Angemerkt!: Serengeti kommt unter die Räder
Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern um Andrew Dobson von der Princeton University und Markus Borner von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt schlägt in "Nature" Alarm, weil ein Infrastrukturprojekt schwere Schäden am Ökosystem der Serengeti anrichten könnte. spektrumdirekt veröffentlicht diesen Kommentar in einer exklusiven Übersetzung.
Tansania muss Pläne stoppen, die eine 50 Kilometer lange, zweispurige Fernstraße mitten durch die Serengeti vorsehen. Ansonsten droht ein Desaster für den Naturschutz, da die Straße die jährliche Wanderung der Gnus massiv einschränkt. Beispiele aus anderen Regionen zeigen, dass ziehende Tierarten durch derartige Eingriffe empfindlich getroffen werden und drastische Bestandseinbußen erleiden. In der Folge könnte die Serengeti ökologisch zusammenbrechen – und womöglich zu einer Quelle für klimarelevante Treibhausgase werden.
Eine alternative Straßenführung wäre möglich. Sie würde das Welterbe Serengeti nicht queren – jenen Ort, an dem die Menschen wohl ihre ersten Schritte machten und der Schauplatz einer der letzten großen Tierwanderungen der Erde ist. Wirtschaftliche und ökologische Schäden ließen sich jedenfalls weit gehend vermeiden, wenn die Straße südlich vom Ngorongoro-Schutzgebiet verliefe. Sie brächte den Menschen vor Ort auch am meisten.
Dominoeffekt
Die Serengeti wird von großen wandernden Säugetieren entscheidend beeinflusst; Langzeitstudien belegten vielfach exemplarisch den Einfluss dieser Arten auf das Ökosystem. Die fruchtbaren Vulkanböden bringen nach der Regenzeit satte Weidegründe hervor, die Gnus, Zebras oder Gazellen und ihrem Nachwuchs nahrhaftes Futter bieten. Mit Beginn der Trockenzeit ziehen die Herden den Regenfällen ins südliche Kenia hinterher, wo Wasser und frische Nahrung locken. Diese rund zwei Millionen Grasfresser ernähren wiederum viele Raubtiere wie Löwen, Geparden und Wildhunde, die hier in bedeutender Zahl vorkommen.
Jedes Jahr wechseln 1,5 Millionen Huftiere auf ihrem Weg nach Norden und später wieder nach Süden über den geplanten Verlauf der Straße. In trockeneren Jahren überqueren sie die Linie sogar mehrfach, um den lokalen Regenfällen zu folgen. Dieses Verhalten gefährdet den Verkehr und birgt ein beträchtliches Unfallpotenzial mit zahlreichen menschlichen und tierischen Opfern. Der vorgeschlagene Straßenverlauf zerteilt zudem die erst jüngst wieder im Park angesiedelten Wildhund- und Nashornpopulationen. Damit verringern sich die Aussichten, dass sich wieder überlebensfähige Bestände etablieren.
Ende vom Tierparadies
Bodenwellen im tansanischen Mikumi-Nationalpark und Grünbrücken in Banff verringerten zwar die Zahl der Wildunfälle; sie kosteten jedoch mehrere Millionen Dollar, verlangsamen den Verkehr nicht wirklich oder werden selten genutzt. In Banff laufen nur wenige hundert Hirsche und selten Raubtiere über die Brücken. Kein Übergang besitzt jedoch die Kapazität, Millionen Zebras und Gnus den sicheren Wechsel zu ermöglichen.
Insgesamt stellten sich dann wieder Bedingungen wie gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein: Rinderpestepidemien hatten die Gnuherden massiv dezimiert. Weniger Wildtiere lebten im Park, Raubtiere waren selten, und jedes Jahr brannten mehr als 80 Prozent der Fläche der Serengeti.
Und noch weitere Veränderungen drohen: Die Straße erleichtert invasiven Tier- und Pflanzenarten oder Krankheitserregern, in den Park vorzudringen. Sie verändert womöglich die Hydrologie des Gebiets, erhöht die Erosion und beeinflusst die Vegetation in ihrem Einflussbereich. Fahrzeuge setzen Schadstoffe wie Blei und andere Schwermetalle frei, die sich während der Trockenzeit anreichern und in der Regenzeit Bäche und Flüsse verseuchen. Außerdem verschaffen Straßen Wilderern besseren Zugang und ziehen Siedler an, die das Konfliktpotenzial zwischen Mensch und Tier weiter mehren.
Die bessere Alternative
Dabei gäbe es eine hervorragende Alternative: eine Route, die die Serengeti außerhalb der Parkgrenzen an der Südseite umgeht und den Viktoriasee mit der Stadt Arusha sowie der Küste verbindet. Sie würde rund 2,3 Millionen Menschen den Zugang zu den Märkten ermöglichen, während eine Straße im Norden nur etwa 430 000 Menschen erreicht. Der südliche Weg wäre insgesamt zwar etwa 50 Kilometer länger, und es müssten mehr als 150 Kilometer neue Straßen gebaut werden (im Norden 120 Kilometer). In unserem Vorschlag könnte man jedoch auf ein bereits vorhandenes ausgedehntes Netz an Schotterpisten zurückgreifen und so die Kosten reduzieren. Außerdem umginge man hier die steilen Klippen des Rift Valley. Mit der südlichen Alternative fördert man die ländliche Entwicklung Tansanias, ohne dem Tourismus zu schaden, an dem sechs Prozent aller Arbeitsplätze hängen und der dem Land allein im Jahr 2005 Einnahmen von mehr als 800 Millionen US-Dollar bescherte – ein knappes Viertel aller Deviseneinkünfte.
Das durchschnittliche Bruttonationaleinkommen Tansanias beträgt nur 350 Dollar pro Jahr, mehr als 95 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Diese Menschen benötigen natürlich eine bessere Infrastruktur. Naturtourismus bildet jedoch einen der Grundpfeiler der tansanischen Ökonomie – mit der Serengeti (neben dem Kilimandscharo) als Zugpferd.
Wir bitten die tansanische Regierung und alle Entscheidungsträger daher dringend, den Bau der wirtschaftlich wie ökologisch vernünftigen Straße auf der Südroute zu erwägen. Auch sie würde das Landesinnere erschließen. Gleichzeitig erkennt sie aber den globalen Wert des Serengeti-Ökosystems an – eines der letzten großen Naturwunder der Erde.
Während der letzten 20 Jahre diskutierten die Verantwortlichen immer wieder eine leistungsfähige Verbindung zwischen der tansanischen Küste, dem Viktoriasee und den zentralafrikanischen Staaten Uganda, Ruanda, Burundi und dem Kongo. Nun steigt der politische Druck, diese Straße zu verwirklichen, da in Tansania nächsten Monat Wahlen anstehen. Zudem wächst das internationale Interesse an den lokalen Bodenschätzen.
Eine alternative Straßenführung wäre möglich. Sie würde das Welterbe Serengeti nicht queren – jenen Ort, an dem die Menschen wohl ihre ersten Schritte machten und der Schauplatz einer der letzten großen Tierwanderungen der Erde ist. Wirtschaftliche und ökologische Schäden ließen sich jedenfalls weit gehend vermeiden, wenn die Straße südlich vom Ngorongoro-Schutzgebiet verliefe. Sie brächte den Menschen vor Ort auch am meisten.
Dominoeffekt
Die Serengeti wird von großen wandernden Säugetieren entscheidend beeinflusst; Langzeitstudien belegten vielfach exemplarisch den Einfluss dieser Arten auf das Ökosystem. Die fruchtbaren Vulkanböden bringen nach der Regenzeit satte Weidegründe hervor, die Gnus, Zebras oder Gazellen und ihrem Nachwuchs nahrhaftes Futter bieten. Mit Beginn der Trockenzeit ziehen die Herden den Regenfällen ins südliche Kenia hinterher, wo Wasser und frische Nahrung locken. Diese rund zwei Millionen Grasfresser ernähren wiederum viele Raubtiere wie Löwen, Geparden und Wildhunde, die hier in bedeutender Zahl vorkommen.
Schlüsseltiere der Serengeti sind die 1,3 Millionen Gnus – von ihnen hängen Zahl und Vielfalt aller anderen Arten ab. Sie gebären jährlich eine halbe Million Kälber, die etwa die Hälfte der frischen Gräser konsumieren. Jeden Tag scheiden die Herden 500 Lastwagenladungen Dung und 125 Tanklastzugfüllungen Urin aus, was dem Ökosystem wieder wertvollen Dünger zuführt. Ihr Pflanzenkonsum entzieht der Natur Brennmaterial und mindert dadurch das Feuerrisiko für die Bäume der Savanne. Auf der anderen Seite bewahren sie offene Flächen, indem sie junge Bäume zertrampeln.
Jedes Jahr wechseln 1,5 Millionen Huftiere auf ihrem Weg nach Norden und später wieder nach Süden über den geplanten Verlauf der Straße. In trockeneren Jahren überqueren sie die Linie sogar mehrfach, um den lokalen Regenfällen zu folgen. Dieses Verhalten gefährdet den Verkehr und birgt ein beträchtliches Unfallpotenzial mit zahlreichen menschlichen und tierischen Opfern. Der vorgeschlagene Straßenverlauf zerteilt zudem die erst jüngst wieder im Park angesiedelten Wildhund- und Nashornpopulationen. Damit verringern sich die Aussichten, dass sich wieder überlebensfähige Bestände etablieren.
Die fertige Straße und ein jeweils angrenzender 50 Meter breiter Streifen unterstehen dann nicht mehr der Zuständigkeit des Nationalparks. Die Verwaltung hat daher keine Handhabe, Nachtfahrten zu untersagen oder Missachtungen des Tempolimits zu ahnden. Kommt es zu schweren Zusammenstößen, ertönt wohl rasch der Ruf nach Einzäunungen wie im kanadischen Banff-Nationalpark. Zäune und Straßen zerstörten jedoch erst in der jüngeren Vergangenheit 6 der letzten 24 noch vorhandenen, landgebundenen Tierwanderungen – etwa in Banff, dem Etosha-Nationalpark in Namibia oder dem Kgalagadi-Schutzgebiet in Botswana. Überall büßten die Ökosysteme am Ende einen Teil ihrer Artenvielfalt und Produktivität ein.
Ende vom Tierparadies
Bodenwellen im tansanischen Mikumi-Nationalpark und Grünbrücken in Banff verringerten zwar die Zahl der Wildunfälle; sie kosteten jedoch mehrere Millionen Dollar, verlangsamen den Verkehr nicht wirklich oder werden selten genutzt. In Banff laufen nur wenige hundert Hirsche und selten Raubtiere über die Brücken. Kein Übergang besitzt jedoch die Kapazität, Millionen Zebras und Gnus den sicheren Wechsel zu ermöglichen.
Computermodelle deuten an, dass weniger als 300 000 Gnus übrig bleiben könnten, wenn ihnen der Zugang zum Wasser des Mara-Flusses in Kenia verwehrt wird. Die zurückgehende Beweidung erleichtert Brände, die die Qualität der Weidegründe verschlechtern, weil sich Nährstoffe in Rauch auflösen. Noch sind Bäume und Böden der Serengeti eine Kohlenstoffsenke, die Umwälzungen könnten sie zu einer CO2-Quelle werden lassen.
Insgesamt stellten sich dann wieder Bedingungen wie gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein: Rinderpestepidemien hatten die Gnuherden massiv dezimiert. Weniger Wildtiere lebten im Park, Raubtiere waren selten, und jedes Jahr brannten mehr als 80 Prozent der Fläche der Serengeti.
Und noch weitere Veränderungen drohen: Die Straße erleichtert invasiven Tier- und Pflanzenarten oder Krankheitserregern, in den Park vorzudringen. Sie verändert womöglich die Hydrologie des Gebiets, erhöht die Erosion und beeinflusst die Vegetation in ihrem Einflussbereich. Fahrzeuge setzen Schadstoffe wie Blei und andere Schwermetalle frei, die sich während der Trockenzeit anreichern und in der Regenzeit Bäche und Flüsse verseuchen. Außerdem verschaffen Straßen Wilderern besseren Zugang und ziehen Siedler an, die das Konfliktpotenzial zwischen Mensch und Tier weiter mehren.
Der Bau der Straße soll 2012 beginnen, schon jetzt wurden die ersten Markierungen gesetzt. Bereits vor 15 Jahren hatte man eine Straße durch das Ngorongoro- und Serengeti-Schutzgebiet erwogen, doch wurden die Pläne wegen der zu erwartenden Umweltschäden verworfen. Nach der letzten Wahl im Jahr 2005 versprach Präsident Jakaya Kikwete eine neue Verbindung zwischen der Küste und dem Viktoriasee. Zwei daraufhin erstellte Gutachten bestätigten, dass eine Fernstraße durch die Serengeti das Ökosystem ruinieren würde. Sie gefährde den Welterbestatus und beeinträchtige den Tourismus empfindlich, so der Tenor.
Die bessere Alternative
Dabei gäbe es eine hervorragende Alternative: eine Route, die die Serengeti außerhalb der Parkgrenzen an der Südseite umgeht und den Viktoriasee mit der Stadt Arusha sowie der Küste verbindet. Sie würde rund 2,3 Millionen Menschen den Zugang zu den Märkten ermöglichen, während eine Straße im Norden nur etwa 430 000 Menschen erreicht. Der südliche Weg wäre insgesamt zwar etwa 50 Kilometer länger, und es müssten mehr als 150 Kilometer neue Straßen gebaut werden (im Norden 120 Kilometer). In unserem Vorschlag könnte man jedoch auf ein bereits vorhandenes ausgedehntes Netz an Schotterpisten zurückgreifen und so die Kosten reduzieren. Außerdem umginge man hier die steilen Klippen des Rift Valley. Mit der südlichen Alternative fördert man die ländliche Entwicklung Tansanias, ohne dem Tourismus zu schaden, an dem sechs Prozent aller Arbeitsplätze hängen und der dem Land allein im Jahr 2005 Einnahmen von mehr als 800 Millionen US-Dollar bescherte – ein knappes Viertel aller Deviseneinkünfte.
Das durchschnittliche Bruttonationaleinkommen Tansanias beträgt nur 350 Dollar pro Jahr, mehr als 95 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen. Diese Menschen benötigen natürlich eine bessere Infrastruktur. Naturtourismus bildet jedoch einen der Grundpfeiler der tansanischen Ökonomie – mit der Serengeti (neben dem Kilimandscharo) als Zugpferd.
Die geplante Straße könnte dagegen zum Kollaps einer der größten, noch vorhandenen Tierwanderungen der Erde führen. Das Ende dieses Schauspiels wäre ein bedauerlicher Verlust für dieses Land, das seit Langem zu den führenden Staaten im Naturschutz gehört.
Wir bitten die tansanische Regierung und alle Entscheidungsträger daher dringend, den Bau der wirtschaftlich wie ökologisch vernünftigen Straße auf der Südroute zu erwägen. Auch sie würde das Landesinnere erschließen. Gleichzeitig erkennt sie aber den globalen Wert des Serengeti-Ökosystems an – eines der letzten großen Naturwunder der Erde.
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