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Verhaltensforschung: Schlaue Hunde haben ähnliche Denkmuster wie Menschen

Zeigt man auf ein Objekt, deuten das viele Hunde als Richtungszeichen. Lange war unklar, ob das an ihrer schlechten Sicht liegt. Offenbar hängt das Verhalten aber mit ihrer Intelligenz zusammen.
Großer Hund und kleiner Hund
Nicht alle Hunde sind gleich schlau. Intelligentere Hunderassen scheinen objektbezogene Informationen wie wir Menschen besser verarbeiten zu können.

Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Eine typisch menschliche Eigenschaft ist die objektbezogene Aufmerksamkeit: Selbst Kleinkinder im Alter von neun Monaten blicken auf ein Objekt, wenn man mit dem Finger darauf deutet. Viele Tiere wie Hunde interpretieren die Geste hingegen als Richtungshinweis und schenken dem Objekt keine Beachtung. »Dieses Phänomen wurde schon früher bei Hunden in verschiedenen Verhaltenstests beobachtet, aber es wurde noch nie direkt untersucht«, erklärt der Verhaltensbiologe Ivaylo Iotchev von der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest. Somit war bisher unklar, ob diese »räumliche Verzerrung« bei Hunden durch ein vermindertes Sehvermögen entsteht oder ob für eine objektbezogene Aufmerksamkeit besondere kognitive Fähigkeiten nötig sind. Wie Iotchev zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen nun zeigen konnte, scheinen intelligente Hunderassen eine geringere räumliche Verzerrung aufzuweisen – und damit ein ähnliches Auffassungsvermögen wie Menschen zu besitzen.

In der am 19. November 2023 im Fachmagazin »Ethology« erschienen Studie haben die Fachleute mehrere Versuche mit 82 Hunden verschiedener Rassen (unter anderem 19 Border Collies, 17 Kurzhaarige Ungarische Vorstehhunde und sechs Whippets) durchgeführt. Für die erste Aufgabe sollten die Tiere eine ortsbezogene Information lernen: Den Tieren wurden zwei identische Teller – einer wurde rechts im Raum platziert, der andere links – präsentiert, wobei sich immer nur auf der einen Seite des Raums ein Leckerli befand. Die Hunde hatten 50 Versuche, um zu lernen, dass sie das Fressen immer nur auf dem rechten beziehungsweise linken Teller fanden. Ihr Erfolg wurde daran gemessen, wie schnell sie zum richtigen Teller liefen.

Das Experiment wurde anschließend mit zwei unterschiedlichen Tellern wiederholt: einem weißen runden und einem eckigen schwarzen. In diesem Fall befand sich das Leckerli immer auf demselben Teller, dieser konnte aber mal im rechten und mal im linken Bereich des Raums sein. Wieder hatten die Tiere 50 Versuche, um die objektbezogene Information zu lernen.

In diesen zwei Experimenten zeigte sich die räumliche Verzerrung der Tiere: Die Hunde lernten in der Regel schneller, ob ein Leckerli immer auf dem rechten oder linken Teller zu finden ist, als dass sie das Fressen mit einem spezifischen Teller assoziierten. Das bestätigte bisherige Beobachtungen aus anderen Studien.

Das Sehvermögen spielt keine Rolle

Nun wollten die Forschenden herausfinden, was diese Verzerrung verursacht. Im Allgemeinen können Hunde schlechter sehen als Menschen, daher könnte das der Grund sein, dass die Tiere Richtungen besser interpretieren können als objektbezogene Informationen. »Die visuellen Fähigkeiten von Hunderassen unterscheiden sich voneinander, was auf ihre Kopfform zurückzuführen ist. Hunde mit kürzeren Köpfen haben ein menschenähnliches Sehvermögen. Die Struktur ihrer Netzhaut impliziert ein schärferes und fokussierteres Sehen als bei Hunden mit längeren Köpfen«, erklärt die Verhaltensbiologin Zsófia Bognár, Koautorin der aktuellen Arbeit. Diese Unterschiede erlauben es, den Einfluss des Sehvermögens auf die Verzerrung zu untersuchen.

»Hunde mit besseren kognitiven Leistungen konnten Informationen genauso leicht mit Objekten wie mit Orten verknüpfen«Eniko Kubinyi, Verhaltensbiologin

Als die Fachleute die Ergebnisse der Versuche bezogen auf die Kopfform der Tiere auswerteten, konnten sie keinen Zusammenhang zwischen den visuellen Fähigkeiten der Hunde und der objektbezogenen Aufmerksamkeit feststellen. Demzufolge ist die räumliche Verzerrung wahrscheinlich nicht auf das Sehvermögen der Tiere zurückzuführen. Die Vermutung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Die kognitiven Fähigkeiten der Hunde beeinflussen, wie gut sie objektbezogene Informationen verarbeiten können.

Um diese These zu prüfen, haben die Forschenden die kognitiven Fähigkeiten der Tiere mit ihrem Verhalten in den beiden Experimenten verglichen. »Wir haben ihr Gedächtnis, ihre Aufmerksamkeit und ihr Durchhaltevermögen getestet, und entdeckten, dass Hunde mit besseren kognitiven Leistungen Informationen genauso leicht mit Objekten wie mit Orten verknüpfen konnten«, sagt Verhaltensforscherin Eniko Kubinyi, die ebenfalls Teil von Iotchevs Team ist. Am besten schnitten Hunderassen wie Border Collies ab, die als besonders intelligent gelten. Das scheint die These der Forschenden zu bestätigen, dass die Verzerrung von kognitiven Fähigkeiten abhängt. Bei Menschen scheint das ebenfalls der Fall zu sein, wie Kubinyi erklärt: »Wir sehen auch, dass die räumliche Verzerrung bei Kindern mit zunehmender Intelligenz abnimmt.«

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