Direkt zum Inhalt

News: In Zwergschimpansen-Gesellschaften geben Frauen den Ton an

Mit 99-prozentiger genetischer Übereinstimmung sind Bonobos (Pan paniscus) oder Zwergschimpansen die am nähesten zum Menschen stehende Primatenart: Im Gegensatz zur menschlichen Gesellschaft und den meisten anderen bekannten Tierarten geben in der Bonobo-Population allerdings eindeutig die Frauen den Ton an: Eine Grazer Biologin untersuchte, wie die untergeordneten Tiere mit der weibliche Dominanz zurande kommen.
"Die Überlegenheit der Bonoboweibchen gründet auf dem engen Zusammenhalt der weiblichen Individuen", erklärt Cornelia Franz vom zoologischen Institut der Universität Graz. Gegen diesen Zusammenschluß haben auch die an Körperkraft überlegenen Bonobomännchen keine Chance. Über besonders hingebungsvolle Fellpflegedienste versuchen rangniedrige Tiere jedoch unentwegt die Gunst der tonangebenden Frauen zu erringen. Die Weibchen wiederum quittieren die Liebesdienste der Rangniederen mit Unterstützung bei Konflikten und sorgen dafür, daß die "Vasallen" auch bei der Nahrungsaufteilung nicht zu kurz kommen.

Über 1000 Stunden lang hat die Biologin in drei europäischen Zoos die Tagesaktivitäten der zierlichen Schimpansenart untersucht. Abgesehen von den bekannten intensiven sexuellen Aktivitäten – Bonobos reagieren bei geringsten Spannungen in der Gruppe mit einem breiten Repertoire an sexuellen Handlungen und halten so grobe Konflikte im äußersten Minimum – hat die Zoologin rund 20 Verhaltensmuster beobachtet: So etwa beschwichtigen sich Kontrahenten durch gegenseitiges "Zähneblecken" – einer Verhaltensweise, die dem menschlichen Lächeln nahekommt, so Franz. Nach ausgetragenem Konflikt betteln sie mit dem "hand out" – der ausgestreckten Hand – um Versöhnung oder Tröstung. Niederrangige Individuen nehmen Kontakt mit dominierenden Bonobos auf, indem sie ihnen aus einem Abstand von wenigen Zentimetern kurz und intensiv in die Augen sehen.

Nach diesem ersten tiefen Blick setzt meist die intensive Pflege des Felles der dominierenden Tiere ein: Dabei gibt sowohl die Länge der Pflegesitzung, die gepflegten Körperstellen als auch die Häufigkeit der Handlung Auskunft über die Stellung des "Pflegers" zum "Gepflegten". "Niederrangige Tiere pflegen Höherrangige öfter am Rücken und Hinterkopf, höher angesehene Tiere hingegen bevorzugen die Vorderseite und das Gesicht der untergeordneten Tiere", so Franz. "Erwachsene Weibchen erfahren signifikant mehr Fellpflege als junge Weibchen oder gar rangniedrige Männchen", so die Zoologin. Pflegekontakte unter den Weibchen wurden besonderes nach der Integration eines Männchens in die Gruppe intensiviert, was auf die mögliche Bedeutung dieses Verhaltens für die Aufrechterhaltung weiblicher Allianzen hinweist.

Im Regenwald südlich des Flusses Zaire in der Republik Kongo liegt das einzige Verbreitungsgebiet der auf 10 000 bis 20 000 Individuen geschätzten Bonobopopulation. Die unsichere politische Situation und der Unwegsamkeit des Geländes mache die Freilandbeobachtung der Tiere äußerst schwierig, so Franz. In Mitteleuropa sind die Bonobos, die erst im den 30er Jahren als eigene Art erkannt wurden, in den Zoos von Planckendael, Apenheul sowie Wuppertal, Frankfurt, Stuttgart und Leipzig zu beobachten.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.