, bis sich am 9. September 1988 wieder eine US-Raumfähre auf den Weg in die Erdumlaufbahn machte. Letztlich lagen der Challenger-Katastrophe aber nicht nur technische Probleme zu Grunde, vor allem hatte das Management des Raumfähren-Programms völlig versagt.
Vor dem Start gab es Warnungen von Ingenieuren der Firma Morton-Thiokol, dem Hersteller der Feststoffbooster, die wegen der ungewöhnlich tiefen Temperaturen im sonst tropischen Florida beunruhigt waren. In der Nacht vor dem 28. Januar 1986 waren die Temperaturen deutlich unter den Nullpunkt gefallen. Die Ingenieure befürchteten – zu Recht – dass wegen der tiefen Temperaturen die Dichtungsringe zwischen den Segmenten der Feststoffbooster zu steif waren, um sicher abzudichten. Diese Warnungen wurden aber vom Management nicht ernst genommen, so dass die Katastrophe ihren Lauf nahm.
Die Zeit um den Monatswechsel von Januar auf den Februar ist für die US-Raumfahrtbehörde NASA eine schlechte Zeit, denn alle ihre größten Katastrophen ereigneten sich Ende Januar oder Anfang Februar. Am 27. Januar 1967 starben drei Astronauten durch ein Feuer in der Apollo-Raumkapsel, das während eines simulierten Countdowns ausbrach.
Fast auf den Tag genau 19 Jahre später explodierte die Challenger am 28. Januar 1986. Wiederum 17 Jahre später, am 1. Februar 2003, brach die Raumfähre Columbia in 70 Kilometer Höhe über dem US-Bundesstaat Texas beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinander, wobei ebenfalls sieben Astronauten starben. Damit verlor die NASA seit dem Beginn der bemannten Raumfahrt 17 Astronauten, während Russland im gleichen Zeitraum vier Todesopfer beklagen musste.
Tilmann Althaus
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