Nutzpflanzen im alten Amerika: In Nordamerika gediehen die ältesten Kartoffelknollen
Kartoffeln standen bei den frühen nordamerikanischen Ureinwohnern schon vor über 10 000 Jahren auf dem Speisezettel, berichten Forscher in "PNAS": Sie entdeckten Stärkereste der nahrhaften Knolle auf Mahlwerkzeugen, die in alten indianischen Siedlungsorten im US-Bundestaat Utah ausgegraben wurden. Die Knollenspuren sind damit die nunmehr ältesten Belege der Nutzpflanze in Amerika: Die ältesten Nachweise aus Peru sind rund 3000 Jahre jünger.
Archäologen und Historiker haben gewisse Probleme, die Bedeutung von Kartoffeln in der Nahrung früher Bauernkulturen einzuschätzen, denn die weichen Knollen hinterlassen anders als etwa Getreidekörner seltener eindeutig identifizierbare Spuren. Lisbeth Louderback und Bruce Pavlik von der University of Utah waren daher selbst überrascht, auffällige Stärkekörner an typischen Mahlwerkzeugen verschieden alter Kulturen Nordamerikas eindeutig der Wildkartoffel Solanum jamessii zuordnen zu können. Diese Körner zeichnen charakteristische morphologische Merkmale aus – so liegt etwa der Bildungskern der konzentrisch im Korn abgelagerten Stärkeschichten bei S. jamessii typisch asymmetrisch. Das konnten die Wissenschaftler mit Hilfe eines Algorithmus bei 9 von 323 Stärkekörnern eindeutig bestätigen, die an 23 unterschiedlich alten Mahlwerkzeugen gefunden wurden. Solche artspezifischen Merkmale – meist allerdings aus harten und daher häufig gemahlenen Getreidekörnern – nutzen Archäologen oft zur Bestimmung alter Nutzpflanzenreste.
Die wilde Kartoffel wurde den Analysen zufolge demnach schon mindestens 8000 v. Chr. von den Bewohnern der North Creek Shelter in Utah verarbeitet – und war dann rund 4000 Jahre lang immer wieder einmal, allerdings nicht durchgängig, Teil des Speiseplans von vor Ort heimischen Menschen. Besonders intensiv nutzen die Siedler die Kartoffel dabei in einem paläoamerikanischen Forschern schon vertrauten Zeitfenster vor 9330 bis 8500 Jahren – einer Trockenperiode, in welcher der Ackerbau im gesamten Westen Nordamerikas boomte.
Offenbar war die Wildkartoffel Solanum jamessii von Menschen aus dem Süden Nordamerikas eingeführt worden, wo die Pflanze noch heute häufig auch wild wächst. Weiter im Norden wie in Utah – die Fundstelle liegt auf fast 1900 Meter Höhe – findet man sie dagegen nur in vereinzelten Populationen, die auffallend oft in der Nähe altamerikanischer Ausgrabungsstätten liegen. Historische Aufzeichnungen legen nahe, dass das Escalante-Valley bei den North Creek Shelter einst ein offenbar beliebtes Anbaugebiet war: Durchwandernde Soldaten und Pioniere berichten im 19. Jahrhundert vom "Potato Valley", in dem offenbar bis zur großen Depression der 1930er Jahre Wildkartoffeln den Speiseplan bereicherten.
Die vergleichsweise protein- und mineralreiche S.-jamessii-Kartoffel wurde allerdings im gesamten Südwesten der USA seit prähistorischen Zeiten von verschiedenen Stämmen kultiviert, etwa den Apachen, Navajo und Hopi und auch von den bis heute im Süden Utahs siedelnden Paiute. Die getrocknete Knolle wird dabei oft zu Kartoffelmehl gemahlen und – wegen ihres hohen Anteils an bitteren Glycoalkaloiden – mit Tonerden gemischt, die den Geschmack mildern. Anders als in den bevölkerungsreichen Hochkulturen in Südamerika gab es im Norden aber wohl keine großflächige und intensive Domestizierung der Kartoffel, die am Ende die heute dominante Art Solanum tuberosum hervorgebracht hat.
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